Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Die Arthroskopie – Operationsroutine versus Routinefehler

Beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen MDK haben in 2014 ca. 12.000 Versicherte um Überprüfung ihrer Behandlung nachgesucht. Wie viele dieser Fälle dann tatsächlich bei den Gerichten oder den Gutachterkommissionen weiterverfolgt wurden, ist nicht bekannt.

Die Zahl der Fälle, die von Versicherern direkt und unbürokratisch direkt reguliert wurden, ist ebenfalls nicht bekannt. Es werden erhebliche Schnittmengen vermutet, da Anfragen bei den Kassen häufig bei den GAK oder bei den Gerichten weiter verfolgt werden. Dazu werden Entscheidungen der GAK zum geringen Teil bei Gericht weiter verfolgt.

Geschätzt werden 40.000 bis 50.000 Verfahren pro Jahr in Deutschland aufgenommen. Die Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums fällt deutlich höher aus, nämlich zwischen 40.000 und 170.000 in 2014. Zu hinterfragen ist allerdings, wie solide eine solche Schätzung ist, die eine Streuung von 1 zu 4-fach beinhaltet.

Bei der Gutachterkommission Nordrhein sind in den zurückliegenden 6 Jahren von 2010 bis 2015 insgesamt 9380 Verfahren durchgeführt worden (Tab. 1), 69,5 % der Verfahren betrafen die Kliniken, 30,5 % der Verfahren betrafen Praxen und MVZ.

Von den insgesamt 9.380 Verfahren bezogen sich:

309 auf eine Knie Arthroskopie bei insgesamt 2925 Fällen in der Orthopädie und Unfallchirurgie, was einem Anteil von 10,6 % entspricht.

90-mal wurde ein Fehler bestätigt, entsprechend einer Anerkennungsquote von 29,1 %.

140 Meniskusläsionen wurden verhandelt. Die Fehlerquote betrug 20,7 %.

85 Verfahren bezogen sich auf eine vordere Kreuzbandplastik.

42-mal wurde ein Fehler festgestellt entsprechend einer hohen Fehlerquote von 49,4 %.

Weiteren Verfahren lagen 84 andere Diagnosen zugrunde, wie z.B. Arthrose, Arthrofibrose, Patella Läsion, OD, Freie Gelenkkörper u.a.

19-mal wurde ein Fehler gesehen, entsprechend einer Fehlerquote von 22,6 %.

Diskussion und Würdigung

Auffällig und gleichzeitig erschreckend ist die hohe Fehlerquote bei der Kreuzbandplastik, die als Routineeingriff vielerorts durchgeführt wird. Es handelt sich um eine technisch anspruchsvolle Operation, in deren Verlauf vor allem die topografisch-anatomische Orientierung häufig zu Fehleinschätzungen führt. Die Folgen sind dann Fehlpositionierungen des Transplantats mit folgendem Transplantatversagen. Der Leidensweg der Patienten ist immer über eine lange Zeit nachzuverfolgen mit Resektion des Transplantats, knöchernem Aufbau und schließlich dem Neueinzug einer Kreuzbandplastik.

Weitere Fehler zeigen sich im Belassen pathologischer Befunde, z.B. freier Gelenkkörper oder eines Meniskus Fragments, Übersehen eines pathologischen Befunds, z.B. einer Kreuzbandruptur, der Fehlpositionierung von Implantaten und Bohrkanälen, unzureichender Blutstillung, fehlender Bilddokumentation wichtiger Befunde und Dokumentationsmängel im standardisierten, nicht individualisierten Operationsberichten.

Auch prä- und postoperativ sind Fehler zu beklagen, wie die unzureichende Auswertung der Vordiagnostik im MRT, einer verspäteten Indikationsstellung, einer fehlenden Thromboseprophylaxe oder dem Verkennen einer Thrombose, einer unzureichenden Information, Sicherungsaufklärung oder Risikoaufklärung, einem Verkennen von Komplikationen wie einer Nachblutung, einer Infektion, einer Thrombose und der allfällige Dokumentationsmangel gerade bei Besonderheiten im Heilverlauf.

Schlussfolgerung

Eine Indikation zu einer ausschließlich diagnostischen Arthroskopie gibt es in Konkurrenz zu nichtinvasiven Verfahren nicht mehr. Gerade die präoperative Befunderhebung muss soweit vervollständigt werden, dass die Indikation zur arthroskopischen Operation sicher gestellt werden kann. Laut Beschluss des G-BA sind seit dem 01. April 2016 das „Trimming“, die „Lavage“, die „Knorpelabrasio“ im arthrotischen Kniegelenk keine OP-Methoden mehr, die von der GKV erstattet werden. Eine Indikation zu einer Vor-Operation bei geplanter VKB-Plastik gibt es nur in Ausnahmefällen, die gesondert begründet werden müssen.

Die Isometrie-Punkte bei der Kreuzbandplastik müssen sorgfältig und exakt bestimmt werden. Andernfalls ist mit einem Versagen der Plastik zu rechnen. Gleiches gilt für die Verwendung der Fixations-Materialien, seien es Interferenz-Schrauben, Transfix-Stifte, Cross Pins oder Tightrope und Endobutton.

Gerade bei einem offensichtlich pathologischen Befund müssen weitere Begleitverletzungen ausgeschlossen werden. Die Osteochondrosis dissecans kann schwierig zu erkennen sein, wenn sie sich unter „intaktem“ Knorpel verbirgt.

Im präoperativen Aufklärungsgespräch ist es wichtig, auf Behandlungsalternativen hinzuweisen, sofern sie ähnliche Ergebnisse bei gleichwertigem Risiko erwarten lassen. Die Aufklärung muss mündlich erfolgen. Dass ein solches Gespräch stattgefunden hat, muss jedoch seinerseits dokumentiert werden. Hilfreich ist es, wesentliche Punkte des Gesprächsinhalts aufzulisten.

Hygiene-Standards müssen dokumentiert sein, meist im Hygieneplan und in der Sterilisationsdokumentation.

Die Zweitmeinung wird bei Wahleingriffen in der Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Dem Patienten ist die Einholung derselben vorzuschlagen und auch dieser Punkt muss wiederum dokumentiert werden.

Fehler sind schmerzfrei, wenn sie entstehen.

Fehler sind schmerzhaft, sobald sie erkannt werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Michael Roesgen

Silcher Straße 10

40593 Düsseldorf

dr.m.roesgen@gmx.de

Literaturverzeichnis beim Verfasser

SEITE: 1 | 2