Originalarbeiten - OUP 09/2013

Die rheumaorthopädische
Behandlung der Hand
Orthopedic treatment of the rheumatoid deformed hand

Sie sind indiziert bei akuten Nervenkompressionen (z.B. Karpaltunnelsyndrom), drohenden Sehnenrissen (Extensor-carpi-ulnaris und vor allem der Flexorsehnen), Frakturen und unerträglichen Schmerzen [4]. Auch kann ein Infekt mit Beteiligung von Sehnen und Gelenken eine Indikation zur sofortigen Intervention darstellen.

Rekonstruktive Operationen

Operationsplanung

Bei aggressiven Verläufen der Erkrankung entwickeln sich immer wieder Indikationen zu funktionsverbessernden und rekonstruktiven Maßnahmen [5]. Weil viele Gelenke gleichzeitig betroffen werden, sind die Patienten oft außerordentlich schwer behindert und nicht selten völlig hilflos. Für die Operationsplanung beim Vorliegen verschiedener Problemlokalisationen gab Willi Souter den Rat: „Start with a winner“ [6]. Das bedeutet, dass man sich die Funktion der einzelnen Gelenke und die Gesamtfunktion der Hand genau anschauen sollte, bevor man sich für den am meisten Erfolg versprechenden Eingriff mit dem geringsten Risiko entscheidet. Außerdem empfiehlt es sich unbedingt zu erfragen, welche Tätigkeiten der Patient mit dieser Hand ausführen möchte, wozu er sie beruflich oder im Rahmen von Hobbys einsetzt. Oft ist es erstaunlich, was schwer verformte Hände noch leisten können. Deshalb muss man mit chirurgischen Eingriffen sehr vorsichtig sein, um nicht diese durch lange Adaptation gewonnene Funktion nachteilig zu verändern. Gemeinsam mit dem Patienten wird entschieden, welche Operation zunächst den größten Funktionsgewinn verspricht. Die gewonnene Lebensqualität nach gelungenem Eingriff gibt dem Patienten wieder Hoffnung, Vertrauen und den Mut, eventuell auch weitere notwenige oder sinnvolle Eingriffe anzugehen.

Weichteileingriffe

Zu den Weichteileingriffen gehören neben Synovialektomien auch Kapselresektionen und -raffungen, Operationen an den langen Sehnen, kurzen Handmuskeln und Gelenkbändern zur Korrektur von Fingerdeformitäten und zur Gelenkstabilisierung [2]. Zur Korrektur der Ulnardeviation führen wir z.B. die Rezentrierung der Strecksehnen durch radiale Raffung der Streckerkappe, ulnares Interosseus Release, Ablösung der Abduktor digiti minimi Sehne und eventuell außerdem den Interosseustransfer durch. Bei Insuffizienz der langen Daumenstrecksehne ist der Indicis-proprius-Transfer eine übliche Option. Als Sehnentransplantat kann bei Sehnenrupturen, bei denen die Sehnen meist durch die Erkrankung so geschädigt sind, dass eine Naht nicht infrage kommt, u.a. die Sehne des M. palmaris longus verwendet werden. Entscheidend ist es, die abgerissenen distalen Sehnenstümpfe an einen funktionsfähigen Muskelmotor anzukoppeln.

Die rheumaorthopädischen Operationen werden häufig mit Neurolysen kombiniert. So auch bei der mikrochirurgischen Entfernung von Rheumaknoten, die oft dicht an den sensiblen Nerven platziert sind, wodurch sich die außerordentliche Schmerzhaftigkeit erklärt.

Gelenkoperationen

Das Handgelenk ist bei der RA häufig mit betroffen. Es spielt eine zentrale Rolle für die Hand- und Fingerfunktion. Die entzündliche Zerstörung führt zu einer Instabilität des radiocarpalen Gelenks mit volarem und ulnarem Abgleiten (shift), später dann die Radialabweichung des Carpus und bajonettartige Subluxation. In weiterer Folge kommt es kompensatorisch zur Ulnardeviation der Langfinger (Abb. 1). Markant tritt das Ulnaköpfchen dorsal hervor, seine Resektion wirkt sich schmerzlindernd aus.

Bei umschriebener Symptomatik werden Teilarthrodesen des Carpus wie z.B. die radiolunäre oder radioscaphoidale Arthrodese angestrebt (Abb. 4). Wegen der zentralen Bedeutung des Handgelenks vor allem bei starken Funktionsverlusten der Finger kann zur Vermeidung einer Versteifung eine Handgelenkendprothese eingesetzt werden. Die Handgelenkarthrodese (Abb. 5) ist beim Rheumatiker mit seinen veränderten Sehnenzügen auf die instabilen Fingergrundgelenke eine besondere Herausforderung, um eine optimale Handfunktion herzustellen [7]. Ein Grundprinzip ist es, die Krafthand in leichter Dorsalextension, die „Hygienehand“ aber in palmarer Flexion einzustellen. Ein physiologischer Längengewinn zur besseren Vorspannung der Sehnen ist anzustreben. Einen umfassenden Überblick über die pathologischen Veränderungen und Therapiemöglichkeiten des Handgelenks haben Schill et. al zusammengestellt [8].

Die sekundäre Rhizarthrose ist eine häufige Begleiterscheinung der RA. Eine dankbare Operation ist die Resektions-Interpositions-Suspensions-Arthroplastik (RISAP). Als Interponat oder Suspendor kann eine hälftige Sehne (M. flexor carpi radialis, abductor pollicis longus) verwendet werden. In einer internationalen Studie, an der in Deutschland ausschließlich die Orthopädische Klinik Kassel teilnahm, wurde als Platzhalter ein langsam resorbierbares Bioimplantat (RegJoint) eingesetzt (Abb 6a und 6b), womit ebenfalls sehr gute funktionelle Ergebnisse erzielt werden konnten (5-Jahres-Erbebnisse noch nicht veröffentlicht) [9]. Nur in ausgewählten Fällen ist ein endoprothetischer Ersatz sinnvoll. Die Arthrodese kommt nur äußerst selten zum Einsatz.

An den Langfingern kommt neben den Weichteileingriffen der endoprothetische Ersatz an den metacarpophalangealen (MCP) und proximalen interphalangealen (PIP) Gelenken infrage [10]. Seit 4 Jahrzehnten ist hier der Goldstandard die Implantation eines Swanson-Silastikinterponats (Abb. 7). Es wurden in den vergangenen Jahren über 50 Implantate aus verschiedenen Materialien entwickelt, die sich aber bisher langfristig nur selten neben der Swansonprothese durchgesetzt haben.

An den MCP-Gelenken ist in besonders gelagerten Fällen die Resektions- bzw. Resektions-Interpositions-Arthroplastik indiziert, beispielsweise bei schweren knöchern fixierten Fehlstellungen, Mutilationen mit schlechter Knochenqualität und Prothesenfehlschlägen [11].

An den PIP und DIP (proximalen und distalen interphalangealen) Gelenken bietet sich besonders am Ring- und Kleinfinger bei funktionsfähigem MCP-Gelenk die Arthrodese an, wenn der Patient kräftig zufassen will und ein stabiles Widerlager für die Greiffunktion benötigt. Bei Arthrodesen z.B. an Fingermittelgelenken ist besonderes Augenmerk auf die Stellung zu legen, die an die übrigen Funktionen und Funktionsverluste der Hand angepasst werden muss, um die Gebrauchsfähigkeit der Hand zu erhalten. Die Arthrodese der DIP-Gelenke bei instabilen Verhältnissen mit Achsdeviation führt zu einer sehr guten Funktionsverbesserung, die auch kosmetisch überzeugt (Abb. 8).

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung erfordert häufig vorübergehend Lagerungsschienen (Abb. 9) und eine intensive physiotherapeutische Betreuung. Die Ergotherapie und die Versorgung mit individuellen Hilfsmitteln sowie die Schulung für die Handgriffe und Bewegungen des täglichen Lebens sind eine große Hilfe für diese zum Teil schwerst-behinderten Patienten. Die Nachbetreuung und der Kooperationswille des Patienten sind essenziell für den Operationserfolg und die Verbesserung der Lebensqualität. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Kraft und positiven Lebenseinstellung Rheumapatienten ihr Leben meistern.

Komplikationen

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