Übersichtsarbeiten - OUP 02/2017

Bildgebende Verfahren zur Diagnostik von Muskelverletzungen
Imaging in muscle lesions

Hier werden jedoch klinisch nachgewiesene ultrastrukturelle Läsionen ohne höhergradige Strukturveränderung nicht ausreichend berücksichtigt (Abb. 1). Außerdem sind unter Grad II „partielle Muskelrupturen“ Verletzungen subsumiert, die unterschiedliche Prognosen aufweisen, z.B. Muskelfaserriss, Muskelbündelriss. Hier ist aus klinisch-praktischer Sicht eine weitere Differenzierung zwingend notwendig.

Einteilung der Muskelverletzungen in Anlehnung an die Münchner Arbeitsgruppe
in ultrastrukturelle/
strukturelle Schäden

Die Expertengruppe [11] schlägt eine modifizierte, klinisch orientierte Einteilung nach Mueller-Wohlfahrt-Modell vor [19]. Unterschieden werden hier akute strukturelle Schäden von der funktionellen Störung, die in die überlastungsbedingten (Typ 1) und die neuromuskulären (Typ 2) Muskelschädigungen unterteilt werden. Bei den strukturellen Muskelverletzungen werden die partiellen Einrisse (Typ 3) (minor/moderat) von den (sub)totalen Rissformen unterschieden (Typ 4). Diese Einteilung ist klinisch geprägt und die Kombination aus Anamnese, Symptomen, klinischer Untersuchung, Lokalisation und additiver Bildgebung ergeben den entsprechenden Verletzungsgrad. Die Modifikation bezieht sich insbesondere auf die weitere Unterteilung der Typ-4-Verletzungen und der Modifikation, die funktionellen Veränderungen als ultrastrukturelle Muskelverletzungen zu klassifizieren.

Zur weiteren Vereinheitlichung der Klassifikationen der klinischen Untersuchung, der Sonografie und des MRT hat die Expertengruppe eine zusammenfassende Klassifikation erarbeitet, welche in Tabelle 2 zusammengefasst ist. Die weitere Klassifikation der Muskelverletzungen innerhalb dieses Kapitels bezieht sich auf dies Einteilung [11].

Kernspintomografie

Die Kernspintomografie stellt einen sehr wichtigen Baustein in der Diagnostik von Muskelverletzungen dar [7]. Mit ihrer guten und sensitiven Kontrastdarstellung, anatomischen Darstellungsmöglichkeit und Reproduzierbarkeit bietet sie den Vorteil der exakten Darstellung mit Lokalisation und Ausmaß der Verletzung, Darstellung eines Ödems bzw. des strukturellen Schadens selbst (Abb. 2) [22]. In Kombination mit der Klinik lässt sich die Verletzung meist schnell und sicher erfassen und eine Prognose der Ausfallzeit geben [9]. Ein weiterer Vorteil der Kernspintomografie ist die sichere Erfassung von Differenzialdiagnosen im Hüftbereich wie Stressfrakturen, Labrumverletzungen, Avulsionsverletzungen (Abb. 3), „Greater Trochanter Pain Syndrome“.

MRT-Untersuchungsprotokolle

Die Untersuchungsprotokolle sollten sich an die anatomische Region und die Größe der Verletzung anpassen. Hochfeldaufnahmen (mind. 1,5 Tesla) mit guter Spulentechnologie sind Voraussetzung für die exakte Abbildung der Verletzung [9]. Das FOV und die Matrix werden an das Verletzungsausmaß angepasst. Fettunterdrückte STIR-Aufnahmen (Short-Tau-Inversion-Recovery) stellen den Hauptpfeiler der Diagnostik dar. Diese Sequenzen sind extrem sensitiv gegenüber Flüssigkeit. Die möglichen Untersuchungsprotokolle für die 4 Hauptlokalisationen sind in Tabelle 3 aufgeführt. Bei unklaren Muskelbefunden sind die Protokolle auf andere Sequenzen mit zusätzlicher Gabe von Kontrastmittel zu erweitern.

Zeitpunkt der MRT-Untersuchung

In der Literatur gibt es im Moment noch keinen Konsens über den idealen Zeitpunkt der MRT-Bildgebung. Ekstrand et al. [9] favorisieren einen Zeitraum von 24–48 Stunden nach der Verletzung, während Gielen et al. einen längeren Zeitraum für richtig erachten [3]. Die Muskelverletzung mit der Ödemreaktion kommt hier am besten in den fettunterdrückten T2-Aufnahmen zur Darstellung, die in histologischen Untersuchungen meist nach 24 Stunden ihre maximale Ausdehnung erreicht [20]. Daher scheint im Moment der beste Zeitpunkt für die Bildgebung 1–2 Tage nach der Verletzung zu liegen.

Follow-up-Untersuchung

Die MRT-Untersuchung stellt eine sehr sensitive Methode für die Follow-up-Bildgebung dar im Verlauf der Rehabilitation und zur Unterstützung der möglichen Wiedereingliederung ins Mannschaftstraining bzw. Rückkehr zum Wettkampfsport [4, 6]. Das MRT-Bild muss aber immer mit der klinischen Untersuchung und den funktionellen Tests der einzelnen Rehabilitationsphasen betrachtet werden und kann nicht alleine ein Kriterium für die Entscheidung einer Aufbelastung darstellen. Nach einer Hamstring-Verletzung ist auch noch nach 6 Wochen eine Signalanhebung an der verletzten Stelle zu sehen [1]. Der ideale Zeitpunkt für eine Follow-up-MRT-Untersuchung hängt vom Einzelfall ab und ist nicht generell zu empfehlen. Insgesamt wird aber die MRT-Untersuchung als zusätzliche Untersuchung bei verzögerten Rehabilitationsverläufen empfohlen [14].

MRT-Klassifikation und
Prognosefaktoren

Neben der akkuraten klinischen Untersuchung trägt die Bildgebung mit der MRT-Diagnostik heute einen wichtigen Beitrag zur Klassifikation und Prognose der Muskelverletzung bei [14]. Ekstrand et al. konnten in ihrer Arbeit zeigen, dass die MRT-Veränderungen mit der Ausfallzeit korrelieren. Über einen Zeitraum von 4 Jahren konnten 516 Hamstring-Verletzungen bei 23 Fußball-Profiteams erfasst werden. Die MRT-Untersuchung wurde mittels modifizierter Peetrons-Klassifikation eingeteilt [9, 21]. Grad 0 stellt ein negatives MRT dar. Grad 1 zeigt eine Signalanhebung im Sinne eines meist gefiedert aussehenden Ödems ohne Ruptur (Abb. 4). Grad 2 stellt die Partialruptur dar, eine komplette Ruptur wird als Grad 3 eingestuft. Zur Vereinheitlichung der Klassifikationen und besseren Differenzierung der Verletzungen wurde im Rahmen eines Expertenmeetings die Anpassung der Grad-Einteilung sowie Unterteilung der Grad-3-Verletzungen (Partialrupturen) in Anlehnung an die klinische Munich Consensus Conference um Müller-Wohlfahrt [19] für sinnvoll erachtet [11]. Die geringere Partialruptur (Minorverletzung) wird als 3A (Abb. 5) eingeteilt und 3B wird analog für die höhergradige Partialruptur verwendet. Auch die (Sub-)Totalrupturen werden kernspintomografisch in Grad 4A (subtotal) und Grad 4B (total) subklassifiziert (Abb. 6).

Die anatomischen G renzen für die Unterscheidung sind im MRT nicht immer sicher darstellbar, wobei hier die Minor-Partialruptur (Grad 3A) das maximale Ausmaß eines Primärbündels mit 1 mm2 ohne Faszienverletzung ausmacht. Größere Partialrupturen (Grad 3B) mit zusätzlicher Faszienverletzung werden als moderate Partialrupturen bezeichnet (Tab. 4).

Der Großteil der Verletzungen mit einem Anteil von 70 % waren Grad-1- und Grad-2-Verletzungen. Bei 27 % der Verletzungen wurde eine Grad-3-Verletzung diagnostiziert, wobei nur in 3 % der Fälle eine Komplettruptur vorlag (Grad 4). Der Grad der Verletzung korrelierte signifikant mit der Länge der Ausfallzeit (Tab. 4). Während Grad-1- und Grad-2-Verletzungen 8 bzw. 17 Tage Ausfallzeit zur Folge hatten, waren es bei Grad-3-Verletzungen 22 Tage und 73 Tage bei Grad-4-Verletzungen. Die MRT-Diagnostik kann somit sinnvoll nach der in Tabelle 4 aufgeführten Klassifikation erfolgen und die Ausfallzeiten prognostizieren.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4