Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Arthroskopie bei der Gonarthrose

G. Spahn1, G. O. Hofmann2, I. Dornacher3, V. Schmitt3, J. Jerosch4

Zusammenfassung: Die Arthroskopie ist ein etabliertes Verfahren in der orthopädischen und unfallchirurgischen Praxis. Zur Behandlung der Gonarthrose sind verschiedene Prozeduren geeignet, die Symptome der Krankheit (wie Schmerzen und Funktionsminderung, insbesondere Bewegungseinschränkung) zu mindern. Das früher häufig geübte generelle Gelenkdebridement (Gelenktoilette) ist nicht zu empfehlen. Dagegen stellen symptomatische Gelenkpathologien (vor allem symptomatische Meniskusschäden, Gelenkblockaden durch freie Körper, Bandverkürzungen) eine ideale Indikation für diese Technik dar. Eine grundsätzliche Beeinflussung des Pathomechanismus ist zwar nicht zu erwarten, dennoch profitieren ca. 2/3 der Patienten mittelfristig von diesen Maßnahmen in Bezug auf Schmerzreduktion und Verbesserung der Lebensqualität.

Schlüsselwörter: Knie, Knorpel, Arthrose, Arthroskopie

Zitierweise
Spahn G, Hofmann GO, Dornacher I, Schmitt V, Jerosch J. Arthroskopie bei der Gonarthrose.
OUP 2015; 05: 264–275 DOI 10.3238/oup.2015.0264–0275

Summary: The arthroscopy is a well-established method in orthopaedic surgery. In case of knee OA some procedures are sufficient to address main symptoms as pain, loss of function or range of movement. Still a general and uncritical “joint-debridement” (housecleaning) without correlation to the patients’ symptoms is obsolete today. Against symptomatic pathologies can be addressed very sufficient: meniscus tears, loss of movements by loose bodies, ligament-sclerosis. In these pathologies arthroscopy is method of choice. About three-quarter of the patients have a significant for a middle-term time-interval. That means reduction of pain and improvement in quality of life. But the progress of the OA isn’t clearly to stop by these procedures.

Keywords: knee, cartilage, osteoarthritis, arthroscopy

Citation
Spahn GO, Hofmann G, Dornacher I, Schmitt V, Jerosch J. Arthroscopic treatment of knee osteoarthritis.
OUP 2015; 05: 264–275 DOI 10.3238/oup.2015.0264–0275

Definition von Knorpelschaden und Gonarthrose

Die Degeneration des Kniegelenks (sog. Verschleiß) ist ein oft über Jahrzehnte verlaufender irreversibler Krankheitsprozess, in den alle Gewebe des Gelenks und auch die Strukturen um das Kniegelenk herum einbezogen sind. Wesentlicher Teil dieses Krankheitsprozesses ist natürlich die Schädigung des hyalinen Gelenkknorpels. Oftmals noch lange bevor irgendwelche Symptome (subjektive Beschwerden, klinische Befunde oder in der bildgebenden Diagnostik nachweisbare Veränderungen) bestehen, entstehen innerhalb der Matrix des Knorpels Veränderungen, die in ihrer Summation eine Umkehr von Anabolie in Richtung Katabolie bedingen. Infolgedessen verliert der Gelenkknorpel seine biomechanische Resistenz. Diese als „Knorpel-Schaden“ arthroskopisch oder kernspintomografisch nachweisbaren Veränderungen verlaufen über Erweichung (Chondromalacia), oberflächliche Rissbildung, tiefe Rissbildung und können schließlich zum kompletten Knorpeldefekt führen. Bedingt durch die Mehrbelastung des normalerweise unter dem Knorpel liegenden subchondralen Knochens sintert dieser zusammen, infolgedessen verschmälert der Gelenkspalt, der Knochen sklerosiert und an den
seitlichen Gelenkflächen entstehen Osteophyten. Die wesentliche pathophysiologische Kaskade mit den diagnostischen Nachweisverfahren und den
potenziellen Therapieoptionen ist in Abbildung 1 aufgezeigt.

Definitionsgemäß ist eine Arthrose, so auch die Gonarthrose, dann anzunehmen, wenn solche oben beschriebenen, morphologischen Veränderungen Symptome erzeugen, die zunächst zu einer Gelenkfehlfunktion oder im weiteren Verlauf schließlich zu einem kompletten Gelenkversagen führen können, aber nicht unbedingt immer müssen. Im Allgemeinen wird der Schweregrad einer Arthrose anhand radiologischer Klassifikationen bestimmt (ROA = radiologische Osteoarthritis). Allerdings geben diese Klassifikationen nur einen unbestimmten Hinweis auf die Schwere der Veränderungen, keineswegs korrelieren diese im Einzelfall immer mit den jeweiligen, beim Patienten vorliegenden Funktionsstörungen [1].

Die Entscheidung, ab wann man bei dieser pathophysiologischen Kaskade von einer Arthrose sprechen sollte, ist daher völlig unscharf. Im Grunde genommen sind daher bereits ultrastrukturelle Veränderungen innerhalb der Knorpelmatrix, die sich mit herkömmlichen Mitteln überhaupt nicht nachweisen lassen, prinzipiell als beginnende Arthrose aufzufassen. Im Gegensatz dazu ist es nicht korrekt, bei Patienten, bei denen keinerlei behandlungsbedürftige Symptome bestehen (im Sinne einer Fehlfunktion bzw. eines Gelenkversagens), welche lediglich radiologische Zeichen
eines Gelenkverschleißes aufweisen, von Arthrose zu sprechen. Insofern ist es überhaupt fraglich, inwieweit es möglich ist, die Thematik „Arthroskopie bei Gonarthrose“ fachlich korrekt abzubilden. Grundsätzlich lassen sich die
einmal in Gang gekommenen degenerativen Veränderungen nicht sicher zurückbilden, sie lassen sich allenfalls aufhalten oder in ihrer Dynamik verlangsamen. Jegliche erforderliche Therapie
innerhalb dieses Degenerationsprozesses hat sich daher in erster Linie an der subjektiven Symptomatik und den individuellen Ansprüchen des Patienten zu orientieren. Schweregradeinteilungen, seien sie durch die arthroskopischen Befunde, den Röntgenbefund oder die Kernspintomografie vorgegeben, können allenfalls gewisse Anhaltspunkte für eine „stadiengerechte Therapie“ geben.

Arthroskopische Techniken und Anwendungen innerhalb der Arthrosetherapie

Da die Arthroskopie ein operatives Verfahren mit verschiedenen Optionen ist, ist die Diskussion um eine „Arthroskopie bei Gonarthrose“ eigentlich falsch. Die Arthroskopie kann die verschiedensten technischen Prozeduren beinhalten, und diese, und nicht generell das Verfahren, müssen eingehend diskutiert werden (Tab. 1).

Da auch fokale Knorpelschäden im Grunde als Initialphase der Gonarthrose anzusehen sind, gehören auch die Behandlung derselben entsprechend den vorgegebenen Leitlinien zur Arthrosetherapie. Für solche Behandlungen sind heute begleitende arthroskopische Maßnahmen unerlässlich.

Dabei kommen knochenmark-stimulierende Techniken (anterograde oder retrograde Bohrung, Abrasionschondroplastik oder die Mikrofrakturierung) für die Behandlung kleinerer Defekte (maximaler Durchmesser ? 1,5 cm zur Anwendung. Liegen größere Defekte vor, so stellen heute bioregenerative Techniken wie die autologe Chondrozyten-Transplantation (ACT) oder zellfreie Verfahren bei jüngeren Patienten sehr gute Methoden dar [2].

Diagnostische Arthroskopie, Lavage

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7