Übersichtsarbeiten - OUP 01/2023

Die lumbale Spinalkanalstenose – ein Überblick
Diagnostik und Therapieoptionen

Hat man Zweifel an der Eindeutigkeit der Diagnose oder stimmen
klinische und radiologische Befunde nicht überein, so ist zu empfehlen, von einer Operation abzusehen. Kontraindikation wie zu hohes Narkoserisiko oder psychosoziale Auffälligkeiten wie Depressionen, sollten kritisch betrachtet werden. Studien zeigen, dass eine Depression ein negativer Prediktor für ein schlechteres postoperatives Ergebnis ist [30, 31], jedoch Patientinnen und Patienten mit nur geringer psychosozialer Belastung ebenfalls von einer Operation profitieren [47].

Wenn die Indikation zur Operation gestellt wurde, muss zugleich entschieden werden, welches Verfahren das geeignete für die Patientin/den
Patienten ist [48].

Häufig sind mehrere Etagen der Lendenwirbelsäule betroffen. Zudem unterscheidet man, ob eher die zentralen Anteile oder die lateralen Anteile (Rezessus) verengt sind. Sollte zusätzlich das Neuroforamen knöchern verengt sein, könnte eine entsprechende Dekompression zu einer Instabilität führen.

Wenn schon eine Instabilität vorliegt, darf man diese durch die Operation nicht verschlechtern. Wenn sich eine Olisthese im seitlichen Nativröntgenbild zeigt und diese im liegenden MRT reponiert ist, sollte das Bewegungssegment als instabil bezeichnet werden.

Dekompression

Liegt keine Instabilität vor, gibt es mehrere Möglichkeiten der reinen Dekompression. In der Regel wird diese heutzutage mikrochirurgisch oder auch endoskopisch durchgeführt.

Man unterscheidet die Laminektomie, die Hemilaminektomie, die uni- oder bilaterale Hemilaminotomie und die Hemilaminotomie in „over-the-top“-Technik. Ziel aller Techniken ist die Dekompression der Dura und Nervenwurzeln.

Bei der Laminektomie wird die komplette Lamina entfernt und somit auch die dorsalen Zuggurtungen (supra- und intraspinöse Bänder), was zu einer vermehrten Instabilität führen kann. Bei der Hemilaminektomie bleiben diese Strukturen intakt. Bei der Hemilaminotomie, welche uni- oder bilateral durchgeführt werden kann, werden die Anteile zweier benachbarter Hemilaminae entfernt, die Lamina also nur teilweise entfernt.

In der „over-the-top“-Technik oder auch „undercutting“ wird durch Kippen des OP-Tisches und des Mikroskops weg vom Operateur die Dekompression der Gegenseite über einen unilateralen Zugang erreicht. Vorteilig sind dabei das geringere Weichteiltrauma und die verbesserte Stabilität, jedoch kann dies auch zu einer ungenügenden Dekompression der Gegenseite führen.

Die wenigen Studien, die aufgrund der unterschiedlichen Ausführung einzelner Techniken schwierig vergleichbar sind, zeigen keinen Unterschied im Ergebnis der jeweiligen Techniken.

Stabilisierung

Beim Vorliegen einer Instabilität oder Deformität sollte zusätzlich zur Dekompression eine Fusion durchgeführt werden. Klinische und radiologische Parameter, die auf eine mobile Olisthese hinweisen können und daher eine Fusion in Ergänzung zur Dekompression rechtfertigen können, sind eine Mobilität in den Funktionsaufnahmen von mehr als 3 mm, im Vordergrund stehende Rückenschmerzen, auch bei axialer Belastung und positives Ansprechen auf Facettenblockaden. Ein sichtbarer Erguss oder subluxierte Facettengelenke in der MRT sprechen ebenfalls für das Vorliegen einer Instabilität und gegen eine reine Dekompression.

Die Stabilisierungsoperationen (Spondylodese) werden heute hauptsächlich mit Hilfe von Pedikelschrauben gestützte Schrauben-Stab-Systemen durchgeführt. Zur besseren Fusion und Herstellung der sagittalen
Balance sollte auch die Verwendung eines interkorporellen Cages erfolgen. Meist bietet sich bei schon eröffnetem Spinalkanals das Einbringen als PLIF (posteriore lumbale interkorporelle Fusion) oder als TLIF (transforaminale lumbale interkorporelle Fusion) an, jedoch ist auch ein ALIF (anteriore lumbale interkorporelle Fusion) von ventral eine sehr gute Möglichkeit. Durch das Einbringen des Cages wird die Segmenthöhe wiederhergestellt und die Neuroforamina somit erweitert, die interkorporelle Fusion verbessert und eine Relordosierung erreicht.

Dynamische oder semirigide Verfahren werden in der Literatur zunehmend kritisch gesehen und haben sich der Fusion als nicht überlegen gezeigt. Dank der geringeren OP-Zeit und des geringeren Blutverlusts zeigen sie jedoch eine geringere Morbidität [49].

Ein Nutzen der als „interspinösen Spreizer“ bekannten Implantate, die eine lokale Kyphosierung zum Ziel haben, kann in der Literatur nicht oder nur für 1–2 Jahre belegt werden [50]. Da dieses Verfahren ohne Dekompression auch in Lokalanästhesie durchgeführt werden kann, sollte die Indikation zur Verwendung nur bei nicht narkosefähigen Patientinnen und Patienten mit ausgeprägten Beschwerden diskutiert werden.

Zusammenfassung

Definiert ist die LSS als Reduktion des Durchmessers des Spinalkanals im MRT. Die LSS entsteht durch die Degeneration der Wirbelsäulenabschnitte durch Höhenminderung der Bandscheibenfächer, Hypertrophie der Facettengelenke sowie des Ligamentum flavums. Da diese degenerativen Prozesse mit dem Alter zunehmen und auch die Gesellschaftsstruktur immer älter wird, hat sich die LSS zu einer der häufigsten wirbelsäulenchirurgischen Diagnosen entwickelt. Typisch für die LSS sind belastungsabhängige Beinschmerzen im Sinne der typischen Claudicatio spinalis. Die MRT ist der Goldstandard zum Nachweis einer Spinalkanalstenose, jedoch muss der Stellenwert der nativen Röntgenbilder im Stehen gerade hinsichtlich einer Instabilität beachtet werden. Nach Ausschöpfen der konservativen Maßnahmen, stehen eine Vielzahl von operativen Möglichkeiten zur Verfügung. Entscheidend für den Erfolg der Operation ist die richtige Indikation. Perspektivisch ist die frühzeitige Erfassung der LSS hinsichtlich somatischer sowie auch chronischer und psychosozialer Komponenten wichtig, um eine situationsgerechte Therapie frühzeitig einleiten zu können und einheitliche Therapiestandards zu definieren.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Achim Benditz, MHBA

Klinikum Fichtelgebirge

Schillerhain 1–8

95615 Marktredwitz

info@professor-benditz.de

Fragen zum CME-Artikel:

1. Was ist die häufigste
Ursache für die Entstehung einer lumbalen Spinalkanalstenose?

degenerativ

tumorös

kongenital

entzündlich

traumatisch

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