Übersichtsarbeiten - OUP 02/2019

Die Tibialis-posterior-Insuffizienz

Bei einer fixierten, suppinierten Vorfuß-Fehlstellung wird die sogenannte „Cotton-Osteotomie“ durchgeführt [1]. Ist der Rückfuß durch die knöcherne Korrektur und den Sehnentransfer in seiner Position korrekt eingestellt, kann die Vorfußpronation nicht ausreichend sein, um die Lastaufnahme des ersten Strahls zu gewährleisten. Durch eine inkomplette dorsalseitige Open-Wedge-Osteotomie des ersten Keilbeins wird der erste Mittelfußknochen plantarisiert, ein autologer oder homologer Knochenspan in das erste Keilbein eingebolzt.

Über einen medialen Zugang kann die Tibialis-posterior-Sehne exploriert werden. Ist die Sehne in ihrer Kontinuität noch erhalten, wird sie falls nötig debridiert und eine Tenosynovektomie durchgeführt. Lediglich bei Querrupturen mit kolbigen Auftreibungen der Sehnenenden wird eine Resektion vorgenommen. Eine reine Sehnennaht ohne Augmentation ist nicht zielführend. Langfristig führt der Funktionsverlust der Tibialis-posterior-Sehne zu eine fettigen Degeneration des Musculus tibialis posterior, sodass auch unter diesem Aspekt eine primäre Naht der Sehne nicht zielführend ist (Abb. 8).

Die Augmentation wird mit der Flexor-digitorum-longus(FDL)- oder der Flexor-hallucis-longus(FHL)-Sehne durchgeführt. Über die Verwendung der FDL- oder FHL-Sehne wurde noch kein Konsens hergestellt. Die Befürworter der FDL-Sehne argumentieren mit dem geringeren Hebedefekt, also Kraftverlust der Beuger der Kleinzehen, die Argumente für die Nutzung der FHL-Sehne liegen in der Kraftentfaltung der Sehne. Untersuchungen, die eine Überlegenheit der FDL- oder FHL-Sehne herausarbeiten konnten, liegen bisher nicht vor. In Untersuchungen von Silver [23] hinsichtlich der relativen Muskelkraft erreichte die FHL einen Wert von 3,6 und die FDL einen Wert von 1,8 bei einem Wert von 6,4 für die Tibialis-posterior-Sehne. Während der FHL 50 % der Kraft des Tibialis posterior erreicht, sind es beim FDL nur 28 %.

Beiden Sehnen ist gemein, dass sie vor oder hinter der plantaren Überkreuzungsstelle – Henry´scher Knoten – tenotomiert werden. Eine zusätzliche Seit-zu-Seit-Naht des verbliebenen Sehnenstumpfs zur parallel verlaufenden Sehne ist zu empfehlen. Die Spendersehe wird durch ein vertikales Bohrloch im medialen Drittel des Navikulare von plantar eingeführt und in Vorfußadduktion und Spitzfußstellung unter Vorspannung fixiert. Je nach Sehnenlänge können Fadenanker, Tenotomieschrauben oder periostale Fixierungen genutzt werden. Die Naht oder Raffung des Pfannenbands (spring ligament) wird kontrovers diskutiert. Einige Autoren halten sie für obligatorisch [6] andere, vor allem Anatomen, bezweifeln den Nutzen auf Grund der fehlenden elastischen Fasern dieses Bandes. Studien von Walters et al. konnten den Effekt der Naht des Pfannenbands nicht belegen [25].

Im Stadium III nach Johnson & Strom wird die Double (Diple) oder Triple Arthrodese als Methode der Wahl empfohlen. In seltenen Fällen ist eine isolierte subtalare Arthrodese sinnvoll [12]. Fixierte Rückfußgelenke und Arthrosen im TN-Gelenk, CC-Gelenk und subtalar sind eindeutige Indikationen zur dauerhaften Ruhigstellung der betroffenen Gelenke. Der Verlust an Beweglichkeit wird durch den Zugewinn an Schmerzfreiheit und Stabilität des Fußes bei weitem kompensiert. Sind die Rückfußgelenke nicht mehr manuell in vollem Bewegungsumfang zu mobilisieren oder ist der Rückfuß in einer fixierten valgischen Position, welche nicht manuell aufzurichten ist, ist die Arthrodese die Methode der Wahl. Analog verhält es sich in der Chopart-Gelenklinie, wenn der Vorfußadduktus nicht in die orthograde Stellung ausgerichtet werden kann. Sind im Röntgen, CT oder Kernspin bereits deutliche Zeichen einer Arthrose erkennbar, ist der Gelenkerhalt oft fragwürdig, da mit weiteren operativen Eingriffen zu rechnen ist. Ist das CC-Gelenk unauffällig, d.h. schmerzfrei und radiologisch ohne Nachweis von arthrotischen Veränderungen, kann auf die Versteifung dieses Gelenkes verzichtet werden. Die operativen Zugangswege entsprechen den Standardzugängen der Literatur, wobei einige Autoren dazu übergegangen sind, das Subtalargelenk und das Talonavikulargelenk durch einen medialen Zugang zu adressieren. Ob mit (additiv) oder ohne (sine) Knochenspäne und Spongiosa eine Fusion durchgeführt wird, richtet sich nach der Fehlstellung, dem Maß der gewünschten Korrektur und den knöchernen Verhältnissen. In der Regel werden heute Schrauben, Platten oder Klammern zur Osteosynthese verwendet. Besonderes Augenmaß ist auf die Stellung des Rückfußes und des TN-Gelenkes zu legen. Ein mäßiger Rückfußvalgus von ca. 7° entspricht der Anatomie, etwas mehr wird von den Patienten eher toleriert als eine varische Einstellung des Rückfußes. Ist das NC-I-Gelenk radiologisch auffällig, empfiehlt es sich dieses Gelenk in die Fusion mit einzubeziehen

Ergebnisse

Die Heterogenität des Krankheitsbilds, die Kombination unterschiedlicher Verfahren sowie das sehr unterschiedliche Patientenkollektiv lassen keine zuverlässigen Aussagen hinsichtlich der Erfolgsquoten der Maßnahmen zu. Letztendlich lassen sich nur Tendenzen erkennen, da zudem die Fallzahlen der Studien klein sind. So zeigen Kombinationseingriffe aus FDL Transfer und Calcaneusverschiebeosteotomien Erfolgsraten von 90 % und mehr nach 3–5 Jahren [22].
Fayazi [3] berichtete über 96 % Verbesserung bei 23 Patienten nach 35 Monaten. Der AOFAS Score stieg von 50 auf 89 Punkte. Myerson [19] sah bei 32 Patienten zu 88 % keine Beschwerden. Die Ergebnisse lagen mit 80 bis 96 % im guten bis sehr guten Bereich.

Rehabilitation,
Rekonvaleszenz

Die knöcherne, stabile Heilung der Osteotomien dürfte nach 6–8 Wochen erreicht sein. Der Calcaneus heilt nach Verschiebeosteotomien bei großen spongiösen Flächen sehr gut. Etwas mehr Zeit benötigen die Interpositions- oder Verlängerungsosteotomien des Fersenbeins. Arthrodesen des Rückfußes benötigen ca. 8–10 Wochen zur knöchernen Konsolidierung. Zu berücksichtigen ist dabei, dass diese Therapieformen vermehrt bei älteren Patienten mit verzögerter Knochenheilungszeit durchgeführt werden. Obwohl die Sehnenheilung in der Regel nach 6–8 Wochen abgeschlossen ist, dürfte ihre volle Funktion mehr Zeit benötigen. Vor allem die Koordination beansprucht Zeit, daher ist eine Physiotherapie mit Muskelkräftigung und Beübung der Propriozeption dringend geboten. Zur Sicherung des operativen Ergebnisses sind Längsgewölbe stützende Einlagen sinnvoll. Das Schuhwerk sollte eine stabile Fersenkappe haben. Schwellneigungen in den ersten Monaten nach der Operation sind üblich, Lymphdrainagen und eventuell Kompressionstrümpfe hilfreich. Dem Patienten sollte mitgeteilt werden, dass die gesamte Prozedur 9 Monate bis zu einem Jahr in Anspruch nimmt.

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