Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Behandlungsstrategien und Komplikationsmanagement dorsaler Fusionen bei Osteoporose

Ziel der dorsalen Instrumentierung ist die Stabilisierung und Fusion der betroffenen Segmente sowie die Wiederherstellung des sagittalen Profils der Wirbelsäule. Dabei müssen bei der Verankerung der Implantate die verschiedenen biomechanischen Eigenschaften des Wirbelkörpers sowie externen Faktoren, welche das klinische Ergebnis des Verfahrens beeinflussen können, bedacht werden [13].

So unterscheidet sich die Anatomie und Knochendichte der Wirbelkörper der Patienten im Brustwirbelbereich gegenüber den Wirbelkörpern der Lendenwirbelsäule bzw. des lumbosakralen Übergangs. Externe Faktoren wie das weibliche Geschlecht, die weiße Rasse, geringes Körpergewicht, Demenz und ein reduzierter Allgemeinzustand weisen häufig auf eine niedrigere Knochenqualität hin [10].

Bei der primären operativen Stabilisierung ist neben der Länge der Instrumentierung auch die Wahl des Stabmaterials zu bedenken (z.B. Titan versus Cobalt-Chrom). Durch die unterschiedlichen Elastizitätsmodule der Materialien lässt sich die Steifigkeit sowie Elastizität des Konstrukts maßgeblich beeinflussen. Im osteoporotischen Knochen empfiehlt es sich, Materialien mit niedriger Steifigkeit wie Titanstäbe zu verwenden, um den Stress auf die Schrauben und den umliegenden Knochen zu reduzieren und so das Auftreten von Lockerungen und Ausrissen der Schrauben zu vermeiden [24].

Auch ist zum Erhalt der Rigidität der Instrumentierung eine gute Verankerung der Schrauben im Pedikel wichtig, da hierdurch über 60 % der Ausrisskräfte bestimmt werden. Bei unzureichender Knochenqualität sollte immer zur Vermeidung einer sekundären Dislokation oder eines Ausrisses der Schrauben die Zementaugmentation in Erwägung gezogen werden [2].

Die Fusion von Wirbelkörpersegmenten geht mit einer Veränderung der Statik einher. Dadurch erhöhen sich die einwirkenden Kräfte auf die umliegenden Bewegungssegmente und es kann zum Auftreten von Anschlussfrakturen kommen. Längerstreckige Instrumentierungen führen dabei zu einer Umverteilung dieser Kräfte und damit zu einer geringeren Krafteinwirkung auf jedes einzelne Bewegungssegment. Dies reduziert die Frakturrate der benachbarten Wirbelkörper [10].

Aber auch bei längerstreckigen Fusionen ist der Wiederherstellung sowie dem Erhalt des sagittalen Profils der Wirbelsäule stets Rechnung zu tragen. Das Grundprinzip besteht dabei in einer Verlängerung der ventralen und einer Verkürzung der dorsalen Säule. Reicht die dorsale Instrumentierung zur Wiederherstellung des Gesamtprofils der Wirbelsäule nicht aus, kann bei starker Imbalance des sagittalen Profils die dorsale Fusion durch eine Facettektomie oder eine Osteotomie ergänzt werden.

Sollten dabei nur geringe segmentale Korrekturen erforderlich sein, ist meist eine Facettektomie ausreichend. Auf diese Weise lassen sich für jedes Segment Korrekturen von 2–5° erzielen. Bei höhergradigen Korrekturen wird meiste eine Osteotomie notwendig. Dabei können je nach Verfahren Korrekturen von 5–40° erreicht werden. Das größte Korrekturausmaß lässt sich bei kurzstreckigen Kyphosen durch die Pedikelsubstraktionsosteotomie erzielen (Abb. 2). Hier erfolgt die Entnahme eines Knochenkeils aus den dorsalen Elementen und dem Wirbelkörper, wobei die Lamina und die Pedikel beidseits entfernt und die Osteotomie verschlossen wird. Durch die translatorische Instabilität in der anteroposterioren Ebene besteht eine erhöhte Gefahr neurologischer Schäden. Dieser erweisen sich als geringer bei der Osteotomie nach Ponte (partielle Resektion der superioren und inferioren Facettengelenke) oder der Smith-Peterson-Osteotomie (V-förmige interlaminäre segmentale Resektion). Multisegmental durchgeführt sind beide die Therapie der Wahl bei längerstreckiger Kyphosierung.

Probleme der dorsalen Instrumentierung bei Osteoporose

Neben den üblichen peri- und postoperativen Komplikationen müssen im Zusammenhang mit der dorsalen Instrumentierung der osteoporotischen Wirbelsäule eine unzureichende Implantatverankerung mit Lockerung oder Ausriss der Schrauben erwähnt werden sowie die Ausbildung von Anschlussfrakturen der benachbarten Segmente. Beide Komplikationen bedingen Schmerzen, Immobilisation sowie eine progrediente Kyphosierung der betroffenen Segmente mit konsekutiver Veränderung der sagittalen Balance [5].

Um insbesondere den Schraubenausrissen oder -lockerungen, als zentralem Problem, entgegenzuwirken, sollten bei der Versorgung der osteoporotischen Wirbelsäule einige Faktoren bedacht werden. Diese beinhalten, neben der bereits zuvor geschilderten Wahl des Stabmaterials sowie der Instrumentationslänge, das Schraubendesign und die Insertions- sowie Augmentationstechnik.

Schraubendurchmesser

Als wichtigster Parameter zur Vermeidung eines Schraubenausrisses an der Wirbelsäule gilt der äußere Schraubendurchmesser [9, 21, 30]. So zeigten zahlreiche biomechanischer Arbeiten übereinstimmend, dass sich bei größer werdendem Durchmesser der Schraube das Risiko eines Ausrisses signifikant reduziert. Auch in der Revisionschirurgie lässt sich ähnliches beobachten. So ergaben sich nach Lockerung einer 6-mm-Schraube erst bei Verwendung einer nicht zementaugmentierte Schraube mit 8 mm signifikant höhere Ausrisskräfte. Darüber hinaus besaß die nicht zementaugmentierte 8-mm-Schraube sogar eine höhere Ausrisskraft gegenüber der 6-mm-Schraube, die mit Zement augmentiert wurde [15].

Schraubenlänge

Der Schraubenlänge kommt bei der operativen Revision nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Während im gesunden Knochen die Schraubenlänge zu einer Erhöhung der Ausrisskraft führt, zeigt sich im osteoporotischen Knochen nur ein marginaler Unterschied der Ausrisskraft im Vergleich zum gesunden Knochen [30]. Zusammenfassend ist der Schraubendurchmesser wesentlich bedeutender als die Schraubenlänge [23].

Schraubendesign

Der Einfluss der Schraubenform sowie des Gewindes wird kontrovers diskutiert. Theoretisch bergen konische Schrauben den Vorteil der höheren Stresskonzentration im Pedikel – bedingt durch den größeren Durchmesser – sowie einer bessere Kompression des umliegenden Gewebes mit konsekutiver Verdichtung des spongiösen Knochens. Allerdings zeigte sich im Langzeitverlauf kein signifikanter Unterschied bezüglich der Ausrisskraft in Abhängigkeit vom Schraubendesign (konisch versus zylindrisch) [6].

Schraubenmaterial

Insbesondere im osteoporotischen Knochen ist ein hohes Maß an Flexibilität der Schrauben mit daraus folgender Stressreduktion auf den umliegenden Knochen von Bedeutung. Ferner fördert eine gute Biokompabilität des verwendeten Materials die Osteointegration. Diese Punkte berücksichtigend, erscheint die Verwendung von Titanschrauben gegenüber Edelstahlschrauben von Vorteil zu sein. Diese zeigten in tierexperimentellen Studien eine erhöhte Osteointegration; der Nutzen hinsichtlich einer etwaigen Steigerung der Ausrissfestigkeit war allerdings marginal [8]. Dennoch bleibt der Einfluss der Osteointegration auf die Inzidenz von Schraubenlockerungen zu diskutieren.

Selbstschneidende Schrauben
versus Gewindeschneiden

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5