Übersichtsarbeiten - OUP 02/2017

Bildgebende Verfahren zur Diagnostik von Muskelverletzungen
Imaging in muscle lesions

In einer aktuellen Arbeit von Ekstrand et al. [8] erfolgt die Validierung der „Münchner Klassifizierung“. Die Verletzungen wurden standardisiert nach einem klinischen Untersuchungsbogen erfasst und eine MRT-Untersuchung innerhalb der ersten 24–48 Stunden durchgeführt. Es wurden 67 % strukturelle Verletzungen und 33 % ultrastrukturelle Muskelprobleme erfasst. Die Ausfallzeit war für strukturelle Verletzungen auch hier signifikant höher als bei den ultrastrukturellen Schäden. Zusätzlich waren die Ausfallzeiten zwischen den Subgruppen der strukturellen Schäden (minor/moderat) signifikant unterschiedlich groß. Für die Subgruppen der ultrastrukturellen Schäden traf dies nicht zu. Beim Vergleich mit den MRT-Untersuchungen zeigte sich bei allen klinisch ultrastrukturell eingeschätzten Verletzungen eine Grad-1- oder Grad-2-Veränderung. Dagegen zeigte sich bei der klinischen Diagnose eines strukturellen Schadens (Moderat) in 77 % eine Grad-3-Veränderung und in 23 % nur eine Grad-2-Veränderung. Wurde klinisch eine Minor-Partialruptur diagnostiziert, fanden sich in der Mehrzahl der Fälle (81 %) Grad-1- oder Grad-2-Veränderungen im MRT und nur in 19 % ein struktureller Schaden im Sinne einer Grad-3-Veränderung. Kritisch ist hier anzumerken, dass die Verteilung der Ausfalltage nicht normal war und die Gruppe für die MRT-Untersuchungen gering war. Die Klassifikation der Arbeitsgruppe um Müller-Wohlfahrt [19] erfasst heute alle wichtigen Muskelverletzungen. Die MRT-Diagnostik kann uns hier insbesondere bei der Unterscheidung von ultrastrukturellen und strukturellen Schäden helfen. Ultrastrukturelle Schäden weisen meist ein negatives MRT (Grad 1) oder eine Grad-2-Veränderung (Ödem, ggf. perifasziale Flüssigkeit) auf. Strukturelle Schäden werden klinisch eher überschätzt, da sich in der MRT-Korrelation hier weniger ausgeprägte Veränderungen zeigen. Ein Problem stellt die Minor-Partialruptur (Grad 3A) als strukturelle Verletzung dar, da sie nicht immer in der MRT-Diagnostik als solche erfasst werden kann.

Die kernspintomografische Einteilung der Muskelverletzungen erfolgt angelehnt an die modifizierte Ekstrand-Klassifikation und korreliert mit der modifizierten klinischen Klassifikation der Münchner Arbeitsgruppe.

Weitere MRT-tomografische
Prognosefaktoren

Neben der klassischen Einteilung nach Graden bezüglich der Schwere der Verletzung kann die MRT noch zusätzlich Informationen über die Lokalisation der Verletzung in der Muskel-Sehnen-Einheit und der Lokalisation mit Ausmaß der Länge und Breite der Verletzung geben [23]. Askling et al. konnten zeigen: Je kranialer die Hamstring-Verletzung lokalisiert ist, desto länger ist die Ausfallzeit. Des Weiteren konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass die Länge (kranio-kaudale-Ausbreitung) der Verletzung mit der Ausfallzeit korreliert [1]. Der prozentuale Anteil der betroffenen „cross-sectional-area“ in der axialen STIR-Aufnahme mit erhöhtem T2-Signal, verglichen mit dem Muskelsignal des nicht betroffenen Muskels, zeigt ebenfalls eine positive Korrelation. Je größer die betroffene Fläche, desto länger ist die Ausfallzeit [5, 22]. Tabelle 5 fasst die positiven und negativen MRT-Faktoren nochmals zusammen.

Zusammenfassung
und Ausblick

Neben der klinischen Untersuchung und der Anamnese des Sportlers spielt die Bildgebung eine wichtige Rolle in der Diagnostik der Muskelverletzungen. Im Freizeitsport reicht hier meist die Ultraschalluntersuchung aus, gefolgt von einer konservativen beschwerdeabhängigen Therapie mit Aufbelastung. Beim ambitionierten Freizeitsportler und bei der Betreuung im Spitzensport ist die MRT-Diagnostik heute nicht mehr wegzudenken. Die kernspintomografische Einteilung der Muskelverletzungen erfolgt angelehnt an die modifizierte Ekstrand-Klassifikation und korreliert mit der modifizierten klinischen Klassifikation der Münchner Arbeitsgruppe. Trotzdem sind in der aktuellen Literatur einige Einschränkungen zu nennen. Viele Studien beziehen sich auf die Hamstring-Gruppe bzw. ein Sportlerklientel. In wieweit von diesen Erfahrungen auf andere Muskelgruppen bzw. auch andere Sportarten geschlossen werden kann, ist unklar. Für die zukünftige Forschung auf diesem Gebiet ist es wünschenswert, dass möglichst viele Prognosefaktoren berücksichtigt werden, weitere genaue Analysen der Rupturanatomie und über das Ausmaß der Verletzung erfolgen, der Nutzen der Bildgebung weiter zu evaluieren für die Prognose, insbesondere der Follow-up-Untersuchung und die MRT-Protokolle und Technik so zu verbessern, dass der strukturelle Schaden sicher erkannt werden kann.

Fazit für die Praxis

Die MRT-Diagnostik bietet eine schnelle anatomische Zuordnung der Muskelverletzung und Erfassung der Differenzialdiagnosen.

MRT-Protokolle werden der verletzten Region angepasst.

Der optimale Zeitpunkt der MRT-Untersuchung ist 24–48 Stunden nach der Verletzung.

Zusammen mit der klinischen Untersuchung bietet die MRT-Diagnostik eine schnelle Klassifikationsmöglichkeit.

Die kernspintomografische Einteilung der Muskelverletzungen erfolgt angelehnt an die modifizierte Ekstrand-Klassifikation und korreliert mit der modifizierten klinischen Klassifikation der Münchner Arbeitsgruppe.

Ultrastrukturelle Veränderungen werden von der strukturellen Schädigung unterschieden.

Durch eine exakte Klassifikation lassen sich Therapie- und Rehabilitationszeiten sehr gut vorhersagen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Frieder Mauch M.A.

Sportklinik Stuttgart GmbH

Sektion Sporttraumatologie Obere
Extremität/ Kernspintomographie (MRT)

Taubenheimstraße 8

70372 Stuttgart

frieder.mauch@sportklinik-stuttgart.de

Literatur

1. Askling CM, Tengvar M, Saartok T, Thorstensson A: Acute first-time hamstring strains during high-speed running: a longitudinal study including clinical and magnetic resonance imaging findings. Am J Sports Med 2007; 35: 197–206

2. Askling CM, Tengvar M, Saartok T, Thorstensson A: Proximal hamstring strains of stretching type in different sports: injury situations, clinical and magnetic resonance imaging characteristics, and return to sport. Am J Sports Med 2008; 36: 1799–1804

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