Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Arthroskopie bei der Gonarthrose

Über viele Jahrzehnte hinweg war die Arthroskopie im Wesentlichen eine diagnostische Methode. Bezüglich der Aussagekraft bei der Beurteilung von Knorpel und Menisken war sie dem früheren konkurrierenden Verfahren, der Arthrografie, weit überlegen. Dies änderte sich Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Mit der zunehmenden Etablierung der Kernspintomografie verlor die Arthroskopie ihre Bedeutung als „Diagnostikum der Wahl“. Etwa zeitgleich wurde die Arthroskopie durch direkte Sicht durch die Einführung von Video-Endoskopie-Ketten abgelöst, wodurch es möglich wurde, eine Vielzahl von Operationen im Gelenk minimalinvasiv, ohne Arthrotomie, durchzuführen.

Die Durchführung einer Arthroskopie als invasive Maßnahme ist unter diagnostischer Intention heute nur noch die Ausnahme. Allerdings ist für bestimmte Fragestellungen die Arthroskopie dem Konkurrenzverfahren Kernspintomografie in einigen Punkten weit überlegen. Durch die Möglichkeit, die intraartrikulären Strukturen mit dem Tasthaken zu untersuchen und damit die mechanischen Eigenschaften (Stabilität von Knorpelflächen, Meniskus, Bandapparat) zu beurteilen oder aber unklare Blockaden zu ermitteln, hat sie auch heute unter bestimmten Umständen als diagnostische Methode ihre
Berechtigung. Bezüglich der erforderlichen Kernspintomografie vor einem
arthroskopischen Eingriff muss eingeschränkt werden, dass diese nicht in
jedem Fall erforderlich ist. Liegt z.B. bei einem Patienten anamnestisch und klinisch ein behandlungsbedürftiger Meniskusschaden (Gelenkblockade) vor, so stellt die Arthroskopie die Methode der Wahl dar und eine zusätzliche MRT ist nicht erforderlich. Des Weiteren muss bezüglich der diagnostischen Validität der Kernspintomografie eingeschränkt werden, dass sie keineswegs trotz der vielen verschiedenen Schnittbilder in der Lage ist, alle Gelenkpathologien unbedingt klinisch relevant abzubilden. Gerade die Kernspintomografie hängt bezüglich ihrer Aussagekraft zudem erheblich von der verwendeten Technik und der Erfahrung des Untersuchers ab.

Unabhängig von der jeweiligen Indikation zur Operation ist die Arthroskopie immer natürlich auch eine diagnostische Methode. Es gehört zum Standard, dass alle Gelenkkompartimente beim Eingriff inspiziert und gegebenenfalls mit dem Tasthaken überprüft werden, und dass dies sorgfältig im Operationsbericht zu dokumentieren ist.

Im Rahmen der Therapie der Gonarthrose ist die Arthroskopie als diagnostische Maßnahme unverzichtbar zur Umstellungsosteotomie oder Schlittenendoprothese. Nur die Arthroskopie ermöglicht den sicheren Ausschluss von Kontraindikationen für diese Eingriffe: eine Instabilität im Bereich des Außenmeniskus, schwere, in der MRT nicht zu detektierende patellare und laterale Knorpelschäden oder eine Bandinsuffizienz.

Bei der Arthroskopie ist die Auffüllung der Gelenkhöhle, die normalerweise bei Abwesenheit von Erguss nur ein virtueller Spaltraum ist, entweder durch Gas oder durch Spülflüssigkeit (Kochsalzlösung, Ringer-Laktat-Lösung, oder Zuckerlösungen) erforderlich. Heute erfolgt bei den arthroskopischen Operationen in der Regel unter Verwendung von druckgesteuerten Pumpen eine Flüssigkeitsauffüllung der Gelenke [3, 4].

Bereits in der Vor-Arthroskopie-Ära wurden Gelenkspülungen über eine Punktion des Kniegelenks (Nadel-Lavage) mit dem Ziel durchgeführt, den bei der Arthrose entstehenden Detritus und die in der Gelenkflüssigkeit enthaltenen Entzündungsmediatoren aus dem Gelenk zu entfernen. Dabei ist aber auch zu beachten, dass auch das arthrotische Gelenk ein ihm eigenes „Milieu intérieur“ aufweist, in dem auch potenziell symptommindernde Mediatoren (z.B. durch die Synovia vermehrt produzierte Hyaluronsäure) vorkommen. Diese selbstständigen Reparaturmechanismen werden durch das Auswaschen erheblich gestört, sodass heute die Lavage an sich eher ein unerwünschter Nebeneffekt der Arthroskopie ist, denn eine therapeutische Option.

Die Lavage hat zudem, wenn überhaupt, allenfalls einen kurzfristigen Effekt. Im Hinblick auf das potenzielle Risiko (Infekt) sollten sowohl die Nadel-Lavage als auch die alleinige arthroskopische Lavage nicht mehr durchgeführt werden [5].

Housecleaning,
Gelenktoilette, Debridement

Im Jahre 1942 stellte Magnusson [6] ein Verfahren vor, welches als „housecleaning“ des Gelenks bezeichnet wurde [7, 8]. Dazu wurden die Kniegelenke arthrotomiert und alle vorgefundenen Gelenkpathologien, die durch die Arthrose entstanden waren (Knorpelschäden, Osteophyten, Synovialitis, Meniskusrisse, freie Gelenkkörper) entfernt, um wieder ein „normales Gelenk“ herzustellen. Im deutschsprachigen Raum hat sich für diese Form des Eingriffs der Begriff der „Gelenktoilette“ eingebürgert. Mit Entwicklung der Video-Arthroskopie Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden diese „Debridements“ dann zunehmend und in größerer Zahl endoskopisch durchgeführt. Oftmals wurden bei diesem Eingriff ungezielt alle möglichen, erreichbaren Pathologien adressiert, jedoch oftmals ohne Bezug zur jeweiligen Symptomatik des Patienten.

Solche ungezielten Debridements gelten heute allgemein als obsolet. Ein arthroskopisches Gelenkdebridement hat sich immer auf die konkrete Klinik des Patienten zu beziehen und alle Maßnahmen im Gelenk sollten befundbezogen therapiert werden.

Knorpeldebridement

Der für die Entstehung der Arthrose hauptsächlich verantwortliche Pathomechanismus ist zweifelsohne die Schädigung des hyalinen Gelenkknorpels. Bedingt durch Störungen innerhalb der Knorpelmatrix (Abb. 1) kommt es zunächst zur Erweichung. Diese Schäden werden arthroskopisch häufig als „initialer Knorpelschaden“ beschrieben, stellen jedoch in der pathophysiologischen Kaskade bereits einen Spätschaden dar. Spahn et al. [9] konnten zeigen, dass bereits bei vorliegender Chondromalazie die biomechanische Stressresistenz des erweichten Knorpels um ca. die Hälfte reduziert ist. Bereits unter normaler Belastung kann dieser Knorpel dann reißen und im weiteren Verlauf entstehen vor allem innerhalb der Belastungszonen des Gelenks zunächst fokale, später generalisierte Knorpeldefekte. Die einzelnen Stadien dieser Knorpelschäden können durch verschiedene Klassifikationen deskriptiv unterteilt werden. Die heute am meisten verwendete Klassifikation basiert auf den Empfehlungen der ICRS (International Cartilage Repair Society) [10]. Diese verschiedenen Stadien der Knorpelschädigung können, sofern sie begrenzt lokalisiert sind, durch verschiedene Maßnahmen der Bioregeneration therapiert werden. Im Rahmen der arthroskopischen Behandlung der Gonarthrose stellt sich hier die Frage, wie man mit schwereren Knorpelschäden umgehen soll, etwa

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