Übersichtsarbeiten - OUP 05/2013

Wirbelkörperfrakturen im Alter, minimalinvasive Behandlungsstrategien

O. Gonschorek1, M. Lorenz1, V. Bühren1

Zusammenfassung: Wirbelkörperfrakturen im Alter haben schon zahlenmäßig einen hohen Stellenwert und erfahren momentan gerade durch die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden eine lebhafte Diskussion. Durch den Vormarsch minimalinvasiver Techniken können auch ältere Patienten suffizient operativ versorgt und dadurch rascher mobilisiert werden. Nicht immer ist die alleinige Zementaugmentation ausreichend, bei adäquatem Trauma und entsprechender Instabilität ist eine dorsale Instrumentierung erforderlich. Auch in diesen Fällen können moderne Verfahren wie die zementaugmentierte Pedikelschraube oder die perkutane Technik für den Patienten vorteilhaft zum Einsatz kommen.

Schlüsselwörter: Kyphoplastie, Vertebroplastie, Zementaugmentation, dorsale Instrumentierung, Knochendichtemessung, Osteoporose

Abstract: Vertebral fractures of the elderly show a high incidence and are actively discussed as there is a large variety of new operative techniques. Minimal invasive techniques allow fast and less incriminating but sufficient operative treatments of the elderly so that they are earlier mobilized. Vertebroplasty and kyphoplasty can be used in simple lesions, they are complemented in higher instabilities by internal fixators. The pedicle screws can be inserted using a percutaneous technique and they may be easily cement augmented due to new cannulated and fenestrated designs. If applied using a differentiated indication, these new techniques are advantageous for our elderly patients.

Keywords: kyphoplasty, vertebroplasty, cement augmentation, posterior instrumentation, osteodensitometry, osteoporosis

Einleitung

Die Bedeutung der Wirbelkörperfrakturen in der älteren Bevölkerung wird durch epidemiologische Daten eindeutig belegt. In den USA sind momentan etwa 43 Mio. Menschen älter als 65 Jahre, für Deutschland wird mit etwa 250.000 osteoporoseassoziierten Wirbelkörperfrakturen gerechnet. Bereits Ende des letzten Jahrtausends konnte statistisch dargelegt werden, dass 50 % aller weißen Frauen während ihrer restlichen Lebenszeit eine osteoporotische Fraktur erleiden werden [1].

Bei der Versorgung von Wirbelkörperfrakturen beim Älteren kommen besondere Kriterien zum Ansatz. Neben der Frage der Instabilität muss hier im besonderen Maße die Knochenqualität und natürlich auch der Allgemeinzustand des Patienten berücksichtigt werden. Die Verankerung von Osteosynthesematerialien im osteoporotischen Knochen muss kritisch betrachtet werden, nicht in jedem Fall aber ist eine alleinige Zementaugmentation ausreichend. Die aufwendige ventrale Rekonstruktion mit Wirbelkörperersatz muss für den Ausnahmefall vorbehalten sein bei aktivem Patienten in gutem Allgemeinzustand bei nicht allzu schwerem Osteoporosegrad.

Die Entscheidung, wann welche Strategie zum Einsatz kommt, ist nicht immer einfach, allgemeingültige Kriterien sind noch nicht gesichert. Die AG Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) hat sich über die letzten Jahre darum bemüht, eine neue Klassifikation für osteoporotische Frakturen und Empfehlungen zur Therapie zu erarbeiten, die zur Drucklegung dieser Arbeit allerdings noch nicht publiziert sind. Hier bleiben die Entwicklungen der nächsten Jahre abzuwarten. Wesentlich erscheint, zwar einerseits kein Overtreatment zum Ansatz zu bringen, allerdings auch nicht, instabile Frakturen alleine mit einer Zementaugmentation insuffizient zu versorgen. Moderne Operationstechniken wie die Zementaugmentation, perkutane Fixateurtechniken und zementaugmentierte Pedikelschrauben kommen für die Patienten vorteilhaft zum Einsatz [2].

Diagnostik

Die klassische Röntgendiagnostik in 2 Ebenen stellt die primäre Grundlage dar, ist allerdings bei osteoporotischen Frakturen nicht immer die erste vorliegende Bildgebung. In der Praxis wird bei Rückenschmerzen ohne Trauma häufig zunächst ein MRT vorliegen. Besondere Bedeutung kommt hier der STIR-Sequenz zu, um frische Frakturen von älteren Läsionen zu unterscheiden. Im Rahmen der Untersuchungen innerhalb der AG Wirbelsäule der DGU konnte die Bedeutung des CT zur Differenzierung von Instabilitätsgraden herausgestellt werden. Im Verlauf ist ein Röntgen im Stehen wichtig, um Instabilitäten herauszuarbeiten und ggfs. im Rahmen einer Wirbelsäulen-Ganzaufnahme die sagittale Balance zu beurteilen. Zur Routine muss eine Knochendichtemessung gehören, nicht nur um die Knochenqualität z.B. als Vorbereitung zur OP beurteilen, sondern v.a. auch um medikamentöse Maßnahmen zur Osteoporosetherapie einleiten zu können.

Klassifikation

Grundlegend ist die AO-Klassifikation (nach Magerl) einzusetzen. Die Fraktur beim Älteren lässt sich aber nicht immer ausreichend hierüber definieren. Neue Klassifikationen sind daher in Arbeit. Wesentlich erscheint die Differenzierung zwischen der osteoporotisch bedingten Fraktur und der instabilen Fraktur bei osteoporotischem Knochen, da hier komplett unterschiedliche Therapiekonzepte zum Ansatz gebracht werden müssen.

Die osteoporotisch bedingte Fraktur bedarf keines adäquaten Traumas, sie entsteht mehr oder weniger spontan oder nach einem Bagatellereignis. In diesen Fällen sind konservative Maßnahmen initial führend, die Leitlinien des Dachverbands Osteologie e.V. (DVO) können hier im Hinblick auf OP-Indikationen Beachtung finden.

Instabile Frakturen bei Osteoporose entstehen regelhaft bei aktiven Patienten nach adäquatem Trauma. Hier ist oft eine rasche operative Therapie einzuleiten, um einer länger dauernden Immobilität vorzubeugen. In Verlaufskontrollen bei konservativer Behandlung zeigt sich in diesen Fällen häufig eine enorme Dynamik bzgl. Wirbelkörpersinterung und kyphotischer Fehlstellung. Die reine Zementaugmentation des betroffenen Wirbelkörpers ist regelhaft nicht ausreichend, eine dorsale Instrumentierung muss hier ergänzend zum Einsatz kommen. Die erhöhte Stabilität von multisegmentalen Versorgungen oder von zementaugmentierten Pedikelschrauben sollte genutzt werden.

Besonderheiten der Bandscheibe im Alter

Gerade im deutschsprachigen Raum wird der destruierten Bandscheibe nach Berstungsbrüchen eine große Bedeutung beigemessen, dies führt zu einer großzügigen Indikation zur Rekonstruktion der vorderen Säule, um sekundären kyphotischen Fehlstellungen vorzubeugen [3]. Die zunehmende Degeneration der Bandscheibe mit Sklerosierung und Verschmälerung hat bei Älteren zur Folge, dass hier komplett andere Prinzipien zum Ansatz kommen und der Verzicht auf die ventrale Rekonstruktion nicht zum Nachteil der Patienten führt.

Konservative Behandlung

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