Übersichtsarbeiten - OUP 01/2020

Die distale Radiusfraktur

Da stets die Gefahr der sekundären Dislokation besteht, sind insbesondere nach stattgehabter Reposition regelmäßige Röntgenkontrollen erforderlich, wobei vielerorts die „4711-Regel“ befolgt wird, also Röntgenkontrollen nach 4, 7 und 11 Tagen erfolgen. Bei kindlichen Wulstfrakturen kann nach 3 Wochen, so kein Druckschmerz mehr besteht, ohne erneute Röntgenkontrolle die Ruhigstellung aufgehoben werden.

Arora und Mitarbeiter konnten zeigen, dass kein signifikanter Unterschied nach konservativer bzw. operativer Versorgung einer instabilen distalen Radiusfraktur mittels palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese bzgl. des klinischen Ergebnisses bei Patienten über 65 Jahre besteht [2]. Andererseits lässt sich nie vorhersagen, ob eine verbleibende Fehlstellung des distalen Radius zu Beschwerden führt oder nicht. Beides muss man älteren Patienten darlegen und dass es sehr wohl möglich ist, auch im fortgeschrittenen Alter mit gutem Erfolg fehlverheilte Radiusfrakturen zu korrigieren [24]. Fällt die Entscheidung zur konservativen Therapie, sollte man auf eine Reposition verzichten, kommt es doch rasch wieder zum Kollaps und dies oft mit einer stärkeren Fehlstellung als primär.

Operative Behandlung

Die palmare winkelstabile Plattenosteosynthese ist zweifelsohne die bevorzugte Behandlung operationspflichtiger distaler Radiusfrakturen und dies auch und gerade für Extensionsfrakturen [22]. Bevorzugter Zugang ist der Henry-Zugang zwischen Arteria radialis und der Sehne des Musculus flexor carpi radialis (FCR), wobei eine Tendenz zu kurzen Inzisionen und Erhalt bzw. Refixation des Musculus pronator quadratus besteht, auch wenn klinisch hierfür bis dato kein Vorteil nachgewiesen werden konnte. Zur Versorgung veralteter Extensionsfrakturen mit beginnender Kallusbildung streckseitig hat sich uns der erweiterte FCR-Zugang bewährt. Nach Ablösen sämtlicher Weichteile, inklusive des dorsalen Periosts vom Radius, wird dabei der Schaft des Radius proximal der Fraktur proniert und dadurch vom Gelenkblock gelöst und gibt somit den Zugang nach dorsal frei, sodass der Kallus hier entfernt werden und dann die Reposition des Gelenkblockes erfolgen kann. Frakturen der ulno-palmaren Ecke des Radius, insbesondere wenn das Fragment sehr klein ist und die Fraktur distal der Watershed-Line liegt, sind weder gut vom Henry-Zugang aus darzustellen, noch mittels herkömmlicher Platten gut zu fixieren. Von einigen Firmen werden für diese Frakturen spezielle Platten bzw. Plattenextensionen angeboten. Wir bevorzugen zur Fixation dieser Frakturen einen erweiterten Karpaltunnelzugang und eine Zuggurtungsosteosynthese, insbesondere wenn das Fragment Richtung Karpus aufgerichtet und disloziert ist.

Palmare Platten können die Beugesehnen irritieren. Bei ihrer Platzierung ist darauf zu achten, dass sie möglichst nicht die Watershed-Line überragen. Durch dorsal die Kortikalis überragende Schrauben kann es zu Strecksehnenrupturen, insbesondere der langen Daumenstrecksehne kommen. Gelenknahe ist es vollkommen ausreichend, wenn die Schraubenlänge ¾ des dorso-palmaren Durchmessers des Radius entspricht.

Auch wenn sich die große Mehrheit distaler Radiusfrakturen von der Beugeseite aus versorgen lässt, bedarf es bei dorsalen Frakturen mit intakter palmarer Kortikalis eines dorsalen Zugangs. Liegt eine Gelenkfraktur vor, eröffnen wir das Radiokarpalgelenk unter Schonung der Bandansätze. Zur Stabilisation hat sich die Anordnung von zwei dünnen Platten im Winkel von ca. 60° zueinander, platziert zwischen dem ersten und zweiten sowie vierten und fünften Strecksehnenfach, bewährt [26]. Gelegentlich ist es allerdings günstiger, die radiale Platte streng radial unter den Sehnen des ersten Strecksehnenfaches zu platzieren. Die lange Daumenstrecksehne verlagern wir am Ende der Operation beim dorsalen Zugang stets subkutan.

Bei den zentralen Luxationsfrakturen, in der Regel einhergehend mit gleichzeitiger Zertrümmerung der palmaren und dorsalen Kortikalis, ist oft ein Zugang von palmar und dorsal erforderlich. Wir beginnen den Eingriff auf der Beugeseite, lässt sich hier die Länge des Radius durch Verzahnung der dicken Kortikalis exakter herstellen als auf der Streckseite. Gelenknahe empfiehlt es sich, kurze Schrauben einzubringen, die lediglich die palmare Kortikalis fassen. Dies erlaubt beim Zugang von dorsal, die streckseitigen und insbesondere die Gelenkfragmente ungehindert zu reponieren. Während aufgrund der winkelstabilen Fixierung es bei den allermeisten Frakturen keiner Spongiosaplastik oder der Verwendung von Knochenersatzmaterial bedarf, ist es oft nötig, die subchondrale Knochenhöhle nach Anheben des in die Metaphyse impaktierten zentralen Gelenkfragmentes aufzufüllen und das auf Gelenkniveau angehobene Fragment zu unterfüttern. Sind palmare und dorsale Kortikalis metaphysär so zertrümmert, dass auch durch eine kombiniert palmare und dorsale Plattenosteosynthese keine sichere Stabilität gewährleistet ist, empfiehlt sich das Anbringen einer, das Handgelenk überbrückenden Platte. Distal kann diese am Metakarpale II oder III fixiert werden, proximal wird sie an der Radiusdiaphyse befestigt.

Auch wenn sich die arthroskopisch unterstützte Versorgung von Gelenkfrakturen punkto Beurteilung der Gelenkkongruenz der Versorgung unter alleiniger Röntgendurchleuchtung gegenüber als überlegen zeigt, konnte bis dato im Hinblick auf das klinische Ergebnis keine Überlegenheit nachgewiesen werden. Die zusätzliche Handgelenksarthroskopie bietet jedoch die Möglichkeit, mögliche Begleitverletzungen wie Rupturen des skapholunären Bandes und des TFCC abzuklären, so dies nicht im Vorfeld mittels Arthro-CT geschehen ist. Die Handgelenksspiegelung kann, so sie lediglich zum Ausschluss bzw. zur Sicherung von Begleitverletzungen erfolgt, sowohl von dorsal als auch von palmar mit Zugang zwischen der A. radialis und dem FCR durchgeführt werden. Vorteilhafterweise erfolgt sie in diesen Fällen nach Fixation des Radius, lässt sich dabei dokumentieren, dass keine intraartikuläre Schraubenfehllage vorliegt.

Ausbehandlungen im Fixateur externe sind selten geworden. Es ist jedoch angebracht, bei starker Schwellung primär einen Fixateur externe anzulegen und nach Abschwellen auf eine interne Stabilisation zu wechseln.

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