Übersichtsarbeiten - OUP 04/2021

Diagnose und Therapie der axialen Spondyloarthritis

Bei der ankylosierenden Spondylitis kommen häufig extraartikuläre Manifestationen, insbesondere Uveitis, chronische entzündliche Darmerkrankung und Psoriasis vor (Tab. 1, modifiziert nach [31]). Zudem kommt es gehäuft zu Komorbiditäten, am häufigsten zu kardiovaskulären Erkrankungen sowie zu Osteopenie und Osteoporose.

Diagnostik

Anamnese

Das Hauptsymptom der axSpA, das sich bei 75 % der Betroffenen zuerst manifestiert, ist der chronische entzündliche Rückenschmerz. Er hält typischerweise länger als 3 Monate an, ist morgendlich betont und wird durch Bewegung gebessert [10]. Die gesamte Wirbelsäule kann betroffen sein, bevorzugt werden jedoch die sakroiliakalen Abschnitte und der Übergang Brust-/Lendenwirbelsäule.

Das gute Ansprechen auf eine NSAR-Therapie gehört als wichtiger anamnestischer Parameter zu den ASAS-Klassifikationskriterien (Abb. 1) und sollte erfragt werden [22]. Die extraartikulären Manifestationen (Tab. 1) sollten ebenso wie die Familienanamnese erfragt werden [31]. Anamnestisch erfassbare ungünstige Prognosefaktoren sind männliches Geschlecht, früher Krankheitsbeginn, lange Krankheitsdauer sowie Nikotinkonsum [15].

Mechanische Beanspruchung der SI-Gelenke wie z.B. durch eine zurückliegende Schwangerschaft, durch sportliche Aktivität oder durch ein Trauma sollten zur Differenzierung berücksichtigt werden.

Körperliche Untersuchung

Bei der klinischen Untersuchung dienen einige Verfahren der Erfassung des typischen entzündlichen Schmerzes der SI-Gelenke (z.B. Menell-Zeichen), während andere zur Evaluation der Wirbelsäulenbeweglichkeit, also der Erfassung fortgeschrittener Krankheitsstadien dienen (Wirbelsäulenexpansion nach Schober und Ott, Lateralbeweglichkeit der Wirbelsäule, Hinterhaupt-Wand-Abstand, Tragus-Wand-Abstand, Finger-Boden-Abstand, Thoraxexkursion). Zudem sind Haltungsveränderungen, die Beteiligung peripherer Gelenke und extraartikuläre Manifestationen zu untersuchen.

Diagnostische Messinstrumente

Der Einsatz diagnostischer Messinstrumente ist bei der Erstdiagnose und in der Verlaufskontrolle sinnvoll, um die Krankheitsaktivität numerisch zu erfassen. Etabliert sind folgende Instrumente:

Bath Ankylosing Spondylitis Disease Acitivity Index
(BASDAI)

Der BASDAI bezieht sich auf die Bewertung von Morgensteifigkeit, Müdigkeit, Schmerzen der Wirbelsäule und der peripheren Gelenke sowie der Sehnenansätze durch die Betroffenen. Er kann auf der visuellen Analogskala zwischen einem Wert von 0 (günstiger Wert) bis 10 (ungünstiger Wert) variieren. Wenn der BASDAI-Wert bei 4 oder höher liegt kann die Krankheitsaktivität als hoch bewertet werden [9]. In der Praxis wird der BASDAI traditionell als Messinstrument für die Krankheitsaktivität gegenüber dem ASDAS noch häufig bevorzugt.

Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index (BASFI)

Der BASFI beurteilt die Einschränkung der körperlichen Funktion. Anhand der numerischen Bewegungsskala (von 0 bis 10) werden 10 Alltagsverrichtungen subjektiv durch die Erkrankten eingeschätzt. Der BASFI gibt auf einer Skala von 0 (keine Beeinträchtigung) bis 10 (stärkste Beeinträchtigung) den Grad der Einschränkungen wieder [17].

Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS)

In den ASDAS fließen die serologische Entzündungswerte ein. Neben dem C-reaktiven Protein (CRP) bzw. der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) werden 4 Einschätzungen der Betroffenen erhoben. Die Krankheit wird als aktiv eingestuft, wenn der ASDAS-Wert > 1,3 ist. Bei einem ASDAS > 2,1 ist die Aktivität als hoch und > 3,5 als sehr hoch zu werten [22]. Prinzipiell ist der ASDAS das heute zu bevorzugende und von der ASAS empfohlene Messinstrument.

Labor

Serologie,
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Blutbild

Die Erkrankung zeigt trotz ausgeprägter lokaler Entzündung oft keine oder eine geringe serologische Entzündungsaktivität. Dies betrifft vor allem entzündliche Befunde des Achsenskeletts. Lediglich 40–60 % der Erkrankten weisen erhöhte CRP-Werte auf [23]. Umgekehrt sind aber erhöhte Entzündungsparameter als Prädiktoren für die Krankheitsaktivität anerkannt [22]. Betroffene mit erhöhten CRP-Werten weisen häufiger strukturelle Veränderungen der SI-Gelenke im konventionellen Röntgenbild auf als diejenigen mit normwertigem CRP [23].

Weitere Laborparameter, insbesondere Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, alkalische Phosphatase und Elektrolyte dienen der Differentialdiagnostik und der Therapieüberwachung.

Genetische Marker

Zur Diagnostik der axialen Spondyloarthritis wird die Bestimmung des HLA-B27 empfohlen. In der Gesamtgruppe der axialen Spondyloarthritiden sind 60–85 % der Erkrankten HLA-B27 positiv. HLA-B27 positive Betroffene erkranken früher, haben eine höhere Krankheitsaktivität und häufiger Komorbiditäten [8, 23]. Das genetische Merkmal kommt auch in der gesunden Normalbevölkerung vor, es ist bei etwa 8 % der westeuropäischen Bevölkerung nachweisbar [20].

Bildgebung

Die Bildgebung spielt eine zentrale Rolle bei der Diagnosestellung und beim Monitoring der Erkrankung. Für den Nachweis struktureller Veränderungen (Erosionen, Knochenneubildung, Ankylose) empfiehlt sich die konventionelle Radiographie, während das Ausmaß der aktiven Entzündung (Knochenödem bzw. Osteitis) in der Magnetresonanztomographie (MRT) am besten erkennbar ist.

Andere bildgebende Methoden, z.B. Skelettszinthigraphie und Computertomographie (CT), sind weniger spezifisch, bzw. bieten im Fall der CT eine weniger gute Darstellung intraossärer Vorgänge. Die Sonographie dient zur Beurteilung der entzündlichen Veränderungen peripherer Gelenke und Enthesen.

Röntgen

Das konventionelle Röntgen dient zur Unterscheidung zwischen nicht-radiologischer (nr-axSpA) Frühform und radiologisch manifester Form (axSpA). Schwerpunktmäßig treten diese Läsionen in den SI-Gelenken und in den (meist kaudal betonten) Wirbelsäulenabschnitten sowie den Hüftgelenken auf.

Die radiologische Stadieneinteilung der „Modifizierten New York-Kriterien“ von 1984 gibt eine Graduierung der röntgenologische Sakroiliitis von Grad 0 (normal) bis Grad 4 (totale Ankylose) vor. Einen Überblick gibt Abbildung 2, modifiziert nach [30]. Durch den verstärkten Einsatz der MRT hat sich Grad 0 insoweit relativiert, als eine nicht radiologisch manifeste Entzündungsaktivität im MRT bereits detektiert werden kann.

Röntgenaufnahmen der SI-Gelenke

Bei entzündlichem Rückenschmerz sollte eine Beckenübersichtsaufnahme anterior-posterior (a.-p.) erfolgen [11]. Hierbei werden auch die häufig ebenfalls betroffenen Hüftgelenke abgebildet, Zielaufnahmen der SI-Gelenke nach Barsony bzw. nach Ferguson ermöglicht nur die Darstellung der SI-Gelenke. Zur Graduierung des Befunds dienen die modifizierten New York-Klassifikationskriterien [30] (Abb. 1).

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