Originalarbeiten - OUP 09/2013

Die rheumaorthopädische
Behandlung der Hand
Orthopedic treatment of the rheumatoid deformed hand

S. Mai1, B. Mai1

Zusammenfassung

Die Therapie der Rheumatoiden Arthritis erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Nur bei optimaler medikamentöser Einstellung und im Zusammenwirken von Internist, Hausarzt, Rheumaorthopäde, Physiotherapeut und Ergotherapeut führt die Behandlung zum gewünschten Erfolg. Bei der operativen Therapie wird zwischen präventiven, dringlichen und rekonstruktiven Eingriffen unterschieden. Die Planung sollte den individuellen Krankheitsverlauf, Komorbiditäten,
Beruf, Hobby, Alter, funktionelle Bedürfnisse, Dominanz der Hand, Zustand der Nachbargelenke und der kontralateralen Extremität beachten. Auch sollte die Operation bevorzugt durch einen speziell dafür ausgebildeten Chirurgen oder Orthopäden erfolgen. Frühstmögliche Einbindung des Patienten in das oben beschriebene Team kann schwere Deformitäten vermeiden, die Lebensqualität verbessern und dem Patienten über lange Zeit seine Selbstständigkeit erhalten.

Schlüsselwörter: Rheuma-Orthopädie, Handchirurgie, Rheumatoide Arthritis, RegJoint

 

Zitierweise

Mai S, Mai B: Die rheumaorthopädische Behandlung der Hand. OUP 2013; 9: 400–404. DOI 10.3238/oup.2013.0400–0404

Abstract

Therapy of the rheumatoid arthritis needs interdisciplinary treatment together with the family doctor, internal specialist, rheumatologist, orthopedic surgeon, physiotherapist and ergotherapist to achieve an optimal result. Surgery distinguishes between preventing, urgent and reconstructive
operations. Planning should be done considering the individual progress of the disease, co-morbidities, profession, hobbies, age, functional needs, dominance of the hand, situation of the neighbouring joints and the contra lateral extremity. The operation should preferably be performed by an especially trained orthopedic surgeon. Early integration of the patient into such a team can avoid severe deformations, improve quality of life and preserve the patient´s independence over a longer period.

Keywords: orthopedic rheumatology, hand surgery, rheumatoid arthritis, RegJoint

 

Citation

Mai S, Mai B: Orthopedic treatment of the rheumatoid deformed hand. OUP 2013; 9: 400–404. DOI 10.3238/oup.2013.0400–0404

Einleitung

Die rheumatischen Erkrankungen sind weltweit verbreitet. Ihr Anteil an der Gesamtmorbidität in europäischen Ländern liegt bei 16 %. In Deutschland schätzt man die Rheumamorbidität der Bevölkerung auf 2 %. Am häufigsten ist die Rheumatoide Arthritis (RA). Sie ist eine systemische Erkrankung des Bindegewebes, wahrscheinlich im Rahmen eines autosensibilisierenden Prozesses, und manifestiert sich überwiegend an der Synovialis der Gelenke und Sehnen und dem periartikulären Bindegewebe. Die hypertrophische Synovialitis führt zu der Entwicklung eines aggressiven Pannus, der den Gelenkknorpel und den angrenzenden Knochen angreift sowie in Kapsel und Sehnen einwächst. Später kommt es zu Subluxationen von Sehnen und Gelenken, Sehnenrupturen und zur Gelenkzerstörung. Rheumatoide Granulome können sich im subcutanen Bindegewebe, Periost und periartikulären Geweben entwickeln mit Einbeziehung von Sehnen, Sehnenscheiden und Schleimbeuteln. Auch innere Organe können betroffen sein.

Erscheinungsbild der RA
an der Hand

Die RA befällt in mehr als 80 % die Gelenke an Händen und Füßen mit der charakteristischen Morgensteifigkeit und schmerzhaften, entzündlichen Gelenkschwellungen. Besonders typisch ist der symmetrische Befall an Langfingergrund- und -mittelgelenken. Folgende Veränderungen an den Händen [1] sind bezeichnend für die Erkrankung: Verdickung der Gelenke durch schmerzhaften Erguss und entzündliche Proliferation der Synovialis, Schwellung der periartikulären Weichteile, trophische Störungen sowie Überdehnung von Kapsel, Ligamenten und Sehnen. In fortgeschrittenen Stadien kommt es zu Deformitäten und Instabilitäten wie Ulnardeviation, Subluxationen und Luxationen vor allem in den Metacarpophalangealgelenken (MCP) (Abb.1), Schwanenhals- und Knopflochdeformität an den Langfingern sowie Adduktionsstellung des Daumens [2]. Gelenke mutilieren oder ankylosieren fibrotisch oder auch knöchern. Eine besondere Verlaufsform führt zu teleskopartigen Verkürzungen der Finger durch Knochenresorption (Abb. 2). Bursitiden und Rheumaknoten vervollständigen das Bild. Sehnenscheidenentzündungen sieht man häufig auch in Frühstadien. Vor allem durch Proliferation der Tenosynovialis und Bildung von Hygromen kann es zu klinischen Zeichen wie schnellender Finger oder Karpaltunnelsyndrom kommen.

Interdisziplinäre Therapie

Eine kausale Therapie ist z.Z. noch nicht möglich. Die medikamentöse Behandlung steht zunächst im Vordergrund, wobei sich das Konzept bewährt hat, hoch genug dosiert zu beginnen und relativ früh nach Versagen der Standardbasistherapie (DMARD, z.B. MTX und Prednisolon) mit Biologicals einzusteigen. Aber auch physikalische und balneotherapeutische Maßnahmen sind fester Bestandteil der Therapie. Durch die konsequente Behandlung im Team unter Einbeziehung von Hausarzt und Rheumainternist, Krankengymnastik, Ergotherapie, Nuklearmedizin sowie Rheumaorthopädie und -chirurgie lässt sich die Entstehung der Gelenkdeformitäten verzögern, manchmal sogar verhindern. Auch die Familie und Selbsthilfegruppen wie die Rheumaliga können entscheidend dazu beitragen.

Konservative orthopädische Therapie

Neben den oben erwähnten physikalischen, physio- und ergotherapeutischen Maßnahmen kommen ergänzend Schienenversorgungen infrage, um Gelenkfehlstellungen zu verhindern und instabile Gelenke zu stabilisieren. Eine bleibende Korrektur von Fingerdeformitäten mit Hilfe von Schienen ist in der Regel nicht möglich.

Bei anhaltenden Entzündungen ist die frühzeitige Mitbehandlung durch den Rheumaorthopäden in Erwägung zu ziehen. An den Gelenken und Sehnen sollte die Synovialitis möglichst bald lokal behandelt werden, um die oben beschriebenen Folgeschäden zu verhindern. Dazu eignen sich zunächst intraartikuläre und peritendinöse Kortisoninjektionen. Bei Persistenz kommt an den Gelenken auch die Chemosynoviorthese (CSO) oder die Radiosynoviorthese (RSO) infrage [3]. (Bei der CSO mit Na-Morrhuate gibt es z.Zt. Lieferschwierigkeiten.) Die Neuraltherapie und Akupunktur können zur Schmerzlinderung beitragen.

Präventive Operationen

Bei persistierenden Synovialitiden an Gelenken oder Sehnen (Abb. 3a) über einen Zeitraum von 3–6 Monaten trotz optimaler Basis- und Injektionstherapie sollte die prophylaktische Synovialektomie erfolgen, um Gelenkdestruktionen und Sehnenrupturen zu vermeiden. Die Synovialektomie kann offen (Abb. 3b) oder arthroskopisch (ASK) am Handgelenk und sogar auch an den MCP- und PIP-Fingergelenken durchgeführt werden [2]. Bei nach der Arthroskopie anhaltenden Schwellungen und Schmerzen der Gelenke sollte eine CSO oder RSO folgen, da nicht immer alle Gelenkanteile eingesehen werden können. Auch Bursektomien gehören zu den operativen Grundtechniken.

Dringliche Eingriffe

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