Übersichtsarbeiten - OUP 06/2014

Behandlungsalgorithmus der Ellenbogenluxation

Auf der ulnaren Seite reißt in den überwiegenden Fällen das MCL am humeralen Ursprung im Sinne einer Avulsionsverletzung ab. Die Flexoren sind oft zusätzlich rupturiert und erfordern eine Refixation bzw. Rekonstruktion, hier gilt ebenfalls das anatomische Prinzip des „flexor common origin“. Die korrekte Ankerpositionierung am medialen Kondylus ist deutlich schwieriger. Ankerfehllagen an der Spitze des Epicondylus anstatt am Übergang des Kondylus zum Epicondylus werden von uns häufig gesehen. In der Regel sind 2 Anker bei flächigen Abrissverletzungen des MCL am humeralen Ursprung erforderlich. Die MCL-Ruptur kann auch distal an der medialen Coronoidfacetteninsertion mit oder ohne knöcherne Schuppe erfolgen. Hier bietet sich die Refixation über Ankersysteme und bei größeren knöchernen Fragmenten die Stabilisierung mit Schrauben oder Platte an.

Die Therapie im Anschluss an eine operative Versorgung ist nicht zu unterschätzen, insbesondere kann es hier zur Ellenbogenversteifung kommen. Wir empfehlen, die Patienten nach der OP eng an den Operateur zu binden. Sollte sich eine Einsteifung des Ellenbogens anbahnen, wäre in einem postoperativen Zeitfenster von 10–14 Tagen die stationäre Aufnahme zur Intensivierung der Physiotherapie unter Anlage eines Schmerzkatheters indiziert, genauso wie im Behandlungskonzept der konservativen Therapie.

Stellenwert des
Bewegungsfixateurs

Der Bewegungsfixateur wird von manchen Autoren und Kliniken mit großer Erfahrung in der Anwendung als alternativer Therapieansatz zur Versorgung von instabilen „einfachen“ Ellenbogenluxationen favorisiert [5, 6]. Die Gelenkführung ist hierbei sehr stabil und der Bewegungsumfang kann intensiv und relativ schmerzarm trainiert werden. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die oft schwer verletzten Weichteile des Ellenbogens unangetastet bleiben können und die eigentliche Operation gelenkfern auf Höhe des mittleren Humerus und der Ulna zur Einbringung der Fixateurpins erfolgt. Nachteilig an dieser indirekten Versorgungstechnik ist die nur fragliche Wiederherstellung der originären Anatomie. Der Ellenbogen ist letztendlich auf eine stabile Narbenheilung der verletzten Strukturen unter geführten Bewegungen des Gelenks angewiesen. Zu einem gewissen Prozentsatz verbleiben jedoch nach Abnahme des Fixateurs nach 6–8 Wochen Instabilitäten, die je nach Anspruch des Patienten sekundär mit Bandplastiken versorgt werden müssen. Weiterhin ist die Akzeptanz des Patienten nur eingeschränkt vorhanden. Dies und die komplexe Handhabung des Bewegungsfixateurs in Verbindung mit der häufig geringen Erfahrung des Operateurs mit diesem Verfahren führt zur seltenen Nutzung in eigentlich medizinisch notwendigen Situationen.

Wir verwenden den Bewegungsfixateur vor allem bei einer kritischen Stabilität des Gelenks nach einer Bandnaht, bzw. bei irreparablen Verhältnissen oder bei bereits länger bestehender Subluxationsstellung des Gelenks.

Bei komplexen Fällen eines instabilen und gleichzeitig steifen Gelenks sehen wir eine weitere Indikation für den Bewegungsfixateur. Den Bewegungsfixateur nutzen wir hier additiv zu einer arthroskopischen oder offenen Arthrolyse, um dem Patienten äußerlich die erforderliche Stabilität und Führung für das Gelenk zu geben, die es benötigt. Der Fixateur kann hier sehr intensiv zur Bewegungstherapie genutzt werden. Dies geschieht durch die Anwendung von Kompressions- und Distraktionseinheiten, die eine Quengelung des Gelenks in Flexion und Extension ermöglichen.

Die Arthroskopie nach der frischen Luxation

Nach einer akuten Luxation des Ellenbogens haben wir bei einem größeren Patientenkollektiv eine Arthroskopie durchgeführt. In vielen Fällen konnten wir neben der therapeutischen Ausspülung des Hämarthros sowie Entfernung bereits eingetretener Briden relevante intraartikuläre Pathologien (z.B. freie Gelenkkörper oder knorpelige Abscherverletzungen) erkennen und versorgen. Zudem lassen sich mit der Arthroskopie sehr genau auch geringste Formen von Instabilitäten erkennen und beurteilen. Dementsprechend kann das OP-Konzept den gewonnen Erkenntnissen angepasst werden. Retrospektiv analysiert ist es erstaunlich, dass sich die meisten der intraartikulären Pathologien weder mit Röntgen, CT noch MRT präoperativ zuverlässig darstellen ließen.

Allerdings ist die Arthroskopie in der Traumasituation sicherlich kein flächendeckendes oder wissenschaftlich evaluiertes Verfahren und kann daher nicht als Behandlungsstandard definiert werden. Durch unsere gewonnenen Erfahrungen, die wir mit anderen spezialisierten Ellenbogenoperateuren teilen, möchten wir aber auf den Nutzen der Arthroskopie in der Traumasituation aufmerksam machen.

Stellt sich der Patient erst 10–14 Tage nach einer Luxation mit seither ruhiggestelltem Gelenk vor, erhöht sich der Stellenwert der Arthroskopie deutlich. Bei einer Bewegungseinschränkung in einem intolerablen Ausmaß können zusätzlich zu den o.g. Maßnahmen die bereits eingetretenen Briden und Adhäsionen des sich organisierenden intraartikulären Hämatoms gelöst werden. Lässt sich hierdurch intraoperativ wieder eine freie Beweglichkeit erreichen, kann die Bandnaht zur Behandlung der Instabilitätssituation durchgeführt werden. Weiterreichende aufwendige Arthrolysetechniken sind so kurz nach dem Trauma nicht erforderlich. In den ersten 2 Wochen nach dem Trauma ist eine primäre Bandnaht noch erfolgsversprechend, während sich zu einem späteren Zeitpunkt die Chancen für ein gutes und stabiles Ergebnis durch die narbige Verkürzung und die kaum noch darstellbaren originären Bandstümpfe deutlich verschlechtern. Wie bereits erwähnt, kann in solchen Fällen der Einsatz eines Bewegungsfixateurs oder bereits eine Bandplastik erforderlich sein.

Repräsentativer Fall

Der Fall zeigt einen 48-jährigen Mann mit einer vor 4 Tagen beim Skifahren erlittenen Ellenbogenluxation vor der operativen Versorgung. Die Erstversorgung erfolgte noch an der Unfallstelle durch den Patienten selbst, indem er die Reposition durch Zug am Arm erreichte. Im ortsansässigen Krankenhaus wurde durch eine Röntgenuntersuchung eine knöcherne Verletzung ausgeschlossen. Die Ruhigstellung erfolgte über die Anlage einer Oberarmgipsschiene. Bei der klinischen Untersuchung bei uns im Hause, 3 Tage nach dem Trauma, zeigte sich ein schmerzhafter Bewegungsumfang von F/E 90–40–0° mit einer ausgeprägten kombinierten medialen und lateralen Seitenbandinstabilität, sowie schmerzhaften Provokationstests (Pivot-Shift-Test, Valgus- und Varus-Stress). In der MRT-Diagnostik zeigten sich die Rupturen der medialen und lateralen Kollateralbänder sowie eine subtotale Abrissverletzung der Extensoren (Abb. 1).

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