Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015

Der perkutane Fixateur interne an der Wirbelsäule
Komplikationsrate eines neuen VerfahrensComplication results of a new technique

T. Weiß1, O. Gonschorek1, V. Bühren1

Zusammenfassung

Hintergrund: Die minimalinvasive Stabilisierung von Wirbelsäulenbrüchen setzt sich zunehmend durch. Insbesondere aufgrund der vermeintlich einfacheren Anwendbarkeit wird der Eingriff breitflächig durchgeführt. Die Komplikationsrate und insbesondere spezifische Komplikationen der „Hardware“ werden anhand unserer ersten 670 Anwendungen dargestellt.

Material und Methoden: Von 2010–14 wurden 670 Stabilisierungen an der WS in minimalinvasiver Technik durchgeführt, davon 118 zementaugmentiert. Komplikationen werden unterteilt in intraoperative, postoperative und implantatspezifische Komplikationen. Des Weiteren werden spezielle Komplikationen der neuen Technik sowie Komplikationen der Hardware beschrieben. Ein Vergleich wird mit der Komplikationsrate des offenen Vorgehens geführt (MCS-II-Studie der DGU ). Die Daten wurden prospektiv erfasst

Ergebnisse: Insgesamt traten 7 revisionspflichtige Infektionen auf. Alle 7 konnten saniert werden ohne ME. An implantatspezifischen Komplikationen kam es 5-mal zur Auswanderung/Lockerung der Madenschraube, 2-mal musste frühzeitig revidiert werden bei Repositionsverlust, einmal als Zufallsbefund vor ME. Insgesamt besteht somit eine Komplikationsrate von 2,1 % für postoperative Komplikationen (DGU MCS II: 9,4 %). Intraoperative Komplikationen wie Blutung, Schraubenfehllage und Konversion zum offenen Verfahren (MCS 2 7,7 %) wurden bei uns nicht mehr beobachtet.

Schlussfolgerung: Insgesamt ist die perkutane Frakturstabilisierung ein sehr sicheres Verfahren. Die Komplikationsrate ist im allgemeinen niedriger als im offenen Vorgehen. Spezifische Komplikationen des neuen Verfahrens müssen noch Beachtung finden und sind vor allem hardwarebedingt.

Schlüsselwörter: Wirbelkörperfraktur, perkutan, minimalinvasiv, Komplikationen, Infekt

Zitierweise
Weiß T, Gonschorek O, Bühren V. Der perkutane Fixateur interne an der Wirbelsäule – Komplikationsrate eines neuen Verfahrens.
OUP 2015; 04: 179–185 DOI 10.3238/oup.2015.0179–0185

Summary

Background: Minimally invasive stabilization techniques (MISS) are gaining importance in the treatment of spinal fractures. The purpose of this investigation was to evaluate the complication rate of this new procedure. Especially the complications of the hardware (screws and rods) will be illustrated.

Methods: In the years 2010–14 a total of 670 patients have been stabilized with MISS techniques in spinal fractures. In 118 patients of this collective we used cement augmentation of the screws in instable osteoporotic fractures. The complications have been divided in intraoperative, postoperative and implant-related complications. Data collection has been prospective. Especially complications and hardware problems of the new technique have been described. The results have been compared with the complications results in the open procedure technique of the MCS-2-study from the German Society of Trauma surgery (DGU).

Results: We found 7 patients with infection and operative revision. In no case it was necessary to remove the implant. In 5 patients we saw loosening of the set screws. In 2 cases there was a loss of reduction and gaining kyphosis, it was necessary to indicate an early revision. In one case it was an incidental finding. In total the complication rate of intra- and postoperative complications is 2.1 %. Compared to the study group, the rate in the open procedure is 9.4 %. Intraoperative bleeding and conversion to open procedure was not observed. There was no revision necessary because of mal positioning of a pedicle screw.

Conclusion: The percutaneous stabilization technique of spinal fractures is a safe procedure. In general the complication rate is less than in the open techniques. We found implant-related complications such as loosening of the set screws. This should be recognized and improved from the companies.

Keywords: Spinal fracture, complication, minimally invasive,
infection, percutaneous

Zitierweise
Weiß T, Gonschorek O, Bühren V. Percutaneous stabilization of spinal fractures. Complication results of a new technique
OUP 2015; 04: 179–185 DOI 10.3238/oup.2015.0179–0185

Einleitung

Die Entwicklung von minimalinvasiven Stabilisierungstechniken an der Wirbelsäule ist aus dem degenerativen Spektrum der Wirbelsäulenchirurgie entstanden. Insbesondere In-situ Instrumentierungen waren erfolgreich möglich.

Die Erstbeschreibung der perkutanen Platzierung von Pedikelschrauben erfolgte durch Magerl [10] im Jahre 1977. Hierbei handelte es sich ausschließlich um Instrumentierungen mit externen Fixateursystemen. Im Weiteren wurden interne Systeme zur perkutanen Einbringung entwickelt. Die Schwierigkeit bestand dabei noch in der perkutanen Einbringung des Längsträgers. Foley [3] entwickelte das Sextant-System mit einem Zielgerät zur einfacheren Längsträgerverankerung in einem Toploadersystem. Mit diesem wurden einige klinische Fallstudien mit den bekannten Vorteilen vor allem im degenerativen Bereich veröffentlicht [4, 6, 8, 14, 16, 19]. Im deutschsprachigen Raum präsentierte Grass im Jahre 2006 die Anwendung bei Frakturen im thorakolumbalen Übergang als vergleichende prospektive Studie offen vs. perkutaner Einbringung von Schanzschrauben [5]. Der Nachteil war hier noch eine inkomplette Wiederherstellung der physiologischen Wirbelsäulenkrümmung. Durch Prokop [15] wurde die perkutane Instrumentation mit dem polyaxialen Sextant-System bei Wirbelsäulenfrakturen 2009 beschrieben. Auch hier bestand die Einschränkung der Anwendbarkeit bei erheblichen Sinterungen mit der Notwendigkeit zur zusätzlichen Distraktion und Lordosierung. Die Reposition gelang dabei nur im ventralen Durchhang auf dem OP-Tisch.

Zusammenfassend zeigt die perkutane Instrumentierung der Wirbelsäule klare Vorteile angesichts der Wundheilungsphase, Denervierung und Fibrosierung der Muskulatur sowie der kurzfristigen Genesungsdauer. Ein Nachteil ist dabei die von o.g. Autoren angeführte mangelnde Möglichkeit zur adäquaten Reposition. Hierzu wurde bereits eine Studie bzgl. der Repositionsmöglichkeiten der perkutanen Fixateursysteme aus unserem Haus publiziert [18]. Ein Nachteil hat sich aus unserer Sicht gegenüber den offenen Systemen nicht ergeben. Die Reposition gelingt suffizient über die Lagerung, die Anwendung von monoaxialen Schrauben und Repositionstools. Ziel dieser Studie war es nun, die spezifischen Komplikationen des neuen OP-Verfahrens mit dem Goldstandard der offenen Techniken zu vergleichen.

Material und Methoden

Die perkutane Frakturstabilisierung wird in unserem Haus seit 2009 als Standardverfahren angewandt und prospektiv erfasst. Die Verteilung der Eingriffshäufigkeit zeigt Abbildung 1. Insgesamt wurden 670 Stabilisierungen durchgeführt. Zu beachten ist, dass die Eingriffshäufigkeit pro Jahr in unserer Klinik nicht angestiegen ist aufgrund des vermeintlich einfacheren Verfahrens. Unsere Daten widersprechen somit den Angaben der Krankenkassen, dass Wirbelsäuleneingriffe generell dramatisch ansteigen würden. Die Subpopulation der zementaugmentierten Verfahren nimmt jedoch prozentual zu, da die Anzahl der instabilen osteoporotischen Frakturen deutlich ansteigt.

Die Frakturen werden nach Magerl klassifiziert und die Indikation zur Stabilisierung nach üblichen Instabilitätskriterien gestellt. Seit 2009 wird auch eine intraoperative Schichtbildgebung durchgeführt. Die Erfassung der Daten erfolgte prospektiv.

Die OP-Technik zeichnet sich dadurch aus, dass über minimalinvasive („perkutane“) Inzisionen K-Drähte in die Pedikel gesetzt werden. Über diese wird das Weichteilgewebe dilatiert und die Pedikelschrauben eingedreht. Als vorteilhaft erweist sich das Anbohren der Pedikel, insbesondere beim jungen Knochen (Abb. 2). Im osteoporotischen Knochen reicht oft die Punktion der Pedikel über sog. Jamshidinadeln aus. Ein weiterer großer Vorteil ist die intraoperative Schichtbildgebung der Wirbelsäule mit Rekonstruktionen (Abb. 3). Hierdurch kann die exakte Lage der Drähte und Schrauben bereits intraoperativ kontrolliert werden. Eine spätere Revision bei Schraubenfehllage wird damit vermieden (Abb. 3). Über Hülsensysteme wird abschließend der Längsträger in Tunneltechnik eingeschoben.

Eine Reposition der Frakturfehlstellung geschieht über Lagerung, Anwendung von monoaxialen Schrauben und der Verwendung von sog. Repositionstools. Die Wirksamkeit wurde im Rahmen einer radiologischen Nachuntersuchung bewiesen [18]. Das perkutane Prinzip ist bzgl. des Repositionsergebnisses auf keinen Fall schlechter als im offenen Vorgehen. Voraussetzung sind immer monoaxiale Schrauben und spezielle Repositionstechniken, ggf. mit stabileren Längsträgern mit steiferen Materialeigenschaften (Chrom-Kobaltstäbe vs. Titan).

Komplikationen werden unterteilt in intraoperative, postoperative und implantatspezifische Komplikationen. Des Weiteren werden spezielle Komplikationen der neuen Technik sowie Komplikationen der Hardware beschrieben. Ein Vergleich wird mit der Komplikationsrate des offenen Vorgehens geführt (MCS-II-Studie der DGU).

Intraoperative
Komplikationen

Als Gefahrenquelle hat sich der K-Draht erwiesen. Insbesondere im osteoporotischen Knochen kann dieser sehr leicht die Wirbelkörpervorderkante durchbohren und die Gefäße gefährden. Es ist daher bei den Wechselmanövern sowie beim Gewindeschneiden und Eindrehen der Schrauben äußerste Sorgfalt zu gewährleisten.

Im Rahmen dieser Studie kam es zu keiner blutungsrelevanten Komplikation. Es ist jedoch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da die Perforation des Drahts oft unbemerkt bleibt (Abb. 4).

Als Segen hat sich die intraoperative Schichtbildgebung erwiesen. Insbesondere bei schwierigen anatomischen Verhältnissen im Bereich der mittleren und oberen BWS gibt die intraoperative Schnittbildgebung mehr Sicherheit. Der Vorteil liegt hier auch in der perkutanen Technik, da ein K-Draht mit Fehllage leichter zu korrigieren ist als eine bereits gesetzte Pedikelschraube. Aufgrund dieser Vorgehensweise ergab sich in diesem Patientengut keine revisionspflichtige Schraubenfehllage mehr.

Eine weitere Komplikation ist die Konversion zum offenen Vorgehen, bei z.B. ungenügender Frakturreposition, was von manchen Autoren propagiert wird. In unserem Patientengut fand keine Konversion mehr statt. Die Technik der Frakturreposition wie oben beschrieben und auch publiziert ist suffizient [18].

Weiterhin war auch keine Konversion bei massiver Blutung notwendig. Die Blutstillung geschieht in den meisten Fällen durch Einbringen der Hülsen und damit erreichter Gewebstamponade. Ein Sauger wird bei uns nicht mehr verwendet. Der Blutverlust ist minimal, was bereits in der Literatur beschrieben ist. Im Vergleich dazu war beim offenen Vorgehen im Mittel mit einem Blutverlust von ca. einem Liter zu rechnen. Bei der Notwendigkeit zur Laminektomie findet je nach Länge der Instrumentierung ein mini-open Zugang oder ein Mittellinienzugang mit lokalen Inzisionen der Faszie statt.

Ein besonderes Handling ist beim Einführen des Längsträgers zu beachten. Eine epifasziale Einbringung sowie das anschließende Herunterdrücken des Stabs führt zu Muskelnekrosen und kosmetischen Problemen. Hier wurde ein Fall in der Anfangszeit bekannt mit nachfolgender Wundheilungsstörung (Abb. 5–6). Auf die subfasziale Lage ist daher besonders zu achten.

Postoperative
Komplikationen

Die Hauptkomplikation ist der frühpostoperative Wundinfekt. Insgesamt musste in 7 Fällen eine lokale Revision durchgeführt werden. Alle Fälle konnten mit Belassen des Implantats zur Ausheilung gebracht werden. Einmal lag ein lokaler Aknebefall beim jugendlichen Patienten im Zugangsbereich vor. Dreimal handelte es sich um polytraumatisierte Patienten mit entsprechender Immunsupression.

Insgesamt beträgt die Infektrate 1,2 %, was im Literaturvergleich mit 2,6–3,8 % einen deutlichen Vorteil ergibt. Insgesamt ist es auch nachvollziehbar, dass eine geringere Traumatisierung des Gewebes weniger Infekte nach sich zieht. Weiterhin ist die verkürzte Operationszeit günstig für die Wundheilung. Als problematisch können sich zu knapp gewählte Hautinzisionen erweisen, da hier über die Hülsensysteme Drucknekrosen der Haut entstehen, welche wiederum zu Wundheilungsstörungen führen können (Abb. 7). Schwerwiegende Infektionsprobleme mit Entfernung der Implantate traten nicht auf. Insbesondere tiefe Infekte mit Osteomyelitis wurden nicht beobachtet, was beim offenen Vorgehen nach wie vor beobachtet werden kann.

Implantatspezifische
Komplikationen

Die wesentlichen Änderungen, die sich durch Einführung der perkutanen Fixateursysteme ergeben haben, sind die Verjüngung und Verschlankung der Implantate sowie veränderte Materialeigenschaften. Der Trend nach „low profile“-Implantaten hat dazu geführt, den Längsträger auf 5,5 mm zu verjüngen, um damit die polyaxialen Tulpenschrauben zu verkleinern. Die Stäbe sind meist aus Titanlegierungen, welche ganz unterschiedliche Materialeigenschaften aufweisen können. Eine Auswahl an unterschiedlichen Materialien für den Stab (Reintitan, Titanlegierung, Chrom-Kobalt) führt einerseits zu mehr Variabilität, andererseits aber auch zu Festigkeitsproblemen zwischen der Tulpe, des Stabs und der Setscrew (Madenschraube). In unserer Nachuntersuchung ergaben sich für diese Art der mechanischen Verblockung die meisten Komplikationen. Problematisch erweist sich auch ein nicht klar definiertes Drehmoment für das Eindrehen der Setscrew für Systeme, welche einen Überstand verwenden, der ab einem bestimmten Drehmoment abreißt. Bei Verkantung der Madenschraube ist somit auch ein zu frühes Abbrechen und somit eine ungenügende Verblockung hervorgerufen.

Es wurden insgesamt 5 Lockerungen der Setscrew beobachtet. Es traten 3 Frühlockerungen innerhalb der ersten Tage nach Operation auf. Es handelte sich hier um höhergradige Instabilitäten bei A3.3-Frakturen. Alle Patienten wurden additiv ventral stabilisiert. Diese sekundäre Rekonstruktion der ventralen Säule muss dann jedoch frühzeitig erfolgen; es kann nicht erst ein Ausheilungsversuch über 6–8 Wochen erfolgen (Abb. 8–10).

Weiterhin traten Lockerungen auch spät-sekundär auf, z.T als Zufallsbefund vor ME. Bei ausreichend stabiler Konsolidierung der ventralen Säule konnte jeweils die Metallentfernung erfolgen (Abb. 11).

Ein weiteres Problem stellt der Polyaxialmechanismus dar. Die gewohnte hohe Stabilität von offenen Systemen, die sich über Zähnchen arretieren (z.B. USS) ist durch die neueren perkutanen Systeme nicht mehr in dem Stabilitätsausmaß gewährleistet. Zumindest ergab sich in unserer Serie ein deutliches Nachgeben des Polyaxialmechanismus, insofern dieser nur durch Materialverformung über das Einpressen des Tulpenkopfs „winkelstabil“ wird (Abb. 12–13).

Eine erhöhte Stabilität wird eindeutig über monoaxiale Schrauben erreicht. Falls die Reposition nicht über die Lagerung erreicht werden kann und zusätzlich über das Instrumentarium reponiert werden muss, gelingt dies nur mit monoaxialen Schrauben bzw. über die Länge der Instrumentierung. Mit diesen „winkelstabilen“ Schrauben ist ein Repositionsverlust über das Instrumentarium nicht mehr zu erwarten.

Ein weiteres Hardwareproblem ist die Materialermüdung. Die aktuellen Titanlegierungen der 5,5-mm-Stäbe sind deutlich „weicher“ mit niedrigerem E-Modul. Eine Untersuchung in unserem Biomechaniklabor ergab eine Steifigkeit des 5,5 mm Chrom-Kobaltstabs, der in etwa der Steifigkeit des 6-mm-Titanstabs entspricht (Biegemodul 5,5 mm Stab: Titan 5,2 Nm2, Chrom-Kobalt 8,2 Nm2). Diese Ergebnisse haben dazu geführt, dass bei höheren Rückstellkräften nach Reposition ein Chrom-Kobaltstab verwendet wird. Der Standardstab ist der 5,5-mm-Titanstab, wobei die Hersteller unterschiedliche Titanlegierungen verwenden und somit auch unterschiedliche Materialeigenschaften resultieren. Eine generelle Empfehlung kann daher nicht ausgesprochen werden und es obliegt der Erfahrung des Operateurs, welches Stabilitätsausmaß er für erforderlich hält.

Im osteoporotischen Knochen ist ein etwas „weicherer“ Stab von Vorteil. Der einzige Stabbruch (Abb. 14) in dieser Studie trat beim Osteoporotiker auf. Interessant ist hier, dass die Schraubenverankerung im geschwächten Knochengerüst mit den Zementiertechniken ausreichend stabil war. Der Schwachpunkt war die Länge der Instrumentierung mit den entsprechenden Hebelkräften, die auf den Längsträger punktuell einwirkten.

In 3 Fällen kam es zum Pedikelschraubenbruch, einmal auch im osteoporotischen Knochen. In der Regel brechen die Schrauben im Pedikel, sodass die Schraubenspitze problemlos im Wirbelkörper belassen werden kann (Abb. 15).

Diskussion

Die Komplikationsrate bei Wirbelsäuleneingriffen ist sehr heterogen in der Literatur beschrieben. Interessant ist, dass bei Bandscheiben- und Stenoseneingriffen die häufigste Komplikation die Dekompression der falschen Höhe ist [21]. Dies ist im Rahmen der Frakturversorgung an der Wirbelsäule zu vermeiden, da der betroffene Wirbel meist eindeutig radiologisch zu erkennen ist. In dieser Studie traten hierzu keine Probleme auf.

Bezüglich der Infektionsrate schwanken die Angaben von 2,6–3,8 % [21]. In der Multicenterstudie von Reinhold et al. wird die Rate an Infektionen mit 1,4 % und die Rate an Wundheilungsstörungen wird mit 1,9 % angegeben. Insgesamt wird die Komplikationsrate beim dorsalen Eingriff mit 12,8 % angegeben (48/380). Operativ revidiert wurden immerhin 7,7 % (18/380).

Die Rate an Infektionen ist in unserer Untersuchung signifikant geringer mit 1,0 % (7/670). Sämtliche Infekte konnten mit einer Revision und mit Belassen des Implantats saniert werden. Es erscheint auch einleuchtend, dass sich bei geringerer Invasivität und verkürzter Operationszeit die Infektionsrate verringert. Insbesondere den älteren Patienten kommt dies zugute, bei steigender Instrumentierungshäufigkeit im geriatrischen Patientengut.

Ein revisionsbedürftiges Hämatom trat unter Plättchenhemmung nur einmal auf. Insbesondere der intraoperative Blutverlust ist deutlichst reduziert. In der MCS der DGU wird der Blutverlust mit 650 ml beim dorsalen Vorgehen angegeben (EK-Gabe bei 21,3 % !). In dieser Studie gibt es hierzu keine quantitativen Auswertungen, da Absaugsysteme nicht mehr zum Einsatz kommen. Der initiale Blutverlust wird über Kompressen abgetupft, nach Einbringen der Hülsensysteme tritt meist kein weiterer Blutverlust mehr auf. In der Regel werden keine Wunddrainagen mehr eingelegt.

Ein weiteres Komplikationsrisiko ist die Pedikelschraubenfehllage. Bei thorakalen Pedikelschrauben wird in der Literatur 5 % Revisionsrate angegeben [22]. Unsere Methodik mit intraoperativer Schnittbildgebung und der Möglichkeit, zunächst über K-Drähte die Schraubenlage anzuvisieren, zeigt überragende Vorteile. Für den Fall einer Abweichung des K-Drahts kann dieser intraoperativ korrigiert werden und so die optimale Schraubenlage anvisiert werden. Insbesondere im mittleren thorakalen Bereich mit den kleinsten Pedikeldurchmessern bzw. im oberen thorakalen Bereich bei mangelnder Strahlentransparenz zeigt dieses Vorgehen eindeutige Vorteile. Ein Zweiteingriff wegen Schraubenkorrektur war in diesem Patientengut nicht erforderlich. Weiterhin wurden keine neurologischen Komplikationen beobachtet.

Schlussfolgerung

Insgesamt ist die perkutane Frakturstabilisierung ein sehr sicheres Verfahren. Die Komplikationsrate ist im Allgemeinen niedriger als im offenen Vorgehen. Spezifische Komplikationen des neuen Verfahrens müssen noch Beachtung finden und sind vor allem hardwarebedingt.

Zusammenfassend zeigen die neuen Fixateursysteme andere Materialeigenschaften und sind im Vergleich zu offenen Systemen nicht so rigide, was im osteoporotischen Knochen andererseits auch Vorteile zeigen kann. Im gesunden Knochen empfehlen wir daher, die ventrale Abstützung sehr frühzeitig durchzuführen, um einem möglichen Korrekturverlust entgegenzuwirken. Eine 2-zeitige Versorgung mit einem Intervall von über 6 Wochen ist daher aus medizinischer Sicht sehr bedenklich. Aus wirtschaftlichen Gründen wird diese Vorgehensweise nach unserer Erfahrung jedoch sehr häufig praktiziert, weshalb die Kostenträger angehalten sind, hier Stellung zu nehmen..

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korresponenzadresse

Dr. Thomas Weiß

Abteilung Wirbelsäulenchirurgie/Unfallchirurgie

BG-Unfallklinik Murnau

Prof.-Küntscher-Straße 8

82418 Murnau

Thomas.Weiss@bgu-murnau.de

Literatur

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22 Zdichavsky M, Blauth M, Knop C et al. Accuracy of Pedicle Screw Placement in Thoracic Spine Fractures. Eur Spine J. 2013; 22: 495–502

Fussnoten

1 Abteilung Wirbelsäulenchirurgie/Unfallchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

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