Übersichtsarbeiten - OUP 01/2020

Die distale Radiusfraktur

Untersuchungen mit speziellem Fokus auf Komplikationen nach distalen Radiusfrakturen berichten von Komplikationsraten zwischen 6 und 80 % [20]. McKay und Mitarbeiter konnten 236 von 250 von ihnen behandelte Patienten mit distaler Radiusfraktur nachuntersuchen und fanden eine Komplikationsrate aus ärztlicher Sicht von 27 % (85 Komplikationen). 73,4 % der betroffenen 64 Patienten hatten eine, 20,3 % zwei und 6,3 % drei Komplikationen. Die Komplikationsrate korrelierte mit der Komplexizität der Versorgung, woraus zu schließen ist, dass sie auch mit der Schwere der Frakturen korrelierte. So wiesen Brüche, die einer alleinigen Ruhigstellung im Gipsverband bedurften, eine Komplikationsrate von 17 % auf, solche, die einer offenen Reposition und kombinierten internen und externen Stabilisation sowie Spongiosaplastik bedurften, eine Rate von 60 %. Im Gegensatz zur Komplikationsrate von 27 % aus ärztlicher Sicht, betrug die Komplikationsrate aus Patientensicht lediglich 21 %, wobei nur 7 % der betroffenen Patienten 2 Komplikationen beklagten und 93 % eine.

Die Analyse der PearlDiver-Datenbank mit über 1 Million distaler Radiusfrakturen, behandelt zwischen 2005 und 2014, ergab eine Gesamtkomplikationsrate von 8,3 % [3]. Mit 9,4 % war die Komplikationsrate bei operativer Therapie prozentual deutlich höher als bei konservativer mit 5,4 %. Alle Komplikationen – Pseudarthrosen, Infektionen, Sehnenrupturen, Kontrakturen, mechanische Probleme, komplexes regionales Schmerzsyndrom – bis auf die Ausheilung in Fehlstellung wurden nach operativer Behandlung signifikant häufiger beobachtet als nach nicht-operativer Behandlung. Nach Plattenosteosynthesen kam es in 2,73 % zu nicht weiter beschriebenen mechanischen Komplikationen durch die Platte, in 2,14 % zu tiefen und oberflächlichen Infektionen, in 0,96 % zu Kontrakturen, in 0,78 % zu einer Ausheilung der Fraktur in Fehlstellung und in 0,55 % zu Sehnenrupturen. Überraschend ist der Prozentsatz von 1,33 % ausgebliebener knöcherner Heilung nach Plattenosteosynthese. Auch wenn die Rate an Sehnenrupturen nach Plattenosteosynthesen mit 0,55 % nicht sehr hoch ist, so ist sie doch mehr als dreimal höher als nach konservativer Behandlung mit 0,16 %.

Während nach konservativer Behandlung fast ausnahmslos Rupturen der langen Daumenstrecksehne beobachtet werden, kommt es nach palmaren Plattenosteosynthesen sowohl zu Beuge- als auch Strecksehnenrupturen. Ursache für letztere sind dorsal überstehende Schrauben. Die Gefahr einer Beugesehnenruptur, betroffen ist vor allem die lange Daumenbeugesehne, aber auch tiefe und oberflächliche Fingerbeugesehnen sowie die FCR-Sehne, steigt, je weiter eine palmare Platte beugeseits der Watershedline positioniert ist [29]. Neuerdings gibt es palmare Platten mit einer rinnenförmigen Aussparung gelenknahe, sodass die lange Daumenbeugesehne durch diese Aussparung läuft und nicht mehr über die Plattenkante.

Ergebnisse

Die Ergebnisse nach distalen Radiusfrakturen im Kindesalter sind nahezu ausnahmslos sehr gut bis gut und dies unabhängig davon, ob Fehlstellung durch geschlossene Reposition korrigiert werden oder nicht. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Reposition gilt es, entsprechend in erster Linie die noch vorhandene Remodellingkapazität zu berücksichtigen und weniger das Ausmaß der Fehlstellung, wobei Flexionsfrakturen schlechter korrigieren als Extensionsfrakturen.

Mehrere randomisierte Studien verglichen die Ergebnisse der Versorgung distaler Radiusfrakturen im Erwachsenenalter mittels winkelstabiler palmarer Plattenosteosynthese versus perkutaner K-Drahtspickung. Obwohl diese Studien erst in den letzten Jahren erfolgten, wurden leider in alle auch Patienten im höheren Lebensalter eingeschlossen, obwohl seit der Arbeit von Arora und Mitarbeiter bekannt ist, dass im höheren Lebensalter verbliebene Fehlstellungen oft gut toleriert werden. Eine Metaanalyse dieser Studien ergab, dass Patienten nach palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese 3 und 12 Monate postoperativ funktionell gering bessere Ergebnisse hatten gegenüber den Patienten mit K-Drahtspickung, wie der DASH-Score zeigte [8]. Der Unterschied war jedoch so gering, dass er nicht als klinisch relevant bewertet wurde. Auch hatten Patienten mit Plattenosteosynthese nach 3, jedoch nicht mehr nach 6 Monaten eine etwas bessere Flexion des Handgelenkes und eine bessere Supination. Die radiologischen Ergebnisse waren identisch. Patienten mit K-Drahtspickung wiesen eine höhere Rate an oberflächlichen Infekten auf.

Ergab die größte dieser Studien unter Verwendung des PRWE bereits weder nach 3, 6 und 12 Monaten klinisch relevante Unterschiede zwischen den zwei Behandlungsgruppen, so konnte in einer jüngst veröffentlichten Folgeuntersuchung nach 5 Jahren ebenfalls keine Unterschiede punkto Schmerzen, Handgelenksfunktion und Lebensqualität gefunden werden [11].

Mehrere Studien zeigten zwar radiologisch bessere Ergebnisse nach operativer, insbesondere plattenosteosynthetischer Versorgung distaler Radiusfrakturen bei Patienten über 65 Jahren im Vergleich zur konservativen Behandlung, ergaben jedoch trotz verbliebener Fehlstellungen keine wesentlichen funktionellen Unterschiede [2]. Jüngst wurde sogar in Frage gestellt, ob ältere Patienten von einer unter Anleitung durchgeführten krankengymnastischen Übungsbehandlung profitieren [9].

Auch wenn es bisher nicht gelungen ist zu zeigen, dass die aufwendige und kostenintensive plattenosteosynthetische Versorgung distaler Radiusfrakturen anderen Versorgungsmodalitäten punkto klinischem Ergebnis überlegen ist, sehen wir rückblickend auf mehr als 30 Jahre Behandlung distaler Radiusfrakturen und all den Wandel in dieser Zeit, Vorteile der Plattenosteosynthese. So kehren Berufstätige schneller in ihren Beruf zurück. Die Zahl an extraartikulären Radiuskorrekturosteotomien ist im eigenen Krankengut ebenso wie das Auftreten eines chronisch regionalen Schmerzsyndromes und sonstige Komplikationen durch K-Drähte deutlich rückläufig. Auch wenn es dies noch zu belegen gilt, ist es unser Eindruck, dass gerade Patienten mit komplexen intraartikulären Radiusfrakturen vom Typ C2 und mehr noch vom Typ C3 nach AO-Klassifikationen sowie Patienten mit Begleitverletzung von Plattenosteosynthesen profitieren.

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