Übersichtsarbeiten - OUP 10/2017

Die stadiengerechte operative Therapie der rheumatischen Handgelenkinstabilität

Ralph Gaulke1

Zusammenfassung: Der Instabilität des rheumatischen Handgelenks liegen ligamentäre und/oder knöcherne Destruktionen zugrunde. Bei vorwiegend ligamentärer Ursache kann die Stabilisierung des Handgelenks nach totaler Synovialektomie durch eine Strecksehnentransposition erfolgen. Bei fixierten (Sub-)luxationen hingegen zeigen Teilversteifungen bzgl. der Reposition und Retention bessere Ergebnisse. So lange wie möglich sollte eine komplette Versteifung des Handgelenks vermieden werden, um möglichst viel Beweglichkeit bei häufig polyartikulärer Bewegungseinschränkung zu erhalten. Das Ziel ist der Erhalt der selbstständigen Lebensführung des Patienten. Das distale Radioulnargelenk ist für die stabile Aufhängung des distalen Radius an der Ulna von großer Bedeutung. Dennoch ist die Resektion des Ulnaköpfchens in vielen Fällen notwendig, um die Unterarmdrehfähigkeit wiederherzustellen. Sollte sich in der Folge eine schmerzhafte Instabilität entwickeln, so stellt die gekoppelte Prothese des distalen Radioulnargelenks eine gute Option zur Verbesserung der Handfunktion dar.

Schlüsselwörter: radiolunäre Arthrodese, radioskapholunäre Arthrodese, Handgelenkarthrodese, rheumatisches Handgelenk, Prothese distales Radioulnargelenk

Zitierweise
Gaulke R: Die stadiengerechte operative Therapie der rheumatischen Handgelenkinstabilität.
OUP 2017; 10: 484–490 DOI 10.3238/oup.2017.0484–0490

Summary: Instabilities of the wrist in patients with rheumatoid arthritis may be caused by ligamental insufficience and/or bony destruction. In cases of isolated flexible ligamental failure an extensor tendon transposition after total synovialectomy of the radio- and midcarpal joints increases stability and preserves ROM. If a partial or complete radiocarpal luxation is irreducible, partial wrist fusion is needed for satisfying results. Total wrist fusion should be avoided as long as possible, because rheumatoid patients suffer from multiple joint restrictions. Therefore every degree of ROM is of high functional value. The distal radioulnar joint is essential for the stabilization of the distal radius at the ulna. Nevertheless, resection of the ulna head is still the gold standard to restore forearm rotation. In cases of persisting pain following ulna head resection constrained alloarthroplasty of the DRUJ leads to good midterm results.

Keywords: radiolunate arthrodesis, radioscapholunate arthrodesis, total wrist fusion, rheumatoid wrist, alloarthroplasty distal radioulnar joint

Citation
Gaulke R: Wrist surgery in rheumatoid arthritis.
OUP 2017; 10: 484–490 DOI 10.3238/oup.2017.0484–0490

Einleitung

Pathobiomechanik des rheumatischen Handgelenks

Bei rheumatischer Synovialitis arrodiert das entzündliche Granulationsgewebe (Pannus) den Knochen an der ungeschützten sehr dünnen Kortikalis zwischen der knorpelüberzogenen Gelenkfläche und dem Kapselansatz. Am Handgelenk geschieht dies typischerweise dorsal und palmar der Eminentia interfovealis. Diese intraossären Synovialhernien sind so häufig und typisch lokalisiert, dass sie sogar einen Eigennahmen tragen: Mannerfelt-Zyste [13]. Durch den chronischen Erguss und den Platzbedarf des synovialen Granulationsgewebes wird die Gelenkkapsel gedehnt und im Verlauf durchwandert, sodass Synovialhernien entstehen, welche in die das Handgelenk umgebenden Sehnenscheiden einbrechen und dann auch Sehnen schädigen können. Die so geschwächten oder destruierten radio-, ulno- und interkarpalen Bänder können die Dislokation des Karpus entlang der Neigung der distalen Radiusgelenkfläche nach ulnar und palmar nicht mehr aufhalten [4, 5, 14].

Da die Muskeln des Unterarms und der Hand an den Mittelhandknochen und Phalangen, nicht aber an den Handwurzelknochen ansetzen bzw. entspringen, können Fehlstellungen der Handwurzelknochen muskulär nur indirekt und sehr eingeschränkt kompensiert werden.

Die Destabilisierung betrifft vor allem die bereits physiologisch sehr beweglichen Gelenke um das Skaphoid sowohl skapholunär (SL), skaphotrapeziotrapezoideal (STT) als auch radiokarpal [5].

Da der Rezessus ulnaris des Radiokarpalgelenks nur durch eine sehr dünne synoviale Schicht, nicht aber durch eine Kapsel von der Extensor carpi ulnaris (ECU)-Sehnenscheide getrennt ist, findet die radiokarpale Arthritis sehr schnell Anschluss an diese [7, 9]. Die Sehnenscheide bietet dem wachsenden Pannus und dem begleitenden Flüssigkeitsdruck aufgrund ihrer (gegenüber der Handgelenkkapsel) dünneren und weicheren Wand deutlich weniger Widerstand.

Die Schwellung der ECU-Sehnenscheide ist häufig das erste klinische Zeichen der rheumatischen Handgelenkarthritis, auch wenn die Synovialitis nur sehr selten dort beginnt. Der Muskulus extensor carpi ulnaris wirkt mechanisch der radiokarpalen Instabilität sowohl in ulnarer Richtung, als auch nach palmar entgegen, da er das ulnare Handgelenk über dem Ulnaköpfchen zentriert. Die synovialitisch geweitete und ausgedünnte ECU-Sehnenscheide kann die ECU-Sehne im ulnaren Gleitlager am Ulnaköpfchen nicht halten, sodass letztere, von der Handwurzel gezogen, nach palmar abgleitet. Durch die veränderte Zugrichtung wird der ECU zum Handgelenkbeuger und verstärkt so die palmare Luxation des Karpus. Da die radialen Handgelenkstrecker nicht luxieren, wird der Karpus in eine Supinationsstellung gedreht. Durch die palmare (Sub)luxation des distalen Radius und des Karpus gegenüber der Ulna tritt das Ulnaköpfchen relativ nach dorsal. Die Bezeichnung „Ulnaköpfchenluxation“ leitet sich vom klinischen Bild des prominenten Ulnaköpfchens ab, biomechanisch handelt es sich aber um eine distale periulnäre (Sub-)luxation.

Die ulnaren Fingerstrecksehnen, Extensor digitorum communis (EDC) und Extensor digiti minimi (EDM), geraten durch das Ulnaköpfchen unter mechanischen Stress, da sie nun alleine der weiteren palmaren Luxation von Radius und Karpus entgegenwirken. Da ihre Ansätze an den Streckerhäubchen der Fingergrundgelenke weiter vom Karpus entfernt liegen als der Ansatz der ECU-Sehne an der Basis des V. Mittelhandknochens, können sie der ulnoradiokarpalen Instabilität nur sehr wenig Kraft entgegensetzen.

Durch die chronisch erhöhte mechanische Druckbelastung durch das Ulnaköpfchen können Strecksehnenschäden bis hin zur Ruptur auftreten. Ist die dorsale Kapsel des distalen Radioulnargelenks destruiert und das Ulnaköpfchen arrodiert, so steigt die Gefahr von Defektrupturen der Strecksehnen durch das Durchscheuern über den dorsal prominenten Knochenkanten des Ulnaköpfchens. Ist die Sehne erst einmal arrodiert, so kann die Invasion des synovialitischen Granulationsgewebes in die Sehne die Ruptur beschleunigen. Auf der anderen Seite reißt eine durch den Pannus arrodierte Sehne unter mechanischer Belastung eher als eine intakte.

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