Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015

Der perkutane Fixateur interne an der Wirbelsäule
Komplikationsrate eines neuen VerfahrensComplication results of a new technique

Es wurden insgesamt 5 Lockerungen der Setscrew beobachtet. Es traten 3 Frühlockerungen innerhalb der ersten Tage nach Operation auf. Es handelte sich hier um höhergradige Instabilitäten bei A3.3-Frakturen. Alle Patienten wurden additiv ventral stabilisiert. Diese sekundäre Rekonstruktion der ventralen Säule muss dann jedoch frühzeitig erfolgen; es kann nicht erst ein Ausheilungsversuch über 6–8 Wochen erfolgen (Abb. 8–10).

Weiterhin traten Lockerungen auch spät-sekundär auf, z.T als Zufallsbefund vor ME. Bei ausreichend stabiler Konsolidierung der ventralen Säule konnte jeweils die Metallentfernung erfolgen (Abb. 11).

Ein weiteres Problem stellt der Polyaxialmechanismus dar. Die gewohnte hohe Stabilität von offenen Systemen, die sich über Zähnchen arretieren (z.B. USS) ist durch die neueren perkutanen Systeme nicht mehr in dem Stabilitätsausmaß gewährleistet. Zumindest ergab sich in unserer Serie ein deutliches Nachgeben des Polyaxialmechanismus, insofern dieser nur durch Materialverformung über das Einpressen des Tulpenkopfs „winkelstabil“ wird (Abb. 12–13).

Eine erhöhte Stabilität wird eindeutig über monoaxiale Schrauben erreicht. Falls die Reposition nicht über die Lagerung erreicht werden kann und zusätzlich über das Instrumentarium reponiert werden muss, gelingt dies nur mit monoaxialen Schrauben bzw. über die Länge der Instrumentierung. Mit diesen „winkelstabilen“ Schrauben ist ein Repositionsverlust über das Instrumentarium nicht mehr zu erwarten.

Ein weiteres Hardwareproblem ist die Materialermüdung. Die aktuellen Titanlegierungen der 5,5-mm-Stäbe sind deutlich „weicher“ mit niedrigerem E-Modul. Eine Untersuchung in unserem Biomechaniklabor ergab eine Steifigkeit des 5,5 mm Chrom-Kobaltstabs, der in etwa der Steifigkeit des 6-mm-Titanstabs entspricht (Biegemodul 5,5 mm Stab: Titan 5,2 Nm2, Chrom-Kobalt 8,2 Nm2). Diese Ergebnisse haben dazu geführt, dass bei höheren Rückstellkräften nach Reposition ein Chrom-Kobaltstab verwendet wird. Der Standardstab ist der 5,5-mm-Titanstab, wobei die Hersteller unterschiedliche Titanlegierungen verwenden und somit auch unterschiedliche Materialeigenschaften resultieren. Eine generelle Empfehlung kann daher nicht ausgesprochen werden und es obliegt der Erfahrung des Operateurs, welches Stabilitätsausmaß er für erforderlich hält.

Im osteoporotischen Knochen ist ein etwas „weicherer“ Stab von Vorteil. Der einzige Stabbruch (Abb. 14) in dieser Studie trat beim Osteoporotiker auf. Interessant ist hier, dass die Schraubenverankerung im geschwächten Knochengerüst mit den Zementiertechniken ausreichend stabil war. Der Schwachpunkt war die Länge der Instrumentierung mit den entsprechenden Hebelkräften, die auf den Längsträger punktuell einwirkten.

In 3 Fällen kam es zum Pedikelschraubenbruch, einmal auch im osteoporotischen Knochen. In der Regel brechen die Schrauben im Pedikel, sodass die Schraubenspitze problemlos im Wirbelkörper belassen werden kann (Abb. 15).

Diskussion

Die Komplikationsrate bei Wirbelsäuleneingriffen ist sehr heterogen in der Literatur beschrieben. Interessant ist, dass bei Bandscheiben- und Stenoseneingriffen die häufigste Komplikation die Dekompression der falschen Höhe ist [21]. Dies ist im Rahmen der Frakturversorgung an der Wirbelsäule zu vermeiden, da der betroffene Wirbel meist eindeutig radiologisch zu erkennen ist. In dieser Studie traten hierzu keine Probleme auf.

Bezüglich der Infektionsrate schwanken die Angaben von 2,6–3,8 % [21]. In der Multicenterstudie von Reinhold et al. wird die Rate an Infektionen mit 1,4 % und die Rate an Wundheilungsstörungen wird mit 1,9 % angegeben. Insgesamt wird die Komplikationsrate beim dorsalen Eingriff mit 12,8 % angegeben (48/380). Operativ revidiert wurden immerhin 7,7 % (18/380).

Die Rate an Infektionen ist in unserer Untersuchung signifikant geringer mit 1,0 % (7/670). Sämtliche Infekte konnten mit einer Revision und mit Belassen des Implantats saniert werden. Es erscheint auch einleuchtend, dass sich bei geringerer Invasivität und verkürzter Operationszeit die Infektionsrate verringert. Insbesondere den älteren Patienten kommt dies zugute, bei steigender Instrumentierungshäufigkeit im geriatrischen Patientengut.

Ein revisionsbedürftiges Hämatom trat unter Plättchenhemmung nur einmal auf. Insbesondere der intraoperative Blutverlust ist deutlichst reduziert. In der MCS der DGU wird der Blutverlust mit 650 ml beim dorsalen Vorgehen angegeben (EK-Gabe bei 21,3 % !). In dieser Studie gibt es hierzu keine quantitativen Auswertungen, da Absaugsysteme nicht mehr zum Einsatz kommen. Der initiale Blutverlust wird über Kompressen abgetupft, nach Einbringen der Hülsensysteme tritt meist kein weiterer Blutverlust mehr auf. In der Regel werden keine Wunddrainagen mehr eingelegt.

Ein weiteres Komplikationsrisiko ist die Pedikelschraubenfehllage. Bei thorakalen Pedikelschrauben wird in der Literatur 5 % Revisionsrate angegeben [22]. Unsere Methodik mit intraoperativer Schnittbildgebung und der Möglichkeit, zunächst über K-Drähte die Schraubenlage anzuvisieren, zeigt überragende Vorteile. Für den Fall einer Abweichung des K-Drahts kann dieser intraoperativ korrigiert werden und so die optimale Schraubenlage anvisiert werden. Insbesondere im mittleren thorakalen Bereich mit den kleinsten Pedikeldurchmessern bzw. im oberen thorakalen Bereich bei mangelnder Strahlentransparenz zeigt dieses Vorgehen eindeutige Vorteile. Ein Zweiteingriff wegen Schraubenkorrektur war in diesem Patientengut nicht erforderlich. Weiterhin wurden keine neurologischen Komplikationen beobachtet.

Schlussfolgerung

Insgesamt ist die perkutane Frakturstabilisierung ein sehr sicheres Verfahren. Die Komplikationsrate ist im Allgemeinen niedriger als im offenen Vorgehen. Spezifische Komplikationen des neuen Verfahrens müssen noch Beachtung finden und sind vor allem hardwarebedingt.

Zusammenfassend zeigen die neuen Fixateursysteme andere Materialeigenschaften und sind im Vergleich zu offenen Systemen nicht so rigide, was im osteoporotischen Knochen andererseits auch Vorteile zeigen kann. Im gesunden Knochen empfehlen wir daher, die ventrale Abstützung sehr frühzeitig durchzuführen, um einem möglichen Korrekturverlust entgegenzuwirken. Eine 2-zeitige Versorgung mit einem Intervall von über 6 Wochen ist daher aus medizinischer Sicht sehr bedenklich. Aus wirtschaftlichen Gründen wird diese Vorgehensweise nach unserer Erfahrung jedoch sehr häufig praktiziert, weshalb die Kostenträger angehalten sind, hier Stellung zu nehmen..

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