Übersichtsarbeiten - OUP 10/2016

Zellfreie Implantate zur Behandlung von fokalen Knorpelschäden des Kniegelenks
Indikation, Technik und ErgebnisseIndications, techniques and results

Ein weiterer Vorteil dieser vollständig zellfreien Verfahren ist, dass sie ohne die Perforation der subchondralen Grenzschicht auskommen und somit auch Revisionen einfacher möglich sind. Im Gegensatz hierzu zeigen nach Mikrofrakturierung durchgeführte ACIs eine deutliche schlechtere Erfolgsaussicht, was am ehesten der gestörten Architektur innerhalb des Defekts zuzuschreiben ist, und nach vorangegangenem zellfreien Implantat nicht zu erwarten ist [22, 31].

Aus diesen Überlegungen ergeben sich die technischen Anforderungen an die Implantation einer solchen Matrix. Nach arthroskopischer Evaluation und Überprüfung der MRT-Diagnostik erfolgt je nach Verfahren via Miniarthrotomie oder arthroskopisch zunächst ein sorgfältiges Débridement des Defekts. Hierbei ist darauf zu achten, dass die subchondrale Grenzschicht nicht verletzt wird. Erst wenn ein stabiler Rand aus gesundem, hyalinem Knorpel und eine vollständige Entfernung des geschädigten Knorpels erreicht ist, kann die jeweilige zellfreie Matrix implantiert werden. Eine passgenaue, Press-fit-Implantation der Matrix ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.

Anhand eigener Daten sehen die Autoren die Indikation zur Anwendung dieses zellfreien Verfahrens bei Patienten mit mittlerem Aktivitätsgrad und Defektgrößen bis ca. 6 cm2 [30, 34]. Belastbare Daten für noch größere Defekte liegen aktuell nicht vor und daher sollten solche Defekte nur im Rahmen von Studien versorgt werden. Auch sollten größere Defekte bei sehr jungen Patienten zunächst ebenfalls nur im Rahmen von Studien versorgt werden, da auch für dieses Verfahren bisher noch keine ausreichend langen Nachuntersuchungszeiträume vorliegen.

Begleitverfahren und
Nachbehandlung

Auch die Knorpeltherapie mittels Mikrofrakturierung, augmentierter Mikrofrakturierung oder vollständig zellfreien Verfahren bedarf – genau wie die ACI – einer sorgfältigen Indikationsstellung und muss immer sämtliche Begleitpathologien, die die biomechanischen Verhältnisse beeinflussen, berücksichtigen. Eine gerade Beinachse und ein stabiles Kniegelenk mit intakten Menisken sind unabdingbare Bedingungen für jegliche knorpelregenerative Maßnahme. Auch die typischen Ausschlusskriterien wie chronisch entzündliche Gelenkerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, Knorpelläsionen gegenüberliegender Gelenkflächen, sog. „kissing-lesions“ als Zeichen einer initialen Degeneration, oder eine bereits generalisierte Degeneration gelten unverändert für alle beschriebenen Verfahren.

Bezüglich der Nachbehandlung nach Knorpeltherapie liegt keine eindeutige Evidenzlage vor. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass sich eine Druck- und Scherbelastung auf das Regeneratgewebe eher negativ auswirkt [16]. Bewegung des Gelenks ohne Last und nach Stabilisation des Regeneratgewebes unter dosierter Belastung hat eher einen positiven Effekt auf die Reifung des Regeneratgewebes [44].

Trotz der sehr unterschiedlichen Materialbeschaffenheit und biomechanischen Eigenschaften der zur Augmentation verwendeten Matrices wird zumeist in Abhängigkeit von der Defektlokalisation wie auch nach ACI bei tibio-femoralen Defekten eine 6-wöchige Entlastung oder geringe Teilbelastung und bei patello-femoralen Defekten eine Vollbelastung in Streckung bei jedoch limitierter Flexion empfohlen [16, 44]. Anschließend erfolgt in der Regel eine stufenweise Wiederaufbelastung. Die regelmäßige Anwendung einer passiven Motorbewegungsschiene (CPM – Continuous Passive Movement) wird ebenfalls häufig berichtet, wobei spezifische Angaben über Dauer und Intensität selten vorliegen [18].

Eine Freigabe für Kontaktsport und sämtliche Aktivitäten, die mit einer Spitzenbelastung des Knorpels einhergehen können, sollte frühestens nach einem Jahr erfolgen. Diese Empfehlung beruht auf MR-morphologischen Daten, welche beispielsweise nach ACI eine Normalisierung der Implantatdarstellung mittels T2-Mapping erst nach ca. einem Jahr zeigen. Dies ist umso wichtiger, da die klinischen Scores nicht zwingend mit der MR-Morphologie korrelieren und somit Patienten dazu neigen könnten, auf Grund bereits frühzeitig gebesserter Symptome das Regeneratgewebe zu früh zu intensiv zu belasten [11, 26].

Zusammenfassung

Zusammenfassend stellen die zellfreien Knorpelregenerationsverfahren eine auch zukünftig interessante Therapieoption dar (Tab. 2). Unter dem zunehmenden Kostendruck im Gesundheitssystem, der mit der ACI verbundenen Notwendigkeit zum 2-zeitigen Vorgehen und dem unvermeidbaren Entnahmedefekt könnten die zellfreien Verfahren eine sinnvolle Alternative zur ACI darstellen. Voraussetzung hierfür wäre der erhoffte Nachweis, dass auch größere Defekte als die Mikrofrakturierung mit langfristig guten Ergebnissen versorgt werden können, da nur so die im Vergleich zur Mikrofrakturierung längeren OP-Zeiten und die höheren Kosten der Augmentationen oder der zellfreien Verfahren gerechtfertigt würden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Turgay Efe

Orthopaedicum Lich

Gottlieb-Daimler-Str. 7a

35423 Lich

efet@med.uni-marburg.de

Literatur

1. Regulation (EC) No 1394/2007 of the European Parliament and of the Council of 13 November 2007 on advanced therapy medicinal products and amending Directive 2001/83/EC and Regulation (EC) No 726/2004. Official Journal of the European Union, 2007; 324: 121–137

2. Anders S, Volz M, Frick H, Gellissen J: A Randomized, Controlled Trial Comparing Autologous Matrix-Induced Chondrogenesis (AMIC(R)) to Microfracture: Analysis of 1– and 2-Year Follow-Up Data of 2 Centers. Open Orthop J 2013; 7: 133–43

3. Becher C, Ettinger M, Ezechieli M, Kaps C, Ewig M, Smith T: Repair of retropatellar cartilage defects in the knee with microfracture and a cell-free polymer-based implant. Arch Orthop Trauma Surg, 2015; 135: 1003–10

4. Benthien JP, Behrens P: Autologous matrix-induced chondrogenesis (AMIC). A one-step procedure for retropatellar articular resurfacing. Acta Orthop Belg, 2010. 76: 260–3

5. Bert JM: Abandoning microfracture of the knee: has the time come? Arthroscopy, 2015. 31: 501–5

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