Originalarbeiten - OUP 11/2013

10-Jahres-Ergebnisse nach der Versorgung mit einer Standard Knie-Endoprothese NexGen CR

S. Mai1

Zusammenfassung: Bei der Behandlung degenerativer Knieveränderungen hat sich der Kniegelenkersatz zu einem üblichen und erfolgreichen Verfahren entwickelt.

In den Jahren 1998–1999 wurden in der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel 222 konsekutive, kreuzbanderhaltende, zementierte, primäre Knieendoprothesen der 3. Generation implantiert. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug bei der Operation 71 Jahre, 75 % waren Frauen. Die Daten wurden bis zu 10 Jahren postoperativ gesammelt. 143 Patienten konnten nach 10 Jahren klinisch untersucht werden, 76 waren verstorben, ein Patient wollte an der Studie nicht mehr teilnehmen. Der mittlere Knee Society Score (KSS) betrug präoperativ 26,7, postoperativ 86,8 nach 5 Jahren und 90,8 nach 10 Jahren, der mittlere Knee Function Score (KFS) betrug präoperativ 49,1, postoperativ nach 5 Jahren 72,2, nach 10 Jahren 57.

Die kumulative Überlebensrate mit Endpunkt „revision for any reason“ lag bei 99,1 % nach 10 Jahren. 6 intraoperative Komplikationen sind aufgetreten, 2 Patienten hatten Infektionen, von denen eine einen 2-zeitigen Wechsel nötig machte. Thromboembolische Ereignisse sind bei 7 Patienten aufgetreten, eine Lungenembolie war tödlich. Ein Patient hatte eine Peroneusschwäche. Ein Inlayaustausch war wegen Bandlaxitäten nach wiederholten Stürzen erforderlich.
3 Patienten benötigten einen sekundären Oberflächenersatz der Patella. Bei einem Patienten erfolgte ein Implantatwechsel wegen Schmerzen aufgrund von Patella Maltracking.

Diese Studie zeigt sehr gute Ergebnisse beim primären Kniegelenkersatz mit dem Kreuzband erhaltenden NexGen-Implantat. Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit denen anderer Autoren.

Schlüsselwörter: NexGen-CR, Knieendoprothetik, Arthrose, 10-Jahres-Überlebensrate

 

Zitierweise

Mai S: 10-Jahres-Ergebnisse nach der Versorgung mit einer Standard Knie-Endoprothese NexGen CR
OUP 2013; 11: 541–547. DOI 10.3238/oup.2013.0541–0547

Abstract: Total-Knee-Arthroplasty (TKA) has become a common and successful procedure in the treatment of the degenerative knee.

During the years 1998–1999 the Vitos Orthopaedic Clinic Kassel implanted 222 consecutive cruciate retaining third generation cemented knees as a primary procedure. Patients mean age was 71 years at surgery, 75 % were women. Data were collected up to 10 years postoperatively. 143 patients could be examined clinically after 10 years, 76 had died and one had left the study on his own will. The mean Knee Society Score (KSS) was 26,7 preoperatively, 86,8 5 years and 90,8 10 years postoperatively, the mean Knee Function Score (KFS) was 49,1 preoperatively, 72,2 after 5 years and 10 years postoperatively 57.

Cumulative survival with endpoint “revision for any reason” was 99,1 % at 10 years. 6 intraoperative complications occurred, 2 patients had infections of which one required explantation. Thromboembolic events occurred in 7 patients, one was fatal. One patient had a nerve deficit. One inlay exchange was needed for ligament laxity after repeated falls.
3 patients required secondary resurfacing of the patella. One patient underwent revision for pain due to patellar maltracking.

This study shows very good results with the cruciate retaining NexGen implant for primary TKA in stable knees. Our findings are consistent with those of other authors.

Keywords: NexGen-CR, knee arthroplasty, osteoarthritis, 10 years survival rate

 

Citation

Mai S: NexGen-CR total knee arthroplasty: 10 years clinical results
OUP 2013; 11: 541–547. DOI 10.3238/oup.2013.0541–0547

Einleitung

Die Arthrose ist eine der häufigsten Erkrankungen des Kniegelenks. Sie entsteht durch ein Missverhältnis zwischen der mechanischen Beanspruchung und der individuellen mechanischen Belastbarkeit. Ohne Nachweis einer Grunderkrankung spricht man von einer primären Arthrose, als Folge eines angeborenen oder erworbenen Schadens von einer sekundären Arthrose. Die Behandlung erfolgt zunächst symptomatisch, konservativ, multimodal. Als gelenkerhaltende Eingriffe kommen arthroskopische Knorpelglättungen infrage, bei kleinen Defekten Anbohrungen oder Knorpeltransplantationen oder bei Achsfehlstellungen Korrekturosteotomien. Bei Versagen aller gelenkerhaltenden Maßnahmen ist die Indikation zum Gelenkersatz gegeben.

Seit den ersten Versuchen eines totalen alloplastischen Kniegelenkersatzes durch Themistokles Gluck 1890 wurden viele Implantate entwickelt. Die Verankerung mit Knochenzement auf Acrylbasis, die von Charnley 1960 in die Hüftendoprothetik eingeführt wurde, hat auch in der Knieendoprothetik zu einer wesentlichen Verbesserung geführt und ist inzwischen zu einer sehr erfolgreichen Operation geworden. Die heutigen Implantate, wie auch das in dieser Arbeit untersuchte Modell, sind in der Regel in ein modulares Baukastensystem eingebettet mit Kombinierbarkeit verschiedener einzelner Komponenten, sodass auf die individuelle anatomische Situation eingegangen werden kann. Die Anzahl der verfügbaren Implantate hat erheblich zugenommen. Da ist es eine Herausforderung, das geeignete Implantat auszuwählen.

Zur Beurteilung der Endoprothesen kann auf Registerdaten zurückgegriffen werden. In Deutschland ist das Register allerdings noch im Aufbau. Die Vitos Orthopädische Klinik Kassel führt seit 1989 ein hauseigenes Register und kann inzwischen auf mehr als 10-Jahres-Daten zurückblicken.

Material und Methoden

Das Implantat

Es handelt sich bei dem Implantat um einen Oberflächenersatz. Wenn das hintere Kreuzband noch funktionsfähig ist, besteht die Möglichkeit, dieses zu erhalten. Das NexGen-CR-Knie-System (Fa. Zimmer, Inc.) wurde dafür konzipiert. Es setzt aber voraus, dass das Knie mit einem intakten Seitenbandapparat und der Muskulatur stabilisiert wird. Die Kinematik des Kniegelenks wird berücksichtigt und ein niedriger punktueller Druck auf die einzelnen Komponenten (contact stress) angestrebt.

Um dies zu gewährleisten, sind die Oberschenkelkondylen asymmetrisch geformt. Dadurch werden bei der Beugung der physiologische laterale Rollmechanismus (roll back) im Zusammenspiel mit dem hinteren Kreuzband und in der Streckung die anatomische Schlussrotation (screw home mechanism) unterstützt, sodass beim Gangablauf die natürliche Außenrotation und die dorsale Translation (Roll-Gleit-Mechanismus) imitiert werden. Der größere distale Radius gewährleistet einen besseren Formschluss und damit weniger Abrieb in Streckung, der kleinere dorsale Radius unterstützt die oben erwähnte Rotation und das Dorsalgleiten der Kondylen bei der Beugung. Mediolateral besteht eine absolute Kongruenz, wodurch ebenfalls der Abrieb vermindert wird, da auch bei leichten seitlichen Kippungen bis zu einem Lift-off von 3° ein perfekter Formschluss gewährleistet wird.

Für die Führung der Patella ist das Patellaschild dünn gehalten mit einer tiefen Patellagrube, damit die Kniescheibe nicht zu stark belastet wird.

Implantationstechnik

Jede Implantation eines künstlichen Gelenks beginnt mit der präoperativen Planung. Dies geschieht mit Schablonen anhand des Röntgenbilds. Um die Kurvaturen von Femur und Tibia speziell nach Traumen beurteilen zu können, bedarf es einer Ganzbeinaufnahme.

Ganz entscheidend für die Standzeit sind die Position der Komponenten und die Wiederherstellung der mechanischen Beinachse.

Als Orientierung dienen intraoperativ am Femur die Epikondylenlinie und senkrecht dazu die „Whiteside-line“. Die Sägeschablonen können intra- oder extramedullär ausgerichtet werden, d.h. anhand eines in der Markhöhle liegenden Führungsstabs, dessen Winkel zur Sägeschablone für das Femur präoperativ bei der Planung bestimmt wird, oder anhand äußerer Orientierungshilfen. Bei den Patienten in dieser Studie wurde für das Femur eine „5 in 1“-Sägeschablone verwendet. Der tibiale Sägeschnitt hat 7° Slope. Tibial wurde die geschaftete Komponente eingesetzt.

Die ausgewogene Balancierung der Seitenbänder in Beugung und Streckung ist für die Gelenkstabilität äußerst wichtig und wird intraoperativ durch die Verwendung von Spacerblöcken unterstützt. Es gibt am Implantat Optionen, sowohl am Oberschenkel als auch am Schienbeinkopf Knochendefekte mit Blöcken auszugleichen oder bei schlechter Knochenqualität eine Schaftverlängerung anzubringen. Bei z.B. instabilem Bandapparat kann modular innerhalb des Kniesystems auf andere mehr stabilisierende Komponenten gewechselt werden. Wir halten es für unbedingt erforderlich, bei der Versorgung mit künstlichen Gelenken für alle Eventualitäten die alternativen Implantatmöglichkeiten im Hause bereitliegen zu haben.

Die von uns verwendeten Komponenten sind mit einem Zementfilm vorbeschichtet (precoated), um eine optimale Verbindung zwischen Zement und Implantat zu erhalten. Eine Randleiste sorgt für eine gesicherte Zementmanteldicke. Auf die Zementiertechnik wird besonderer Wert gelegt, da dies die Haltbarkeit der Endoprothese ebenfalls wesentlich beeinflusst.

Die Operation erfolgte in Spinalanästhesie. Es wurde der mediale parapatellare Zugang gewählt und die Patella evertiert. Ein retropatellarer Ersatz erfolgte bei 8 Patienten, die eine Deformierung oder ausgeprägte peripatellare Schmerzen angaben. Bei 79,3 % der Patienten war kein Release notwendig. Es wurden 2 Drainagen eingelegt, die nach 2 Tagen gezogen wurden.

Thromboseprophylaxe erfolgte mit niedrig molekularem Heparin und Thrombosestrümpfen. Die Physiotherapie und die Lagerung auf der Motorschiene begannen am ersten postoperativen Tag. Wenn nach 14 Tagen eine Flexion von 90° nicht erreicht wurde, wurde in Narkose mobilisiert. Dies war bei 12 Patienten notwendig.

Studiendurchführung

In der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel wurden 222 Knie vom November 1998 bis Ende 1999 mit diesem kreuzbanderhaltenden Implantat primär versorgt und konsekutiv prospektiv erfasst. Ausschlusskriterien waren Wechseloperationen. Da die Studie in einer großen orthopädischen Klinik durchgeführt wurde, waren 16 Operateure, z.T. auch unter Aufsicht in Ausbildung beteiligt.

Die Daten dieser Patienten wurden prä-, intra- und postoperativ dokumentiert. Nach 1, 2, 5 und 10 Jahren wurden die Patienten zur Nachuntersuchung angeschrieben. Die meisten Patienten haben sich bei uns wieder vorgestellt. Wenn sie sich bei Kollegen haben untersuchen lassen, wurden uns die Dokumente, aber leider nicht immer die Röntgenbilder zugeschickt. Die verbleibenden Patienten wurden aufwendig ausfindig gemacht, ggf. zu Hause untersucht. Bei den Verstorbenen konnte in Erfahrung gebracht werden, dass in keinem Fall das Knie Probleme gemacht hat. Die Daten wurden in die internationale Datenbank der Firma Zimmer eingegeben.

Die Auswertung erfolgte nach dem Knee Society Score [1]. Dieser ist unterteilt in einen Knie-Score, der die Beweglichkeit, Schmerz und Stabilität beschreibt, und einen Funktions-Score, der die Gehstrecke, das Treppensteigen und die Verwendung von Gehhilfen beinhaltet. Es können jeweils maximal 100 Punkte erlangt werden, was aber bei dieser betagten Altersgruppe auch wegen der Begleiterkrankungen selten der Fall ist. Die Standzeit wurde nach Kaplan Meier errechnet und dargestellt. Wenn möglich, wurde das Knie in 3 Ebenen geröntgt. Für die statistischen Auswertungen wurde unter anderem IBM SPSS 19 und T-Teste verwendet.

Ergebnisse

Von den 222 Patienten konnten alle Patienten (100 %) nach 10 Jahren erreicht werden. Ein Patient lehnte die Dokumentation nach 10 Jahren ab. Es sind 76 Patienten verstorben. Davon verstarb ein Patient an einer postoperativen Lungenembolie, ansonsten bestand kein Bezug zum Knie. Es wurde von den Angehörigen nicht über Beschwerden mit dem operierten Knie berichtet.

2 Implantate wurden gewechselt. In einem Fall war die schmerzhafte Patella nach 3,5 Jahren so extrem lateralisiert, dass beschlossen wurde, das gesamte Implantat zu wechseln. Bei dem 2. Fall lag bereits postoperativ ein oberflächlicher Wundinfekt vor, der im Laufe des ersten Jahres zum tiefen Knieinfekt und somit zum 2-zeitigen Wechsel führte.

Insgesamt konnten also 143 Patienten klinisch zwischen 9,2 und 11,4 Jahren postoperativ nachuntersucht werden (Tab. 1).

Bei dem Patientengut handelt es sich zu 75 % um Frauen mit einem Durchschnittsalter von 71 Jahren (47 bis 88 Jahre) und einem BMI von 29,3. Der Anteil der Männer betrug 25 % mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren (50 bis 86 Jahre) bei einem BMI von 29,4.

Nur 18,5 % aller Patienten waren normalgewichtig, 47,3 % übergewichtig (BMI 25 bis < 30), 56 % stark übergewichtig bis BMI < 35 und 9 % hatten eine Adipositas permagna (Tab. 2).

Die Indikation zum primären Oberflächenersatz des Kniegelenks war zu über 91 % die Gonarthrose. Da wir ein Rheumaorthopädisches Zentrum sind, lag zu ca. 6 % eine rheumatoide Arthritis vor.

Insgesamt wurde 8-mal primär die Kniescheibenrückfläche ersetzt. 2-mal wurde die Patella nachträglich ersetzt. Wie oben beschrieben, wurde wegen Patelladislokation einmal die Prothese vollständig gewechselt. Eine Patellafraktur nach Sturz wurde osteosynthetisch versorgt. 7 Patienten klagten nach 10 Jahren noch über Patellaschmerzen, ohne dass eine Revision erforderlich war.

Intraoperativ wurden 6 Komplikationen dokumentiert. Es trat eine interkondyläre Fraktur bei Osteoporose und eine Fissur einer großen Tibiazyste auf, die aber die Implantation nicht beeinträchtigten. 2-mal wurde das Innenband partiell verletzt, einmal der Vastus lateralis des Quadriceps in Mitleidenschaft gezogen und einmal wurde über eine Patellarsehnenteilruptur berichtet.

Eine postoperative Peroneusschwäche war reversibel. Es sind insgesamt 8 Thrombosen und 2 Embolien zu beklagen, wovon eine Embolie tödlich verlief. Ein freier Gelenkkörper wurde 5 Monate postoperativ arthroskopisch entfernt.

Bei 3 oberflächlichen Infekten führte einer, wie oben beschrieben, nach 10 Monaten zu einem tiefen Infekt mit Ausbau des Implantats. Ein Infekt, der erst nach 2,5 Jahren auftrat, heilte nach Lavage und Inlaywechsel aus.

Eine Patientin stürzte mehrfach. Bei ihr wurde nach 6 Jahren wegen dadurch entstandener Instabilität ein Inlaywechsel durchgeführt. Nach 9 Jahren erlitt sie eine distale Femurfraktur, die mit einer Platte versorgt werden konnte. Das Implantat wurde belassen. Ansonsten traten nur Probleme durch internistische Erkrankungen oder Altersschwäche auf.

Erhebliche Knieschmerzen wurden präoperativ von 86 % der Patienten angegeben, nach einem Jahr von 2,4 %, nach 5 Jahren von 3,2 % und von keinem Patienten nach 10 Jahren. Einige Patienten gaben lediglich leichte Beschwerden beim Gehen an (Abb. 1).

Der KSS lag präoperativ bei 26,7 und nach einem Jahr bei 85 Punkten. Er verbesserte sich signifikant bei der 5-Jahres-Untersuchung auf 86,8 und nach 10 Jahren auf 90,8 Punkte.

Der KFS veränderte sich von präoperativ 49,1 auf 75 nach einem Jahr, nahm aber dann ab und lag nach 5 Jahren bei 72, nach 10 Jahren bei 57 Punkten (Abb. 2). Dazu ist anzumerken, dass mit zunehmendem Alter auch andere Einschränkungen speziell bei der Funktion mit in den Score einfließen, sodass nach 10 Jahren über die Hälfte der Patienten in der Gehstrecke eingeschränkt ist, einen Stock (über 60 %) und auf der Treppe das Geländer (77 %) benutzt. Nur etwa 20 % der Patienten haben keinerlei Probleme auf der Treppe. Die Korrelati on von Abnahme des KFS mit zunehmendem Alter konnte statistisch in der Regressionsanalyse signifikant (p < 0,001) nachgewiesen werden.

Es wurde im Durchschnitt eine präoperative Beugung von 107,7° (40°–150°) und nach 10 Jahren von 111,7° (80°–140°) erreicht. Auch die Patienten, bei denen eine Narkosemobilisation durchgeführt wurde, erreichten im Schnitt 111,3° Flexion. Insgesamt sind etwa 90 % der Patienten mit der Operation und dem Implantat zufrieden.

Röntgenbilder (Abb. 3a-c) konnten von 68 Knien (48 %) nach 10 Jahren ausgewertet werden. 3 hatten kleinere Säume von 1 mm unter der Tibia in maximal 3 Zonen. Es wurden keine Lockerungszeichen, Osteolysen oder Migration der Komponenten gesehen. Die Gruppe mit Röntgenbildern unterscheidet sich von denen ohne Bilder nicht bezüglich KSS. Der KFS war mit 65 zu 51 etwas besser, was sich dadurch erklärt, dass die Gruppe etwas jünger ist (68,3 zu 75,5 Jahren). Die kumulierte Überlebensrate mit dem Endpunkt „revision for any reason“ ist mit 99,1 % sehr zufriedenstellend (Abb. 4).

Diskussion

Diese Studie möchte zeigen, dass sich die Ergebnisse unseres Lehrkrankenhauses mit den Ergebnissen anderer Autoren und Register messen können.

Die klinischen Ergebnisse einer konsekutiven Gruppe älterer Patienten, die eine knieendoprothetische Standard-Versorgung erhalten haben, wurden prospektiv erfasst. In Anbetracht des Durchschnittsalters von 70 Jahren zum Zeitpunkt der Operation ist es nicht verwunderlich, dass die Patienten nach 10 Jahren mit einem Durchschnittsalter von 80 Jahren gewisse Einbußen bei der Funktion haben. Diese werden durch Komorbiditäten und die allgemeinen degenerativen Veränderungen hervorgerufen. Wir konnten diesbezüglich eine signifikante, wenn auch schwache Korrelation zwischen dem Alter und dem KFS nachweisen. Trotzdem sind die klinischen Ergebnisse sehr zufriedenstellend und vergleichbar mit andern Langzeituntersuchungen. [2, 3, 4, 5, 6, 7, 8].

Die Röntgenauswertungen gelangen zwar nur in 48 % der Fälle, konnten aber keinerlei Lockerungszeichen an den Implantaten nachweisen. Da der KSS in den Gruppen mit und ohne Röntgenbilder sehr ähnlich ist, kann angenommen werden, dass kein wesentlicher Bias bezüglich der Ergebnisse vorliegt. Vor allem von den älteren Patienten lagen die Röntgenbilder nicht vor. Dies erklärt sich dadurch, dass sie ungern die Mühe auf sich nehmen, zu den Nachuntersuchungen zu kommen, vor allem wenn sie beschwerdefrei sind oder die Komorbiditäten sie daran hindern.

Bei den meisten unserer Patienten wurde kein retropatellarer Ersatz durchgeführt. Bei den wenigen Patienten, die postoperativ über peripatellare Schmerzen klagten, gingen diese zurück. Nur in 3 Fällen musste später innerhalb des ersten Jahres die Patella ersetzt werden. Dass der primäre Patellaersatz nicht zu besseren klinischen Ergebnissen führt, wurde schon in anderen Studien nachgewiesen. Burnett et al. führten eine randomisierte Studie bei Patienten mit bilateralem Kniegelenkersatz durch und konnten nach 10 Jahren zeigen, dass es keine klinischen Unterschiede nach der Operation mit oder ohne Patellarückflächenersatz gab [9]. Im Jahresbericht 2008 des Schwedenregisters wurde die Überlebensrate der Knieendoprothesen, die wegen Arthrose eingesetzt worden waren, im Vergleich mit und ohne Patellaersatz untersucht. In dieser Analyse hatten alleinig die NexGen-Implantate ohne Patellaersatz ein signifikant geringeres Risiko der Revision [10].

Die Überlebensrate mit dem Endpunkt “revision for any reason” wurde in ähnlichen Studien mit 93 % bis 100 % angegeben [9, 11, 12, 13, 14]. In dieser Studie, die alle Patienten der Klinik konsekutiv einschließt, konnte eine Überlebensrate von 99,1 % erreicht werden, was höher ist, als für zementierte Knieimplantate im Jahresbericht 2008 des Schwedischen Registers für die Jahre 1997–2006 angegeben wird. Dort wird über eine Revisionsrate von etwas mehr als 4 % berichtet [10]. Verglichen mit anderen Knieimplantaten der 3. Generation und dem Vorgänger des NexGen-Knie-Systems (Miller Galante II) ist dieser Unterschied bei der Revisionshäufigkeit noch deutlicher. Im Jahresbericht 2011 des Schwedenregisters lag die Überlebensrate nach 10 Jahren für zementierte primäre Knietotalendoprothesen bei Arthrose mit dem Endpunkt “revision for any reason” bei 96 %. Im gleichen Jahresbericht wird das relative Revisionsrisiko für das NexGen-Implantat um 50 % geringer sowohl bei Arthrose als auch bei rheumatoider Arthritis im Vergleich zu ähnlichen Implantaten angegeben. Die allgemeine Überlebensrate liegt für das NexGen nach 10 Jahren im Swedish-Knee-Arthroplasty-Register 2011 bei etwa 98 %, im Norwegian-Arthroplasty-Register bei etwa 97 %, was dort unter allen aufgelisteten Implantaten die höchste Überlebensrate darstellt [15]. Unsere Ergebnisse stimmen mit den guten Ergebnissen in den genannten Registern überein.

Die Vitos Orthopädische Klinik Kassel ist eine große orthopädische Klinik und ein Lehrkrankenhaus. Dies bedeutet, dass die Operationen in dieser Studie von 16 verschiedenen Operateuren, die z.T. noch in Ausbildung waren, ausgeführt wurden. Ausbildungsoperationen werden immer unter Supervision eines geschulten Facharztes durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Veröffentlichung sind ebenso gut, wie diejenigen anderer Autoren. Daraus schließen wir, dass Lehroperationen in Supervision keine schlechteren Resultate erzielen. Dies können wir auch in unseren jährlichen Auswertungen im Rahmen des Qualitätsmanagements nachweisen.

Alle Daten wurden in das internationale Register der „NexGen-Clinical-Outcome-Multi-Center-Study“ der Herstellerfirma Zimmer eingegeben. Im Benchmark dieser weltweiten prospektiven Beobachtung sind unsere eigenen Ergebnisse mit denen der internationalen Gruppen vergleichbar. Dies zeigt, dass das Knieimplantat in verschiedenen Ländern bei verschiedenen ethnischen Gruppen in unterschiedlichen OP-Settings mit unterschiedlichen OP-Techniken konstant gute Resultate erzielen kann.

Schwachstellen dieser Studie mögen darin liegen, dass die prospektiv erhobenen Daten retrospektiv ausgewertet wurden. Außerdem konnten nicht alle Röntgenbilder bewertet werden, da die Patienten aus verschiedenen Gründen wie Beschwerdefreiheit, Alter, Gebrechlichkeit und großer Entfernung zur Klinik keine Röntgenbilder haben anfertigen lassen oder diese nicht zugeschickt haben. Immerhin konnten etwa 50 % der Knie (68) röntgenologisch erfasst werden, von denen nur 3 klinisch nicht relevante kleinere Säume unter dem Tibiaplateau aufwiesen.

Zusammenfassung

Das von uns in einer prospektiven Studie untersuchte Implantat basiert auf einem international anerkannten Prinzip, das den meisten heute erfolgreich verwendeten Implantaten zugrunde liegt. Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich die Philosophie des NexGen-CR-Oberflächenersatzes für das Kniegelenk bei noch erhaltenem hinteren Kreuzband und stabilen Bandverhältnissen bei uns bewährt hat und den Erwartungen entspricht. Es wurde inzwischen weiterentwickelt und verfügt über Gender-Größen, die die anatomischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern berücksichtigen, sowie ein Flex-Design mit besserer Konformität der Gelenkpartner in Beugung für Patienten, die eine starke Kniebeugung benötigen.

 

Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Sabine Mai

Oberärztin, Fachärztin für Chirurgie und Orthopädie

Vitos Orthopädische Klinik Kassel gGmbH

Wilhelmshöher Allee 345

34131 Kassel

sabine.mai@vitos-okk.de

Literatur

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Fussnoten

1 Vitos Orthopädische Klinik Kassel gGmbH, Kassel

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