Übersichtsarbeiten - OUP 10/2017

Die stadiengerechte operative Therapie der rheumatischen Handgelenkinstabilität

Beide Prozesse wirken synergistisch. Liegen Strecksehnenrupturen über einem prominenten Ulnaköpfchen vor, so wird dies als Caput-ulnae-Syndrom bezeichnet [5]. Die Strecksehnen rupturieren von ulnar nach radial, sodass die aktive Kleinfingerstreckung zuerst ausfällt. Wird dann nicht schnell synovialektomiert und das Ulnaköpfchen reseziert, droht die sukzessive Zerreißung weiterer Sehnen, was die Rekonstruktion erschwert.

Als weiterer Effekt der ECU-Sehnen-Luxation nach palmar fehlt der ulnare Gegenzug zum Zug der radialen Handgelenkstrecker (M. extensor carpi radialis longus et brevis). Dies bewirkt eine Deviation des Karpus und der Mittelhand nach radial. Bei gleichzeitiger arthritischer Destruktion der Kapseln und der Bänder der Fingergrundgelenke gleiten die Mittelhandknochenköpfchen radial unter den Streckerhäubchen der Fingergrundgelenke heraus. Die Strecksehnen luxieren in den ulnaren Interdigitalraum, wodurch die Finger im Grundgelenk nach ulnar deviieren. Dies führt zum klinischen Bild der Handskoliose mit der gegenüber der Unterarmachse nach radial deviierten Achse des III. Mittelhandknochens und der ulnardeviierten Fingergrundgelenke. Die begleitende palmare Luxation der Fingergrundglieder führt dann durch die Kontraktur der Mm. interossei zur Schwanenhalsdeformität [4, 5, 14].

Die Erkenntnis, dass die Fehlstellung der Finger ihre Ursache in einer instabilitätsbedingten Fehlstellung im Handgelenk hat, führte zu einem Paradigmenwechsel in der orthopädischen Handchirurgie. Das Handgelenk rückte als Schlüsselgelenk der rheumatischen Handdeformität in den Mittelpunkt der operativen Therapie [2, 3, 4, 5, 9, 10, 14].

Indikation zur operativen Stabilisierung

Viele Patienten adaptieren sich an Handgelenk- und Fingerfehlstellungen sehr gut, solange diese nicht schmerzen. Nach dem vorrangigen Symptom Schmerz werden kosmetische Beeinträchtigung von den Patienten häufig stärker wahrgenommen als Funktionseinschränkungen, die lange kompensiert werden können. Die meisten Patienten suchen den rheumaorthopädischen Handchirurgen wegen der Schmerzen in Ruhe oder bei Belastung auf.

Da die Chancen auf eine Schmerzbefreiung oder zumindest eine deutliche Linderung nach der chirurgischen Stabilisierung des Karpus und der Korrektur der Handfehlstellung gut sind, sollte die Indikation hier großzügig gestellt werden, wenn die Beschwerden mechanisch erklärbar sind. Sind diese andererseits alleine auf eine erhöhte Entzündungsaktivität zurückzuführen, so sollte zunächst medikamentös behandelt werden.

Die kosmetische Verbesserung durch die Korrektur der Fehlstellungen gelingt in den meisten Fällen dann gut, wenn die mechanischen Grundsätze beachtet werden. So ist die Rezidivgefahr nach einer Stellungskorrektur der Fingergrundgelenke unter Belassen der Fehlstellung im Handgelenk aufgrund des verbliebenen pathologischen ulnaren Sehnenzugs auf die Fingergrundglieder sehr hoch. Die Korrektur muss immer von proximal nach distal erfolgen, um den Sehnenzug zu rezentrieren. Auch nach korrekt durchgeführter Stellungskorrektur können Rezidive auftreten, wenn die Progredienz der rheumatischen Gelenkdestruktion nicht verhindert wird.

Die funktionelle Verbesserung tritt postoperativ erst nach Monaten ein. Ausgenommen sind hiervon die Strecksehnenrekonstruktionen, welche die Fingerbeweglichkeit sofort wiederherstellt. Narben können zu einer Bewegungseinschränkung der Finger und des Handgelenks führen. Der Faustschluss kann postoperativ inkomplett bleiben. Besonders die Handgelenk- und Fingergrundgelenkbeugung kann durch dorsale Zugangsnarben postoperativ deutlich eingeschränkt sein. Die Greifkraft nimmt postoperativ sehr langsam zu und erreicht ihren Höchstwert erst nach Monaten.

Bei der Indikationsstellung ist eine sehr gründliche Anamnese ebenso wichtig wie eine gründliche körperliche Untersuchung, um die Schmerzursache sicher zu lokalisieren. Im Zweifelsfall kann es hilfreich sein, den Schmerz durch Injektionen mit Lokalanästhetika gezielt auszuschalten. Hierbei ist zu beachten, dass sich das Medikament bei karpalen Band- und TFCC-Läsionen in benachbarte Gelenkräume ausbreiten kann, was zu Fehldeutungen führen kann. Im Zweifel kann das Lokalanästhetikum mit Kontrastmittel gemischt und dessen Ausbreitung unter Durchleuchtung beurteilt werden.

Bei der klinischen Untersuchung sollten die schmerzhaften Bewegungen genau erfragt und getestet werden. Sind die mit ungestütztem Handgelenk schmerzhaften Bewegungen unter externer Stabilisierung des Handgelenks durch den Untersucher schmerzfrei, so gibt dies Hinweise auf die Erfolgschancen rezentrierender, gelenkerhaltender Eingriffe wie Strecksehnentranspositionen.

Hilft die externe Stabilisierung nicht, so deutet dies darauf hin, dass die Reposition und Retention der Fehlstellung nur über eine Teilarthrodese möglich ist. Funktionsaufnahmen des Handgelenks im dorsopalmaren Strahlengang in Ulnar- und Radialduktion, seltener im seitlichen Strahlengang in Extension und Flexion, geben weitere Hinweise auf die Schwere und Lokalisation karpaler Instabilitäten sowie darüber, ob Fehlstellungen flexibel oder fixiert sind. Der schmerzlindernde Effekt der Synovialektomie ist erheblich und sollte nicht unterschätzt werden [9]. Unterstützend sollte auch an die Handgelenkdenervation zur Schmerzausschaltung gedacht werden, um Teilarthrodesen möglichst zu vermeiden [20].

Vor einer (Teil)versteifung am Handgelenk sollte in jedem Fall ein Ganzkörperstatus erhoben werden, da die Einschränkung oder der Verlust der Handgelenkbeweglichkeit die Selbstständigkeit des Patienten gefährden kann, wenn er bzgl. der Tätigkeiten des täglichen Lebens grenzkompensiert ist. Bei Rheumatikern darf daher nie ein Gelenk isoliert betrachtet werden. Aufgrund der individuellen Gelenkschädigung kann auch keine generelle Empfehlung bzgl. der Stellung der Versteifung gegeben werden, da diese individuell und in Absprache mit dem Patienten zu bestimmen ist. Um die optimale Stellung zu ermitteln, können präoperativ Unterarmgipse angelegt werden, die die Versteifung simulieren. Der Patient kann dann durch Probieren die für ihn optimale Stellung finden, in der dann versteift wird [4, 5].

Eskalation der Therapie

Das Ziel der operativen Stabilisierung des Handgelenks ist die Korrektur der Handskoliose unter Rezentrierung des Sehnenzugs an den Fingergrundgelenken bei größtmöglichem Erhalt der Handgelenkbeweglichkeit [5, 9].

Synovialektomie und statische Extensor carpi ulnaris Verlagerung

Die radio- und mediokarpale Synovialektomie kann prinzipiell arthroskopisch und offen durchgeführt werden. Die Indikation zur arthroskopischen Synovialektomie ist dann gegeben, wenn die Strecksehnenscheiden und das distale Radioulnargelenk (DRUG) nicht entzündet sind. Da dies aber häufig der Fall ist, wird in der Praxis fast ausschließlich die offene Synovialektomie nach der radikalen Extensorentenosynovialektomie durchgeführt.

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