Übersichtsarbeiten - OUP 05/2013

Wirbelkörperfrakturen im Alter, minimalinvasive Behandlungsstrategien

Der überwiegende Teil der Patienten wird ambulant in der niedergelassenen Praxis behandelt. Initiale Diagnostik wie oben beschrieben wird durch Verlaufskontrollen ergänzt. Die erhebliche Schmerzsymptomatik wird initial eine reduzierte Mobilität nach sich ziehen, verlängerte Bettruhen sollten allerdings unbedingt durch eine adäquate Schmerzreduktion vermieden werden. Zwar können Orthesen an eine korrekte Haltung erinnern und möglicherweise Schmerzen reduzieren, sie werden allerdings nur selten konsequent von den Patienten getragen. Bei der Verordnung von Schmerzmitteln ist unbedingt an die Interaktion mit der regelhaft bereits ausgiebig vorhandenen Medikation zu denken. Bei starker Beschwerdesymptomatik und entsprechend hoher Schmerzmittelgabe wird eine stationäre Behandlung unausweichlich sein. Eine adäquate Osteoporosetherapie ist einzuleiten.

Indikation zur operativen Therapie

Gemäß DVO-Leitlinie von 2009 ist zunächst eine konservative Behandlung einzuleiten, von der allerdings bei entsprechender Begründung und Dokumentation abgewichen werden kann. Wesentliche Kriterien, die zur operativen Therapie führen, sind der auch bei adäquater Schmerzmedikation immobilisierende Schmerz und die zunehmende Sinterung/Destruktion/Fehlstellung des betroffenen Wirbelkörpers oder Segments.

Vertebroplastie/Kyphoplastie

Die perkutane Vertebroplastie diente bei ihrer Erstanwendung im Jahre 1987 zur Behandlung von symptomatischen Wirbelkörperangiomen. Im weiteren wurde die Indikation auf osteoporotische und tumorbedingte Wirbelkörperfrakturen ausgeweitet.

Die Ballon-Kyphoplastie wurde 1998 von Reiley entwickelt, durch das Auffüllen eines Ballons im Wirbelkörper kann dieser aufgerichtet werden, in die präformierte Höhle wird dann Zement eingefüllt [4]. Durch dieses Verfahren können signifikante Korrekturen des posttraumatischen Kyphosewinkels erzielt werden [5]. Inwiefern dies zu einem langfristigen Benefit der Patienten führen kann, ist allerdings bislang nicht nachgewiesen [6].

Vorteilhaft bei der Kyphoplastie ist die deutliche Reduktion von ungewollten komplikationsbehafteten Zementaustritten im Vergleich zur Vertebroplastie [7, 8]. Beide Methoden führen zu einer raschen signifikanten Schmerzreduktion bei zuvor unbeherrschbaren Schmerzzuständen und somit zur gewollten frühen Mobilisation der Patienten [9, 10]. Auch wenn 2 Studien mit auf den ersten Blick überlegenem randomisiertem Design keine Überlegenheit der Vertebroplastie gegenüber einer lokalen Schmerzmedikation zeigen konnten [11, 12], bringt die alltägliche klinische Erfahrung doch erhebliche Vorteile zutage, die mittlerweile auch durch eine randomisierte Studie zumindest für die Ballonkyphoplastie belegt werden konnten [13].

Das Thema der Anschlussfrakturen ist in der Literatur heftig diskutiert und führte bereits bei manchen Arbeitsgruppen dazu, konsequent im Rahmen der Erstbehandlung mehrere, auch unbetroffene Wirbelkörper zu zementieren. Dies ist sicherlich nicht ohne weiteres zu befürworten. Es kann allerdings sinnvoll sein, im Bereich von ausgeprägteren Kyphosen oder bei bereits bestehender Deformierung einen angrenzenden Wirbelkörper ebenfalls in gleicher Sitzung mit zu stabilisieren. Der positive Effekt durch den Einsatz semirigider Implantate wird in diesem Zusammenhang zwar ebenfalls diskutiert, wissenschaftliche Hinweise konnten aber bislang nicht erbracht werden [14]. Bei der Ex-post-Betrachtung liegt häufig schon initial eine Schädigung/Veränderung des dann von einer „Anschlussfraktur“ betroffenen Wirbelkörpers vor. Gerade in diesem Zusammenhang ist die Bedeutung des MRT nochmals hervorzuheben [15].

In jedem Fall stellen Vertebroplastie und Kyphoplastie eine wertvolle operative Behandlungsoption dar, um bei osteoporotischen Frakturen ohne das Vorliegen von Instabilitätskriterien eine rasche Schmerzreduktion und damit Mobilisation der betroffenen Patienten erzielen zu können [16]. (Abb.1)

Zementwahl

Nach wie vor ist der PMMA-Zement als Standardaugmentationsmaterial der Wahl anzusehen. Nachteilig ist sicherlich das Vorliegen einer inerten Plombe. Insofern bleibt das Verfahren älteren bzw. biologisch vorgealterten Patienten vorbehalten. Wünschenswert wären osteokonduktive und biointegrative Materialien, auch um die Indikationen zum Vorteil der Patienten ausweiten zu können. Die momentan zur Verfügung stehenden Varianten erreichen die erforderlichen biomechanischen Festigkeiten jedenfalls nicht [17].

Perkutaner Fixateur interne

Bei instabilen Frakturen reicht die alleinige Vertebroplastie/Kyphoplastie nicht aus, es kommt zu sekundären Sinterungen bis hin zum kompletten Kollaps der geborstenen Wirbelkörper. Zwar sollte beim älteren Menschen das OP-Trauma so gering wie möglich gehalten werden, mehr aber noch muss eine erforderliche Revision unbedingt vermieden werden. Die heute zur Verfügung stehende Kombination aus perkutaner OP-Technik und möglicher Zementaugmentation auch für die Pedikelschrauben ermöglichen eine schonende und zugleich stabile Versorgung gerade der alten Patienten. Auch multisegmentale Versorgungen können so schonend und rasch durchgeführt werden. Zusätzlich kann eine Zementaugmentation des betroffenen Wirbelkörpers erfolgen, die sogenannte Hybridtechnik [2].

Die Entscheidung, wann nun die Kyphoplastie alleine ausreichend ist, und wann ein Fixateur zum Einsatz kommen soll, ist nicht einfach. Eine Sinterung ohne erinnerliches Trauma bzw. bei willentlichem Anheben eines geringen Gewichts oder im Rahmen eines Bagatellereignisses spricht eher für eine stabile Situation. Gleiches gilt für Frakturen, die keine oder nur eine geringgradige Hinterkantenläsion aufweisen. Liegt bei einem aktiven Patienten ein Rasanztrauma vor, gibt es Hinweise auf eine Berstung des Wirbelkörpers mit erheblicher Hinterkantenbeteiligung oder stellt man eine erhebliche Dynamik in der Sinterung oder der Kyphosierung des betroffenen Wirbelkörpers fest, sollte man zu einem Fixateur interne tendieren (Abb. 2).

Während noch vor wenigen Jahren die Zementaugmentation der Pedikelschrauben aufwändig war, erfordert dies bei den heute vorhandenen kanülierten und fenestrierten Systemen lediglich noch etwas Geduld, um bei bereits liegenden Schrauben die ideale Viskosität des Zementes abzuwarten und dann einfach bis zu 8 Schrauben auf einmal zu augmentieren. Die perkutane Technik konnte sowohl experimentell als auch klinisch ihre Vorteile in Bezug auf Muskelschonung und verminderten Blutverlust nachweisen. Gerade im klinischen Alltag zeigt sich der Vorteil offensichtlich, wobei erfahrungsgemäß große multizentrische Studien ausbleiben werden um diese Vorteile auch wissenschaftlich sauber zu belegen [18, 19].

Rekonstruktion der ventralen Säule beim Älteren

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