Arzt und Recht - OUP 12/2018

Welches Verhalten ist im Falle einer Abmahnung angezeigt?
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Heiko Schott*

Kaum ein anderes juristisches Thema beschäftigt seit einigen Monaten insbesondere Niedergelassene sowohl aufgrund der bestehenden Aktualität als auch wegen der einhergehenden Verunsicherung so intensiv, wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Begründet ist dieser Umstand wohl vor allem darin, dass die konkrete Zielrichtung eines erforderlichen Handelns oftmals lediglich oberflächlich zugeordnet wird und aber gleichfalls weitreichend ist.

Entfaltet die DSGVO doch Wirkungen gegenüber Praxismitarbeitern, gegenüber externen Dienstleistern, gegenüber Patienten, für die Homepage und für sämtliche soziale Medien. Insbesondere das vermeintlich korrekte Verhalten für den Fall des Erhaltens einer Abmahnung soll in diesem Artikel dargestellt werden. Das Erfassen der juristischen Problemstellung ist hierzu Voraussetzung, da vor allem in diesem Teilbereich unzählige Halbwahrheiten angesiedelt sind.

Seit dem 25.05.2018 gilt die DSGVO vollumfänglich. Seit diesem Datum bestehen vielerseits Befürchtungen, Adressat einer Abmahnung zu werden. Nur der Klarstellung halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Verordnung kein exklusives Medizinerproblem darstellt, sondern sämtliche Unternehmer, Freiberufler, Vereine etc. betroffen sind. Einige Monate nach Inkrafttreten der Verordnung kann das vorläufige Resümee gezogen werden, dass es sicherlich Abmahnungen gibt, die befürchtete „Welle“ jedoch ausblieb.

Was ist eine Abmahnung?

Den Begriff oder das Rechtsinstrument der Abmahnung findet man in den verschiedensten rechtlichen Bereichen; so beispielsweise auch im Mietrecht und im Arbeitsrecht. Hier gegenständlich ist der Bereich des Wettbewerbsrechts. Eine Definition, was konkret eine Abmahnung ist, sucht man allerdings in den Gesetztestexten vergeblich. Genannt ist die Abmahnung beispielsweise in § 12 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), hier heißt es: „Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen (...)“1 .

Die eigentliche Definition kann lediglich einem Regierungsentwurf zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb aus dem Jahre 2003 entnommen werden. Hier heißt es: „Man versteht hierunter (Anm. d. Verfassers: Abmahnung) die Mitteilung eines Anspruchsberechtigten an einen Verletzer, dass er sich durch eine genau gezeichnete Handlung wettbewerbswidrig verhalten habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen und binnen einer bestimmten Frist eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung abzugeben“2.

Im Falle von wettbewerbsrechtlichen Verstößen dient die Abmahnung vor allem der außergerichtlichen Konfliktlösung zwischen den Parteien. Es ist der Versuch, Streitigkeiten zwischen dem Anspruchsberechtigten und dem Anspruchsverpflichteten über Unterlassungs- und Beseitigungspflichten nach einer erfolgten Verletzungshandlung ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu regeln.

DSGVO-Abmahnung und Wettbewerbsrecht?

Es herrscht bedeutsame Uneinigkeit darüber innerhalb juristischer Literatur und Rechtsprechung, ob Datenschutzverstöße (nach DSGVO) nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) überhaupt abmahnfähig sind. Diese Frage stellt sich deshalb zu Recht, da die DSGVO selbst gerade keine Möglichkeit einer Abmahnung bei datenschutzrechtlichen Verstößen vorsieht und hier auch keine Unterlassungsansprüche für (Mit-)Wettbewerber geregelt sind. Daneben wird zutreffend hinterfragt, ob überhaupt ein Bedürfnis herzuleiten wäre für zusätzliche – neben den Vorschriften der DSGVO stehende – Sanktionsmöglichkeit.

Wird also eine Abmahnung wegen vermeintlicher datenschutzrechtlicher Verstöße ausgesprochen, so funktioniert dies nur, wenn der Rückgriff auf das UWG zulässig wäre und hierüber erfolgte. Diese „Lösung über Eck“ setzt voraus, dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen der DSGVO als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG einzuordnen sind. Genau hierin liegt die juristische Meinungsstreitigkeit begründet.

Allein aufgrund der zeitlichen Nähe zum Inkrafttreten der DSGVO steht eine höchstrichterliche Rechtsprechung bislang aus. Bei den Instanzgerichten gibt es hingegen erste Entscheidungen, die jedoch euphemistisch ausgedrückt als nicht einheitlich bezeichnet werden können.

Die erste dem Verfasser bekannte Entscheidung erging durch das Landgericht Würzburg am 13.09.20183 . Das Landgericht nahm eine Abmahnung als möglich im Zusammenspiel mit § 3a UWG (s.o.) an, ohne jedoch überhaupt auf eine eventuelle abschließende Regelung der Sanktionen der DSGVO oder den bestehenden Meinungsstreit einzugehen.

Das Landgericht Bochum hingegen vertritt in der Entscheidung vom 18.10.2018 die Ansicht, dass Verstöße gegen die DSGVO keine abmahnfähigen Wettbewerbsverstöße darstellen4.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat nun jüngst am 06.11.2018 entschieden, dass grundsätzlich zwar die Möglichkeit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung über § 3a UWG in Verbindung mit den Vorschriften der DSGVO bestünde, allerdings die konkret verletzte Vorschrift darauf zu überprüfen sei, ob diese zumindest auch den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecke, wobei lediglich reflexartige Auswirkungen nicht ausreichend sein sollen5.

Die aufgeführten, aktuellen 3 gerichtlichen Entscheidungen zeigen auf das Deutlichste die bestehende Rechtsunsicherheit im Umgang mit der Datenschutzgrundverordnung auf. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Verunsicherung unzweifelhaft sowohl bei den Abmahnwilligen ebenso gegeben, wie bei den Abgemahnten. Gleiches gilt auch für die Rechtsauffassungen der Landesdatenschutzbeauftragten. Während der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink die Ansicht vertritt, Verstöße gegen die DSGVO seien aufgrund des UWG abmahnfähig6, erachtet die Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Marit Hansen, das UWG für nicht anwendbar7.

Es ist daher bislang völlig unklar und keineswegs gewiss, ob Abmahnungen im Bereich der DSGVO rechtlich überhaupt möglich sind, und wenn ja, in welchem Umfang und bei welcher konkreten Pflichtverletzung.

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass bereits am 06.07.2018 der Bundesrat über einen von dem Land Bayern eingebrachten Gesetzesentwurf beraten hat, nach dem die Vorschriften der DSGVO vom UWG nicht erfasst werden sollen. Der Möglichkeit einer DSGVO-Abmahnung soll so vollkommen und in Gänze entgegengetreten werden. Ob dies angesichts der vorherrschenden politischen Lage und insbesondere angesichts des bestehenden Koalitionsvertrags letztlich erfolgen wird, darf zumindest als ungewiss erachtet werden; dies wird die politische und nicht die juristische Zukunft zeigen.

Reaktionsempfehlungen
bei erhaltener Abmahnung

Losgelöst von den vorstehenden inhaltlichen Erläuterungen und der Frage der generellen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer DSGVO-Abmahnung ist dringend geboten, Ruhe zu bewahren und keine voreiligen und/oder unüberlegten Reaktionen an den Tag zu legen.

Wegen gegebenenfalls drohender Konsequenzen und Kosten sind Abmahnschreiben zunächst einmal grundsätzlich ernst zu nehmen.

In der Abmahnung wird zwangsläufig eine Frist bestimmt sein, im Rahmen derer der Abmahnende eine Reaktion vom Verletzer einer DSGVO-Vorschrift erwartet. Es ist dringend zu empfehlen, diese Frist zu wahren, da anderenfalls – nahezu zwangsläufig – ein gerichtliches Verfahren droht, dass zumindest weitere Kosten und Unannehmlichkeiten hervorrufen kann.

Auch, wenn dies mit Kosten verbunden ist, ist zeitnah anwaltliche Hilfe in Form der Beratung und/oder Vertretung angezeigt. Die Unübersichtlichkeit der einzelnen Problemstellungen in und um die DSGVO ist in den allermeisten Fällen schlicht ohne einen solchen Beistand nicht zu gewährleisten. Es ist im Weiteren das abgemahnte Verhalten in Anbetracht der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Rechtsprechung zu klassifizieren. Wenn dies erfolgt ist, sind prozesstaktische Erwägungen anzustellen, um zu klären, ob ein weiteres außergerichtliches Vorgehen angezeigt ist. Aus anwaltlicher Erfahrung darf hier betont werden, dass eine anwaltliche Konsultation am letzten Tage der (ab-) laufenden Frist nicht die beste Idee ist, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen.

Sollte eine Praxis-Internetseite Gegenstand des Verfahrens sein, wird es sinnvoll sein, diese zunächst kurzfristig offline zu stellen, um nicht weiteren, dann eventuell parallelen, Abmahnverfahren ausgesetzt zu sein.

Sollten Patientendaten betroffen sein, wird dringend geraten keine weiteren Auskünfte vor einer konkreten Beratung zu erteilen und das Praxispersonal entsprechend zu instruieren.

* Kanzlei Schmelter & Schott, Gelsenkirchen

1 § 12 Abs. 1, Satz 1 UWG

2 Begr. RegE BT-Drucks 15/1487, S. 25

3 Landgericht Würzburg, Az 11 O 1741/18 UWG.

4 Landgericht Bochum, Az I-12 O 85/18.

5 Oberlandesgericht Hamburg, Az 3 U 66/17.

6 So in 38. Folge des F.A.Z. Einspruch Podcast, ab Minute 59:35.

7 So in Handelsblatt vom 24.05.2018.

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