Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019

Distale periprothetische Femurfrakturen
Risikofaktoren und aktuelle Behandlungsstrategien

Die retrograde intramedulläre Nagelosteosynthese (Abb.1) stellt eine gute Option dar, bei der das operative Weichteiltrauma minimiert werden kann, setzt jedoch die Möglichkeit einer geschlossenen Frakturreposition voraus. Die intramedulläre Nagelosteosynthese erlaubt meist eine frühe Belastbarkeit des betroffenen Beins. Allerdings ist eine intramedulläre Nagelosteosynthese nur bei Oberflächenersatzprothesen möglich. Dabei muss das Design der femoralen Komponente einen retrograden Zugang zum Markraum zulassen. Ausschlusskriterien für eine Nagelosteosynthese sind einliegende gestielte Prothesen, eine Patella baja sowie ein von proximal einliegender Hüft-TEP-Langschaft, da zwischen dem retrograden Nagel und dem proximalen Hüft-TEP-Schaft ein potenzieller stress riser zwischen den Implantaten erzeugt werden kann [17, 18].

Plattenosteosynthese

Bei der offenen Reposition periprothetischer distaler Femurfrakturen und Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese werden heutzutage kaum noch nicht winkelstabile Platten verwendet. Die modernen Plattensysteme sind winkelstabil und erlauben eine polyaxiale Schraubenpositionierung. Durch die Polyaxialität und Winkelstabilität kann eine optimale Frakturstabilisierung erzielt werden, ohne die einliegende femorale Komponente der Knie-TEP zu beschädigen (Abb. 2) [7]. Durch die Verwendung winkelstabiler Plattensysteme konnte die Pseudarthrosenrate distaler periprothetischer Femurfrakturen auf 4 % reduziert werden [5]. Die durchschnittliche Zeit bis zur knöchernen Konsolidierung bei Verwendung winkelstabiler Platten beträgt 3,7 Monate [5]. Eine zusätzliche Fixation der winkelstabilen Platten mit Cerclage-Systemen scheint die Zeit bis zur knöchernen Konsolidierung zu reduzieren [4]. Wenn möglich, sollten die winkelstabilen Platten minimal invasiv eingebracht werden, da hierdurch Blutverlust und Weichteilschäden deutlich reduziert werden können [18].

Revisionsendoprothetik

Die Indikation zur Revisionsendoprothetik besteht bei gelockerten Komponenten, Malalignement oder Bandinsuffizienzen bei einliegendem Oberflächenersatz. Liegt eine distale periprothetische Femurfraktur bei einliegendem Oberflächenersatz vor und die Komponenten sind gelockert, erfolgen eine Frakturreposition und Stabilisierung mittels einer gestielten Knie-TEP. Dies ist allerdings nur bei einfachen Frakturen möglich. Bei mehrfragmentären Frakturen muss eher an einen distalen Femurersatz gedacht werden (Abb. 3). Alternativ kann zum Wechsel auf eine gestielte Endoprothese eine plattenosteosynthetische Versorgung additiv erfolgen. Vergleicht man beide Verfahren, also gestielte Knie-TEP versus distalem Fermurersatz, zeigt sich bei älteren Patienten ein identisches postoperatives funktionelles Outcome [13]. Auch der distale Femurersatz weist keine erhöhten Komplikationsraten auf. Im Vergleich zur Plattenosteosynthese zeigen die Patienten eine schnellere Rekonvaleszenz bei gleichzeitig kürzerer OP-Zeit und niedrigem Blutverlust [18].

Komplikationen bei periprothetischen distalen Femurfrakturen

Periprothetische Frakturen sind mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert. Dabei beträgt die Mortalität 17 % in den ersten 6 postoperativen Monaten und 30 % im ersten postoperativen Jahr [1, 3, 9]. Vergleicht man die operative Versorgung distaler periprothetischer Femurfrakturen mit der Versorgung distaler Femurfrakturen ohne einliegende Knieprothese, so ist das Mortalitätsrisiko deutlich höher [16]. Weiterhin zeigen die Patienten nach distalen periprothetischen Femurfrakturen auch langfristig postoperativ eine deutliche Einschränkung ihrer Mobilität. Auch das Bewegungsausmaß für Extension/Flexion der einliegenden Knieprothesen zeigt sich nach operativer Versorgung der periprothetischen Frakturen herabgesetzt [6, 18]. Als weitere Komplikationen sind die Pseudarthrosen zu nennen, wobei hier in den kleinen Fallstudien Zahlen von 0–50 % angegeben werden [6, 18]. Vermutet wird, dass geschlossene Repositionen und minimal invasive winkelstabile Plattenosteosynthesen die Rate der Pseudarthrosen verringern [18].

Andere Komplikationen beinhalten periprothetische Infektionen, Verletzungen des Streckapparats, Implantatversagen und sekundäre Dislokation. Zum Auftreten der genannten Komplikationen gibt es keine validen Daten.

Zusammenfassung

Distale periprothetische Femurfrakturen haben erhebliche Konsequenzen für den Patienten und stellen eine technische Herausforderung für den behandelnden Chirurgen dar. Dabei muss der behandelnde Chirurg nicht nur erfahren in der Frakturversorgung, sondern auch in der Revisionsendoprothetik sein. Der überwiegende Anteil der distalen periprothetischen Femurfrakturen kann osteosynthetisch (intramedullärer retrograder Marknagel oder winkelstabile Platten) versorgt werden. Bei gelockerten Prothesen ist ein Wechsel auf gestielte Prothesen notwendig. Erlaubt die Fraktur oder Knochenqualität keinen Wechsel auf eine gestielte Prothese, kommt ein Wechsel auf einen distalen Femurersatz in Frage. Das Ziel jeglicher Behandlung ist die Wiederherstellung eines mobilen Kniegelenks mit regelrechtem Alignement. Die Komplikationsrate bei Patienten mit distalen periprothetischen Femurfrakturen ist hoch, hier sind im Wesentlichen Bewegungseinschränkungen der Knie-TEP sowie Pseudarthrosen zu nennen. Weiterhin besteht nach Auftreten solcher Frakturen eine hohe Mortalität, die mit bis zu 30 % im ersten Jahr angegeben wird.

Zusammengefasst richtet sich die Behandlung der distalen periprothetischen Femurfrakturen nach der Frakturdislokation, der Knochenqualität, der Größe des distalen Fragments und dem Zustand der einliegenden Endoprothese. Aufgrund der demografischen Entwicklungen sowie der hohen Anzahl an Primärimplantation von Knieprothesen ist zukünftig mit einem Anstieg der distalen periprothetischen Femurfrakturen zu rechnen.

Interessenkonflikte:

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1. Boyd AD,Wilber JH: Patterns and complications of femur fractures below the hip in patients over 65 years of age. J Orthop Trauma 1992; 6: 167–74

2. Culp RW, Schmidt RG, Hanks G, Mak A, Esterhai JL, Heppenstall RB: Supracondylar fracture of the femur following prosthetic knee arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 1987; 222: 212–22

3. Dunlop DG, Brenkel IJ: The supracondylar intramedullary nail in elderly patients with distal femoral fractures. Injury 1999; 30: 475–84

4. Ebraheim NA, Sochacki KR, Liu X, Hirschfield G, Liu J: Locking plate fixation of periprosthetic femur fractures with and without cerclage wires. Orthop Surg 2013; 5: 183–7

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