Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Behandlungsstrategien und Komplikationsmanagement dorsaler Fusionen bei Osteoporose

Bei der Implantation der Schrauben werden gewindeschneidende und selbstschneidende Schrauben unterschieden. Selbstschneidende Schrauben zeigten in Studien eine höhere Ausrisskraft gegenüber jenen, bei denen zuvor das Gewinde im Knochen präpariert wurde. Andere demonstrierten eine reduzierte Festigkeit der Schraubenhalterung durch das Gewindeschneiden, sodass insbesondere im osteoporotischen Knochen ausschließlich selbstschneidende Schrauben verwendet werden sollten. Bedacht sein muss in diesem Zusammenhang lediglich das bei selbstschneidenden Schrauben erhöhte Drehmoment, welches das Risiko einer Fraktur des Pedikels beinhaltet [7, 20].

Neben dem Schraubendesign ist die Art der Fixierung ein weiterer zu beeinflussender Faktur, um die Inzidenz von Schraubenlockerungen zu reduzieren. In diesem Zusammenhang ist die Vorbohrung der Schraube, der Winkel der Schraubenrichtung, die bikortikale Fixation sowie die Augmentationstechnik zu beachten.

Vorbohrung

Zur Implantation der Schraube erfolgt die Vorbohrung des Schraubenlochs. Basierend auf Ausrissversuchen definierten Batulla et al. die sog. „critical pilot hole size“. Dabei soll die Vorbohrung idealerweise einen Durchmesser von 71,5 % der später implantierten Schraube haben [1]. Ist die Vorbohrung zu klein, erhöht sich das Drehmoment und somit das Frakturrisiko des osteoporotischen Knochen erheblich. Ist die Vorbohrung zu groß, ist die Befestigung insuffizient und es bedarf weiterer Maßnahmen wie der Verwendung eines größeren Durchmessers der Schrauben oder der Zementaugmentation.

Implantationswinkel

Ein weiterer präventiver Faktor ist der Winkel der implantierten Schrauben. Biomechanische Untersuchungen an langen Röhrenknochen zeigten, dass die optimale axiale Ausrichtung abhängig ist vom Ausmaß der Osteoporose [18]. Auf die Wirbelsäule lässt sich dieses Modell auf Grund von strukturellen sowie morphologischen Gegebenheiten nicht gänzlich übertragen. Hier zeigte sich, dass eine Schraubenrichtung von etwa 10° in medialer wie auch kaudaler Richtung die Ausrissfestigkeit maßgeblich erhöht im Vergleich zum anatomischen Winkel. Letztgenannter orientiert sich an einer mit 10° medialen sowie 22° kraniokaudalen Richtung [18].

Bikortikale Fixierung

Die bikortikale Verankerung der Schrauben ist eine gängige Technik insbesondere bei der Instrumentierung von SWK1. Ziel ist es dabei, die Stabilität im Knochen zu erhöhen. So kann experimentell eine Steigerung der Ausrissfähigkeit auf bis zu 44 % erreicht werden. Allerdings konnte bei bikortikaler Fixation eine vermehrte Verbiegung der Schrauben beobachtet werden, ebenso eine erhöhte Inzidenz von Brüchen des Pedikels. Ursächlich hierfür ist eine Verlagerung des Drehpunkts an die anteriore Kortikales mit daraus resultierender Veränderung des wirkenden Drehmoments („Scheibenwischerphänomen“) [3]. Auch die Gefahr von Gefäßverletzungen durch bikortikal eingebrachte Schrauben begründet, dass diese Technik nur in Ausnahmefälle sowie zur Instrumentierung von SWK 1/2 angewandt werden sollte.

Implantationstiefe

Bei guter Knochenqualität beträgt die optimale Tiefe der eingebrachten Schrauben rund 80 % der gesamten Wirbelkörperlänge. Auf diese Weise konnte eine signifikante Steigerung der Ausrissfestigkeit um über 30 % im Vergleich zu kürzeren Implantationstiefen erzielt werde [17]. Im osteoporotischen Knochen stellte sich der Unterschied allerdings als nur marginal dar, sodass der Verankerungstiefe einer eher untergeordnete Bedeutung zukommt [30]. Diskutiert wurde ebenfalls, dass durch ein Versenken des Schraubenkopfs in den Pedikel mit folgender Verkürzung des Hebelarms und der damit assoziierten Reduktion der wirkenden Kräfte eine Abnahme der Rate an Schraubenlockerungen erzielt werden könnte. Anders als zu erwarten zeigte sich bei Anwendung dieser Technik in einigen Studien eine signifikant niedrigere Ausrissfestigkeit der Schrauben sowie ein erhöhte Inzidenz von Pedikelbrüchen bzw. Lockerungen im kortikalen Knochen. Basierend hierauf wurde die Technik wieder verlassen [20].

Zementaugmentation
der Schrauben

Neben dem Schraubendurchmesser erhöht die Zementaugmentation der Schrauben deren Festigkeit im osteoporotischen Knochen am deutlichsten [4]. Über das Ausmaß der Festigkeit entscheidet neben dem verwendeten Zement die Technik der Zementierung.

Material

Derzeit stehen verschiedene Zementsorten zur Verfügung. Am häufigsten zur Anwendung kommt Polymethylmetaacrylat (PMMA), welcher die Ausrissfestigkeit mit bis zu 348 % am deutlichsten zur erhöhen vermag. Nachteilig wirkt sich allerdings die im Rahmen der Aushärtung von PMMA entstehende exotherme Reaktion von bis zu 110 °C aus. Diese kann zur Entstehung von thermischen Nekrosen sowie neuronalen Schädigungen führen. Darüberhinaus ist PMMA nicht biokompatibel, geht daher keine Verbindung mit dem Knochen ein und bleibt immer ein Fremdkörper. Anders hingegen Calciumphosphat, welches osteokonduktive Eigenschaften besitzt. Auch verfestigt es sich im Rahmen einer endothermen Reaktion und verhindert somit das Auftreten von thermischen Schädigungen des umliegenden Gewebes. Die Steigerung der Ausrissfestigkeit ist etwas geringer als von PMMA, beträgt aber immerhin 244 %, sodass Calciumphosphat trotz der langen Aushärtungszeit von nahezu 24 Stunden eine Alternative zu PMMA darstellt. Hydroxylappatit oder Zementmischungen wie beispielsweise Calciumphosphat-Calciumsulfatgemisch steigern die Ausrissfestigkeit in geringerem Maße.

Augmentationstechnik

Zum Einbringung des Zements in den Knochen stehen verschiedene Techniken zur Verfügung:

  • a) Einbringen des Zementes in ein vorgefertigtes Schraubenloch mit anschliessender Insertion der Schraube,
  • b) Einbringen des Zementes in einen ähnlich der Ballonkphoplastie vorpräparierten Hohlraum mit anschliessender Insertion der Schraube, sowie
  • c) Zementieren von bereits gesetzten Schrauben durch die Verwendung von perforierten Schrauben (Abb. 3). Insbesondere im osteoporotischen Knochen erscheint letztgenanntes Verfahren die sichere Alternative zu sein bei vergleichbaren Ausrisskräften [2, 10, 28]. Dabei ist auf einen langstreckigen Zementmantel um die Schraube zu achten, insbesondere im Pedikel- Wirbelkörperübergang [2, 11, 28].

Alternative Techniken zur

Zementaugmenation

Alternativ kann bei Zementallergien eine spreizbare Pedikelschraube oder eine Art „Dübel” verwendet werden. Die spreizbaren Pedikelschrauben zeigen ebenso signifikant höhere Fusions- mit signifikant reduzierten Lockerungsraten im Vergleich zur herkömmlichen Instrumentation [29]. Somit stellen sie eine sichere Alternative zur Zementaugmentation dar [29]. Das Einbringen von speziellen Dübeln, welche sich ventral des Pedikel-Wirbelkörperübergangs aufspreizen, führt ebenso zu einer Erhöhung der Ausrissfestigkeit [19]. Allerdings fehlt es hierbei noch an Studien, welche den Langzeitverlauf dokumentieren.

Länge der Instrumentierung

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