Übersichtsarbeiten - OUP 04/2017

Zement in der Hüftendoprothetik – ein Update

Ein Vorteil der zementierten Prothesen ist die sofortige Belastungsfähigkeit, die bei zementfreien Implantaten unter Umständen (z. B. abhängig von Knochenqualität, Körpergewicht) eingeschränkt sein kann. Belastungsspitzen, wie sie bei Stolper- oder Sturzereignissen auftreten können [5], werden vermutlich mit einer zementierten Schaftverankerung besser kompensiert. Insbesondere ältere Patienten können dadurch schneller und sicherer mobilisiert werden, wodurch allgemeine Komplikationen wie Thrombosen oder Pneumonien seltener auftreten.

Revisionsrate in Abhängigkeit vom Verankerungsprinzip

Stea et al. untersuchten die Revisionsraten bei zementierten und zementfreien Hüftprothesen in verschiedenen Altersgruppen bei insgesamt 239.442 Patienten aus 6 Registern über 10 Jahre. Dabei hatte die Altersgruppe über 75 Jahre bei zementfreier Versorgung das signifikant höchste Revisionsrisiko. Bei Patienten zwischen 45 und 74 Jahren war der Unterschied zwar geringer, aber immer noch deutlich [37]. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt Troelsen bei der Analyse von 7 verschiedenen Prothesenregistern [40].

Nach früheren Daten des schwedischen Hüftregisters war die Revisionsrate für zementfreie Implantate nach 10 und 15 Jahren signifikant höher als für zementierte [21]. Das geringste Revisionsrisiko wegen aseptischer Lockerung hatten zementierte Pfannen und zementfreie Schäfte. Zementfreie Schäfte wurden allerdings in den ersten 2 postoperativen Jahren häufiger wegen Frakturen revidiert [21]. Nach Hailer profitiert keine Alters- oder Diagnosegruppe von der zementfreien Versorgung. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass diese Daten auch zwischenzeitlich vom Markt genommene zementfreie Systeme mit hoher Versagensrate einschließen.

Im Gegensatz zu diesen älteren Daten sind im schwedischen Hüftregister von 2014 die 10-Jahres-Ergebnisse von 2004–2014 mit etwa 95 % Revisionsfreiheit für beide Fixationsprinzipien annähernd gleich [38].

Auch zementfreie Endoprothesen zeigen in zahlreichen Veröffentlichungen sehr gute Langzeitergebnisse. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass es bei zementfreien Implantaten bei korrekter Operationstechnik durch Osteointegration zu einer biologischen Fixation der Prothese mit verringertem Stress-shielding am proximalen Femur kommt [14, 42]. Insbesondere bei unter 55-jährigen Patienten zeigen registerbasierte Studien im Vergleich zu zementierten Implantaten bessere 10-Jahres-Überlebensraten von 93–98 % für zementfreie Pfannen und 99 % für zementfreie Schäfte bei aseptischer Lockerung als Revisionsgrund [44].

Implantatspezifische
Vor- und Nachteile

Pfanne

Für zementierte Pfannen gibt es gut dokumentierte Langzeitverläufe. Trotz Anwendung der alten, mittlerweile überholten Zementiertechnik und konventionellem Polyethylen, sind nach 10 Jahren 99 %, nach 15 Jahren 98 % [34] und nach 25 Jahren immerhin noch 87 % der Implantate revisionsfrei beschrieben [7].

Auch bei zementfreien Implantaten sind die Überlebensraten nach erfolgter Osteointegration sehr gut [44]. Allerdings sind die veröffentlichten Studien und Daten aus den Registern kaum vergleichbar, da eine Vielzahl unterschiedlicher Pfannentypen mit verschiedenen Gleitpaarungen verwendet wird und der Endpunkt für das Versagen der Komponenten oft nicht einheitlich definiert ist. So werden beispielsweise Inlaywechsel im Rahmen von Schaftrevisionen teilweise als Pfannenrevisionen gewertet [24].

In einer Literaturstudie analysierte Pakvis 16 randomisierte, kontrollierte und 19 nichtrandomisierte, kontrollierte Studien, in denen klinische und radiologische Ergebnisse von zementierten und zementfreien Hüftpfannen verglichen wurden. Dabei konnte keine eindeutige Überlegenheit für eine bestimmte Fixationsmethode gefunden werden [32].

Toossi untersuchte die Literaturdaten von insgesamt 26.576 Pfannenkomponenten bei primären Hüftprothesen mit mindestens 10 Jahren Beobachtungsdauer. Dabei fand er keine Evidenz für die Bevorzugung zementfreier Implantate, sondern zuverlässig gute Ergebnisse für zementierte Pfannen [39]. Für Clement stellt konsequenterweise die zementierte Polyethylenpfanne für alle Altersgruppen den Goldstandard dar, an dem sich alle anderen Pfannenkomponenten messen müssen [15]. Hailer fand im Schwedenregister ein signifikant höheres Revisionsrisiko wegen aseptischer Lockerung für zementfreie Pfannen im Vergleich zu zementierten. Der Unterschied in der Revisionsrate blieb auch signifikant, nachdem Inlaywechsel bei zementfreien Pfannen als Revisionsgrund ausgeschlossen wurden oder wenn ausschließlich neuere Implantate untersucht wurden. Allerdings war das Revisionsrisiko der 5 am häufigsten verwendeten zementierten und zementfreien Pfannenmodelle vergleichbar [21].

In einer Studie von Hallan mit Daten aus dem norwegischen Register konnte gezeigt werden, dass die Revisionshäufigkeit von zementfreien Pfannen mit UHMW-PE-Inlays nach 7 Jahren deutlich zunahm. Die häufigsten Revisionsgründe waren aseptische Lockerungen und abriebinduzierte Osteolysen [22]. Beides legt einen vermehrten Polyethylenabrieb bei zementfreien im Vergleich zu zementierten Pfannenkomponenten nahe [41].

Im Gegensatz dazu fand Hartofilakidis bei Patienten unter 55 Jahren nach 12 Jahren weniger aseptische Lockerungen bei zementfreien Pfannen als bei zementierten. Insgesamt wurden zementfreie Pfannen jedoch häufiger revidiert, da das Inlay wegen Abrieb oder im Rahmen von Schaftrevisionen gewechselt wurde [24].

Ein wesentlicher Vorteil der zementfreien Pfanne ist, dass durch die Modularität die Gleitpaarung variabler gestaltet werden kann. Allerdings ist ein klarer Vorteil einer bestimmten Gleitpaarung nach Einführung der hochvernetzten Polyethylene in der klinischen Anwendung bisher noch nicht eindeutig bewiesen [4, 43], während potenzielle Nachteile und Risiken, insbesondere bei Metall/Metall-Paarungen, in den vergangenen Jahren zunehmend evident wurden [19, 12].

Prothesenschaft

Bei zementfreien Schäften erhöht sich durch die primärstabile Press-fit-Verankerung das intraoperative Frakturrisiko am proximalen Femur. In der Literatur werden intraoperative Frakturraten zwischen 3,7 und 5,4 % bei zementfreien und 0,1–2,5 % bei zementierten Schäften angegeben [6, 29, 30, 36].

Abdel konnte zeigen, dass das Risiko für intraoperativ entstandene periprothetische Femurfrakturen bei Frauen ab dem 65. Lebensjahr und insbesondere bei der Verwendung zementfreier Schäfte signifikant erhöht ist. In dieser Studie war das intraoperative Frakturrisiko bei zementfreien Schäften 14x höher (3,0 % vs. 0,2 %), innerhalb der ersten 30 postoperativen Tage immerhin noch 10x höher (0,2 % vs. 0,03 %) als bei zementierter Verankerung. Im gesamten Beobachtungszeitraum von 20 Jahren war in dieser Studie das postoperative Frakturrisiko bei zementfreien Schäften signifikant höher als bei zementierten (7,7 % vs. 2,1 %), unabhängig von Geschlecht und Alter [1].

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