Übersichtsarbeiten - OUP 06/2014

Behandlungsalgorithmus der Ellenbogenluxation

Die konservative Therapie bei Luxationen mit rein ligamentären Verletzungen ist möglich, wenn im sog. funktionellen Bogen zwischen 130° und 30° Beugung keine Reluxationstendenz auftritt [13, 15, 23, 24, 26, 29]. Sollte die Reluxation bereits bei Extensionsgraden > 30° auftreten, besteht eine OP-Indikation [22].

Nach der Reposition wird eine Oberarmgipsschiene in 90° Flexion und neutraler Unterarmposition oder bereits eine Ellenbogenorthese angelegt. Nach einer Woche sollte eine klinische und radiologische Kontrolluntersuchung des Ellenbogens zur Überprüfung der Beweglichkeit und Stellung des Gelenks erfolgen.

Zeigt sich dabei eine gute Funktion, sollte die Ruhigstellung beendet werden und eine funktionelle Therapie mit protektiver Anlage einer Bewegungsorthese für insgesamt 6 Wochen erfolgen.

Das Risiko einer andauernden Bewegungseinschränkung korreliert eng mit der Dauer der posttraumatischen Ruhigstellung [3, 9, 10, 13, 23, 24].

Der eingestellte Bewegungsumfang kann je nach Schmerzsituation zu Beginn z.B. auf eine Extension/Flexion von 0/30/140° limitiert werden und wöchentlich um 10° Extension gesteigert werden, falls dem Therapeuten eine sog. Extensionslimitierung erforderlich erscheint. Diese Extensionslimitierung ist aber sehr kritisch zu sehen und stellt unserer Ansicht nach bereits ein Indiz für eine muskulär dekompensierte Instabilität mit drohender Einsteifung und/oder persistierender Instabilität dar. Hier sollten weiterhin engmaschige radiologische und klinische Kontrollen erfolgen, um eine Re-Luxationsstellung, Subluxationsstellung, eine Einsteifung des Gelenks oder eine anhaltende ligamentäre Instabilität frühzeitig zu erkennen. Daraus kann eine dementsprechende Abänderung oder Anpassung der Therapie nötig sein.

Bei einer drohenden Einsteifung kann die stationäre Aufnahme und die Intensivierung der Physiotherapie unter Anlage eines regionalen Schmerzkatheters erforderlich sein. Sollte etwa 7–10 Tage posttraumatisch weiter eine starke Schmerzhaftigkeit oder ungewöhnlich starke Bewegungseinschränkungen bestehen, empfehlen wir ein MRT zum Ausschluss einer intraartikulären Pathologie oder Subluxationsstellung.

Da für operative Interventionen zur primären Bandnaht ein enges Zeitfenster besteht, sollte das MRT vor Ablauf der ersten 14 Tage erfolgen, um sich die Möglichkeit zur Naht der rupturierten Kollateralbänder offen zu halten.

Operative Therapie der
„einfachen“
Ellenbogenluxation

Primäre Bandnaht

Die primäre Rekonstruktion der verletzten Weichteile zur Wiederherstellung der originären Anatomie ist in den ersten 14 Tagen posttraumatisch möglich und bietet die beste Voraussetzung für eine stabile Heilung.

Dieser enge Zeitplan ist problematisch und eine sinnvolle Refixation oder Naht der rupturierten Bänder ist durch die extrem schnell einsetzende Fibrose nur in einem kurzen Zeitfenster nach dem Trauma möglich. Indikationen zur OP sind Subluxationsstellungen des Gelenks und intraartikuläre Pathologien, wie z.B. freie Gelenkkörper. Bei Leistungssportlern mit hohen armbelastenden Tätigkeiten streben wir die Wiederherstellung der originären Anatomie an, um eine sichere stabile Heilung der verletzten Weichteile zu erreichen. Jedoch sind die Weichteilverhältnisse durch die oft vorliegende starke Einblutung und Schwellung gerade in dieser ersten posttraumatischen Phase anspruchsvoll zu operieren.

Häufig zeigt sich im klinischen Alltag, dass es zu lange dauert, bis die Diagnostik abgeschlossen ist und der Patient in einer operativen Einrichtung versorgt werden kann. Die Gründe für das angesprochene Problem sind vielgestaltig.

Die Schwere der Verletzung wird zum einen häufig zu Anfang nicht erkannt. Dadurch gehen entscheidende Tage verloren, da die Patienten in der Regel zunächst nach der Reposition im Gips ruhig gestellt werden und eine weiterführende Diagnostik oft erst nach der klinisch eingetreten Ellenbogensteife veranlasst wird. Das Eintreten einer Ellenbogensteife vorherzusagen, ist leider schwierig, denn in den ersten 2 Wochen nach einer Luxation toleriert der behandelnde Arzt naturgemäß noch Bewegungseinschränkungen und geht mit gutem Gewissen davon aus, dass durch eine weiterführende konservative Therapie der Bewegungsumfang noch erreicht wird. Jedoch zeigt sich leider oft, dass Patienten auch über die weiteren Wochen hinweg eine Bewegungseinschränkung behalten und sich das Vollbild der Ellenbogensteife ausbildet, die nicht mehr durch Physiotherapie verbessert werden kann.

Zum anderen ist es in der ambulanten Patientenversorgung schwierig, in kurzer Zeit eine MRT-Untersuchung zu bekommen und einen angeschlossenen, zeitnahen Termin in einer geeigneten chirurgischen Klinik zur operativen Versorgung.

Ist das genannten Zeitfensters für eine primäre Bandnaht bereits verstrichen, sollte die konservative Therapie zur Wiederherstellung der Gelenkfunktion ausgeschöpft werden.

Eine Selektion der Patienten ist hierzu erforderlich. Bei einer recht früh vorliegenden Ellenbogensteife sollte diese nach kernspintomografischer diagnostischer Abklärung der Gelenksituation im Rahmen des stabilisierenden Eingriffs arthrolysiert werden. Dabei werden die bereits eingetretene intraartikuläre Arthrofibrose arthrolysiert und freie Gelenkkörper wie knorpelige Abschlagfragmente entfernt und die oft komplexe Instabilität des Gelenks in der Arthroskopie erfasst. Das weitere Behandlungskonzept für die Zeit nach der Wiederherstellung der Beweglichkeit wird anhand der in der Arthroskopie erfassten Begleitpathologien erstellt. Bei verbleibenden, klinisch relevanten Schmerzen bzw. Instabilitäten können in solchen Fällen sekundäre Bandplastiken notwendig werden.

Die primäre Bandnaht kann sowohl in Rückenlage ohne zusätzlicher ASK und in Seiten- oder Bauchlage mit zusätzlicher ASK, durchgeführt werden. Sowohl die unilaterale als auch die bilaterale Versorgung ist möglich und sollte stets intraoperativ auf Notwendigkeit überprüft werden. Unabdingbar ist die klinische Untersuchung des Ellenbogens in der Narkose, vor und während der OP, sowie die Durchleuchtung unter einem C-Bogen. Die Hauptinstabilitätsrichtung sowie relevante Begleitinstabilitäten können somit taktil und visuell erfasst werden.

Die Positionierung der Anker bzw. der transossären Nähte ist elementar. In der Regel reißen auf der radialen Seite der LCL-Komplex, bzw. die dorsalen Anteile des LUCL, humeral am Kondylus ab. Dementsprechend muss bereits durch die optimale Einbringung der Anker die Voraussetzung für eine anatomische Rekonstruktion und ein gutes klinisches Ergebnis gesetzt werden. Die meist partiell oder total rupturierten Extensoren müssen als weichteilige additive Stabilisatoren des radialen Kollateralbandkomplexes stabil und flächenhaft am radialen Condylus bzw. Epicondylus refixiert werden. Zwischen Kapselbandkomplex und Extensoren zu unterscheiden, ist oft sehr schwierig. Nicht ohne Grund wird in der Literatur von einem „extensor common origin“ gesprochen. In seltenen Fällen kommt es zur Abrissverletzung des Lig. anulare an der Crista supinatoris mit oder ohne knöcherne Schuppe. Die Refixation erfolgt hier ebenfalls über z.B. Ankersysteme, da ansonsten das Risiko sehr groß ist, eine ausgeprägte radiale und posterolaterale Instabiltät zu behalten.

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