Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014

Aktueller Stand der Behandlung des kindlichen Klumpfußes

Damit sind die Vorteile der Ponseti-Methode evident: besseres funktionelles Ergebnis sowie kürzere und weniger invasive Behandlungsphase im Vergleich zur herkömmlichen operativen Primärbehandlung. So wurde in verschiedenen Ländern ein signifikanter Rückgang komplexer Klumpfußoperationen beobachtet [17]. Auch die Komplikationsrate ist minimal: Bei 200 perkutanen Achillotenotomien fanden Dobbs et al. [18, 19] lediglich in 4 Fällen (0,02 %) eine ernsthafte Blutung (3-mal A. peronea, einmal V. saphena parva). Laut Lebel et al. hat das Narkoseverfahren dabei keinen Einfluss auf die Komplikationswahrscheinlichkeit [20].

Interessant ist die Beobachtung, dass die Achillessehne nach Tenotomie innerhalb weniger Wochen wieder in ihrer Kontinuität hergestellt ist: Mangat et al. fanden sonografisch bereits 3 Wochen nach Tenotomie eine wiederhergestellte Kontinuität, aber erst nach 12 Wochen eine typische Sehnentextur [21]; andere Studien, z.B von Saini et al. [22] konnten anhand von klinischer Untersuchung und MRT belegen, dass die Kontinuität der Sehne innerhalb von 6 Wochen wiederhergestellt ist.

Im Ponseti-Konzept ist eine begleitende physiotherapeutische Behandlung nicht vorgesehen, ihr Einsatz wird aber insbesondere im deutschen Sprachraum häufig diskutiert. Wesentlicher Parameter für die Zufriedenheit mit dem funktionellen Ergebnis im Langzeitverlauf ist die Dorsalextensionsfähigkeit im OSG. Eberhardt et al. fanden bei 102 idiopathischen Klumpfüßen im Lauf-lernalter eine Dorsalextension von durchschnittlich 25°, Herzenberg et al. von durchschnittlich 32° [3, 23]. Bekanntermaßen nimmt auch bei gesunden Kindern die Dorsalextensionsfähigkeit zum Schulalter hin ab – diese ist jedoch bei Klumpfußkindern ausgeprägter, sodass die Indikation eher großzügig zu stellen ist [3]. Positive Ergebnisse konnten auch schon z.B. von Nilgün et al. [24] dokumentiert werden.

Dieses Behandlungskonzept ist aber nicht nur unmittelbar nach der Geburt erfolgreich, sondern es hat sich auch zur Behandlung der sog. „neglected clubfeet“ als geeignet erwiesen, also bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres ohne vorangegangene Klumpfußtherapie, wie Lourenco, Morcuende et al. [25] bei 24 behandelten Klumpfüßen im Alter von 3,9 Jahren bei Erstvorstellung zeigen konnten.

A ls Hauptnachteil der Methode ist das über einen doch relativ langen Zeitraum notwendige Tragen der Schiene zu betrachten. Dadurch ist die Mobilität der Kinder deutlich eingeschränkt, was insbesondere häufig dann zu Compliance-Problemen führt, wenn die Kinder gehfähig sind. Die Rezidivquote wird aber signifikant bestimmt vom konsequenten Tragen der Orthese [26]. Von daher ist es dringend erforderlich, die Eltern bei den Kontrollterminen wiederholt eindringlich auf die Notwendigkeit der Orthesenbehandlung hinzuweisen. Es wurden verschiedene Versuche unternommen, durch eine Modifikation der Orthese die Compliance zu erhöhen; Studien mit unilateral anzulegenden Orthesen zeigten aber jeweils eine deutlich höhere Rezidivquote als wenn die Versorgung mit Orthesen, die nach den Ponseti-Prinzipien konstruiert wurden, erfolgte: Janicki et al. haben nach erfolgreicher Redression und Tenotomie 30 Klumpfüße mit Sprunggelenk-/Fußorthese und 39 Klumpfüße mit ei-
ner Dennis-Brown-Fußabduktionsschiene untersucht; in 83 % der mit Sprunggelenk-/Fußorthese versorgten Gruppe und in nur 31 % der mit Abduktionsschiene versorgten Gruppe trat ein Klumpfußrezidiv auf [27]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen George et al. [28].

Rezidiv-Therapie
nach Ponseti

Klumpfüße sind auch nach primär erfolgreicher Primärbehandlung sehr rezidivfreudig; insbesondere in den ersten 2–5 Lebensjahren besteht eine hohe Rezidivgefahr. Die Angaben zur Häufigkeit sind sehr unterschiedlich und reichen von 11–48 % [3, 29, 30]. Das Patientenkollektiv von Ponseti selbst zeigt folgende Rezidivquote: 1 Rezidiv bei 47 % der behandelten Klumpfüße (Durchschnittsalter 39 Mo.), 2 Rezidive bei 24 % (Durchschnittsalter 53 Mo.), 3 Rezidive bei 9,6 % (Durchschnittsalter 63 Mo.), und 4 Rezidive bei 3 % (Durchschnittsalter 77 Mo.) [31]. Daher sieht das Ponseti-Konzept auch einen eindeutigen Algorithmus vor, wie zu verfahren ist, wenn bei einer klinischen Kontrolluntersuchung sich Hinweise auf ein Rezidiv ergeben [10, 14].

Zunächst ist die Wiederholung einer Gipsredression nach den bei der Primärbehandlung beschriebenen Prinzipien für ca. 4–6 Wochen – mit Oberschenkelgipsen (!), die alle 1–2 Wochen gewechselt werden – indiziert. Die Gipse werden im Allgemeinen von den Kindern gut toleriert, die Fortbewegung erfolgt krabbelnd bzw. für längere Strecken im Buggy; manchen Kindern gelingt es auch zu laufen. Anschließend ist das weitere konsequente Tragen der Nachtlagerungs-Orthese erforderlich [32].

In den meisten Fällen kann auf diese Weise die Fehlstellung erfolgreich korrigiert werden, exemplarisch in Abbildung 5 nach primärer Klumpfußkorrektur zu sehen.

Das Verfahren kann auch bei einem Rezidiv nach Rezidiv wiederholt werden. Gelegentlich verbleibt ein Spitzfuß (OSG-Dorsalextension < 10°). Bis zum 2. Lebensjahr kann dieser mittels perkutaner Achillotenotomie sicher angegangen werden; bislang ist in der Literatur nach unserer Kenntnis keine Altersgrenze beschrieben, Spiegel et al. führten die perkutane Achillotenotomie sogar bis zum 6. Lebensjahr durch [33]. Alternativ ist eine z-förmige Achillessehnenverlängerung oder eine Gastrocnemiusrezession z.B. nach Vulpius-OP zu empfehlen [34]. Ein dorsales Release des OSG bzw. USG ist gelegentlich bei nicht ausreichender Korrektur des residuellen Spitzfußes erforderlich [32].

Sollte nach Gipsredression bei einem Rezidiv bei Kindern älter als 2,5 Jahren noch eine deutliche dynamische Supinationskomponente während der Schwungphase bestehen, sieht das Ponseti-Konzept einen Tibialis-anterior-Sehnentransfer vor. Ponseti empfiehlt den Transfer der kompletten Sehne auf das Os cuneiforme laterale; nach seiner Erfahrung wird dadurch ein weiteres Rezidiv verhindert, die Korrektur des Fersenvarus erhalten, der talocalcaneare Winkel in der ap-Ansicht verbessert und die Notwendigkeit eines medialen Releases reduziert. Alternativ kann die hälftige Sehne auf das Kuboid transferiert werden. Besteht eine Dorsalextension von < 10°, wird gleichzeitig eine Achillessehnenverlängerung empfohlen [14]. Dabei ist darauf zu achten, ob nicht eventuell ein akzessorischer M. soleus vorliegt, der möglicherweise für das Rezidiv verantwortlich ist. Im Anschluss an die Gipsphase, in der der Fuß auch nochmals redressiert werden kann, ist eine weitere nächtliche Orthesenbehandlung erforderlich.

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