Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014

Aktueller Stand der Behandlung des kindlichen Klumpfußes

Pirani klassifiziert den Klumpfuß anhand von 6 Parametern mit einem 6-Punkte-System. Jeweils 3 Parameter bestimmen die Deformität im Rückfuß (Rückfuß-Score) und im Mittelfuß (Mittelfuß-Score) mit jeweils maximal 3 Punkten [13]:

  • 0 Punkte für Normalbefund,
  • 0,5 Punkte für eine mäßige pathologische Abweichung,
  • 1 Punkt für eine ausgeprägte pathologische Abweichung.

Therapie

Ziel der Klumpfußtherapie ist ein funktionell guter, schmerzfreier Fuß mit bestmöglicher Beweglichkeit. Dies beinhaltet als Ziel sowohl das Tragen eines Konfektionsschuhs als auch die Ermöglichung einer uneingeschränkten, aktiven Beteiligung an Schul- und Freizeitsport.

Aktuell gilt das Therapiekonzept nach Ponseti als Methode der Wahl zur Behandlung des kongenitalen Klumpfußes und soll daher nachfolgend detailliert beschrieben werden.

Klumpfußbehandlung
nach Ponseti

Unter Anerkennung der pathoanatomischen Verhältnisse – nämlich, dass es sich bei der Klumpfußfehlstellung um eine subtalare Rotationsfehlstellung nach medial und plantar handelt – ist das therapeutische Prinzip eine Derotation des subtalaren Gelenkkomplexes unterhalb des Talus. Der Behandlungsbeginn erfolgt postpartal möglichst frühzeitig – idealerweise innerhalb der ersten 1–2 Lebenswochen. Wöchentlich wird eine graduelle Redressionsbehandlung durchgeführt und anschließend das erzielte Korrekturergebnis im Oberschenkelgips gehalten (s. Abb. 3). Sämtliche Komponenten der Fehlstellung, außer der Spitzfußkomponente, werden simultan korrigiert. Ist diese meist nach 5–7 Wochen erfolgreich abgeschlossen, erfolgt die Behandlung des Spitzfußes, die in den meisten Fällen eine perkutane Achillotenotomie erfordert. Nach einer weiteren 3-wöchigen Gipsphase erfolgt die Rezidivprophylaxe mittels einer speziellen Abduktionsschiene, die zunächst 24 Stunden, später lediglich zu den Ruhezeiten bis zum 4.–5. Lebensjahr getragen werden muss.

Im Einzelnen wird die Behandlung in folgenden Schritten durchgeführt:

 

1. Korrektur der Cavus-
komponente

Zu Beginn erfolgt die Korrektur der Hohlfußkomponente und der Vorfußpronation durch Supination des Vorfußes mit Dorsalextension des Metatarsale I-Köpfchens; dabei wird ein leichter Gegendruck am lateralen Taluskopf ausgeübt. Anschließend erfolgt die Anlage eines Oberschenkel-Redressionsgipses in Supinationsstellung mit Anheben des 1. Strahls und maximal möglicher Abduktion bei 90° Knieflexion; die Spitzfußkomponente wird zu diesem Zeitpunkt nicht korrigiert! Ziel dieses Schrittes ist es, das Alignement von Vor- und Mittelfuß mit dem Rückfuß herzustellen – Vor- und Mittelfuß kommen mit dem Rückfuß in eine Supinationsebene. Dieses Ziel ist üblicher Weise nach 1–2 Behandlungen erreicht.

2. Korrektur der Varus- und
Adduktionsfehlstellung

Im weiteren Verlauf erfolgt schrittweise die Redression des in Plantarflexion und Supination gehaltenen Fußes in Richtung Abduktion/Außenrotation. Dabei wird am lateralen Taluskopf ein Gegendruck aufgebaut, der damit als Hypomochlion dient und sicherstellt, dass die Korrektur tatsächlich subtalar erfolgt. Nach der Redression wird erneut ein
OS-Gips in maximal möglicher Korrekturstellung angelegt. Angestrebt wird eine Abduktion-/Außenrotationsstellung von 50–70°. Wenn das Navikulare, das Kuboid und der übrige Mittel- und Vorfuß in Relation zum Taluskopf nach lateral mobilisiert sind, folgt der anteriore Anteil des Kalkaneus; damit korrigiert sich das Fersenvarus und die subtalare Derotation ist vollständig ausgeführt. Auf keinen Fall darf bei der Mobilisation die Ferse fixiert werden, da sonst die Abduktion des anterioren Anteils des Kalkaneus in Relation zum Talus gehemmt wird.

 

3. Korrektur der Equinus-
fehlstellung

Ist die Derotation abgeschlossen, verbleibt in 85–95 % der Fälle eine Spitzfußkomponente, welche perkutan durch eine Achillessehnentenotomie korrigiert wird. Ponseti propagiert die Tenotomie in Lokalanästhesie, in Deutschland wird diese Maßnahme überwiegend in Vollnarkose durchgeführt. Anschließend erfolgt für weitere 3 Wochen die Anlage eines Oberschenkelgipses in maximal möglicher Korrekturstellung mit ca. 60–70° Abduktion/Außenrotation und 15–20° Dorsalextension.

Wichtig ist zu beachten, dass zu keinem Zeitpunkt der Redression eine Pronation und Manipulation der Ferse durchgeführt wird, da der subtalare Gelenkkomplex sonst blockiert wird! Eine Dorsalextension des Fußes bei noch nicht ausreichender Derotation des subtalaren Gelenkkomplexes führt zu einem persistierenden Schaukelfuß und ist daher auch unbedingt zu vermeiden.

Bei der Gipsanlage ist zu beachten, dass immer (!) ein Oberschenkelgips in 90° Knieflexion angelegt wird, mittels eines alleinigen Unterschenkelgipses kann die Rotation des Fußes nicht kontrolliert und gehalten werden; des Weiteren ist – wenn überhaupt – nur ganz wenig Watte zu verwenden, damit eine gute Modellierung des Fußes möglich ist.

4. Rezidivprophylaxe

Es folgt nach 3 Wochen die Gipsabnahme und Anpassung einer Fuß-Abduktionsschiene wie in Abbildung 4 dargestellt. Dabei wird der gesunde Fuß in 40° Abduktion/Außenrotation und der therapierte Klumpfuß in 70° Abduktion/Außenrotation in der Schiene eingestellt. Eine Dorsalextension von ca. 15° ist in beiden Schuhen notwendig. Der Abstand der Schuhe soll ca. schulterbreit sein. Die Schiene wird für die ersten 3–4 Monate tags und nachts (23 Stunden) und anschließend nur noch zu den Ruhezeiten getragen. Die Schienenbehandlung ist bis zum 4.–5. Lebensjahr erforderlich [14]. Sie dient der Rezidiv-Prophylaxe und ist in keinem Fall für die Korrektur eines Klumpfußes geeignet!

Durch die Einführung der Ponseti-Methode wurde die Behandlung des primären Klumpfußes in Deutschland revolutioniert und die Ergebnisse sind mit primären Erfolgsraten zwischen 92 und 100 % mehr als ermutigend; weniger als 10 % benötigen primär ein exzessives peritalares Release à la McKay. Auch funktionell sind die nach Ponseti behandelten Klumpfuß-Patienten besser als die herkömmlich operativ behandelten – sowohl subjektiv als auch objektiv [15, 16]. Duffy et al. fanden bei 42 nach Ponseti behandelten Klumpfüßen im Alter von durchschnittlich 6,5 Jahren eine signifikant bessere Beweglichkeit des OSGs sowie ein physiologischeres Gangbild gemessen mittels instrumenteller Ganganalyse im Vergleich zu 31 chirurgisch therapierten Klumpfüßen im Alter von 9,1 Jahren; bzgl. des Gangbilds war insbesondere die Fußrotation bei den Ponseti-Patienten deutlich günstiger [15].

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5