Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Ergebnisse der Sekundärprävention von Gonarthrose
Optimierte Nachsorge am Beispiel des KniekollegsOptimized aftercare on the example of the knee college

Das Kniekolleg, dessen Arbeitstitel Beschwerderemission kniebelasteter Versicherter im Sinne der BK 2112 durch nachhaltige sekundärpräventive und tätigkeitsbezogene Maßnahmen lautet, umfasst die folgenden 5 Phasen:

Phase 1: Aufbauphase

Die Aufbauphase umfasst mit einer täglichen Nettotherapiezeit (NTZ) von 5–6 h eine zeitliche Dauer von 3 Wochen (Mo–Fr). Ihre Inhalte basieren auf den definierten Rahmenempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR [5]) und sind im Besonderen gekennzeichnet durch

einen biopsychosozialen Ansatz

ein Aufbautraining der Oberschenkelmuskulatur

ein berufsspezifisches Üben an Kulissenarbeitsplätzen (Abb. 1)

eine ergonomische Beratung sowie

die Implementierung individuell abgestimmter Nachsorgestrategien unter Beachtung gesundheitspsychologischer Ansätze.

Phase 2: Trainingsphase 1

Zur Sicherung nachhaltiger mittelfristiger Effekte schließt sich der Aufbauphase nun die Trainingsphase 1 über einen Zeitraum von 12 Monaten an, in denen die Teilnehmer wohnortnah ? 1-mal wöchentlich ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining entweder als Heimprogramm oder in einem qualifizierten Fitnesszentrum anhand eines individualisierten Trainingsplans fortsetzen.

Phase 3: Auffrischungsphase
(Refresher) 1

Nach der 12-monatigen ersten Trainingsphase werden die Teilnehmer für einen 1-wöchigen Auffrischungskurs (5–6 h NTZ Mo–Fr) erneut in die Rehabilitationseinrichtung eingeladen, um die Inhalte der Aufbauphase zu wiederholen und zu festigen. Des Weiteren wird der Trainingsplan überarbeitet.

Phase 4: Trainingsphase 2

Zur langfristigen Sicherung der Interventionseffekte werden die Teilnehmer motiviert, das neu angepasste Trainingsprogramm wohnortnah im Fitnesszentrum oder zuhause ? 1-mal wöchentlich für weitere 12 Monate fortzuführen oder aufzunehmen.

Phase 5: Auffrischungsphase
(Refresher) 2

Nach der 2. Trainingsphase endet das Kniekolleg mit einem 2. einwöchigen, inhaltlich dem Refresher 1 analogen Auffrischungskurs im Rehabilitationszentrum. Die Maßnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit in den einzelnen Phasen sind Tabelle 1 zu entnehmen. Die BG BAU übernimmt die kompletten Kosten für die Aufbauphase sowie für die beiden Auffrischungskurse und bezuschusst die Trainingsphasen bei regelmäßiger Teilnahme im Fitnesszentrum mit 20 Euro monatlich.

Methodik

Patienten

Die Teilnehmer für das Kniekolleg werden im Rahmen der regelmäßigen arbeitsmedizinischen Vorsorge im Baugewerbe rekrutiert. Es gelten regelhaft folgende Einschlusskriterien:

Vorliegen chronischer oder rezidivierender Kniegelenksbeschwerden in Verbindung mit klinischen Symptomen (Bewegungseinschränkung bzw. schmerzhafte Bewegungsbehinderung, retropatellarer Druckschmerz, Entzündungszeichen)

die Versicherten sind in einem als erhöht kniebelastend einzustufenden Beruf tätig (Merkblatt BK 2112 [23])

in Abhängigkeit von der Dauer der Berufszugehörigkeit werden deutlich vor Erreichen des Renteneintrittsalters voraussichtlich 13.000 h kniebelastender Tätigkeit erreicht [23]

freiwillige Teilnahme

Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt des Kniekollegs.

Messzeitpunkte und eingesetzte Assessmentinstrumente

Über einen Beobachtungszeitraum von 24 Monaten werden zu Beginn (T1) und nach Beendigung der 3-wöchigen Aufbauphase (T2) sowie 12 und 24 Monate später während der Auffrischungsphasen 1 (T3) und 2 (T4) folgende als Verlaufskontrollen dienende Assessmentinstrumente eingesetzt:

Analyse der dynamischen konzentrischen körpergewichtsbezogenen Maximalkraft der Oberschenkelmuskulatur des betroffenen und nichtbetroffenen Beins mittels Isokinetik (in Nm/kg) bei 60°/s (IsoMed 1000, [15])

Physical-Work-Capacity- (PWC-) Test (Puls 180 minus Lebensalter) zur Quantifizierung der submaximalen Ausdauerleistungsfähigkeit auf dem Fahrradergometer nach WHO-Schema [13]

Fragebogen SF-36 zur Bewertung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität [3], dargestellt als Gesamtscore aus 8 Dimensionen

der PACT (Performance Assessment Capacity Testing) zur Selbsteinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit [24].

Die Darstellung weiterer, in dieser Untersuchung eingesetzter Assessmentinstrumente an dieser Stelle würde den Rahmen dieser Publikation übersteigen. Die Ergebnisse werden separat und in Kürze veröffentlicht.

Statistik

Die Auswertung der erfassten Daten erfolgte mit dem Computerprogramm SPSS Base 13.0 für Windows. Zu Beginn der Auswertung wurde der Datensatz durch eine Plausibilitätskontrolle mit dem System überprüft und die Normalverteilung der Stichprobe im Hinblick auf die jeweiligen zu untersuchenden abhängigen Variablen mittels des Kolmogorov-Smirnov-Tests bestätigt.

Neben den Verfahren der deskriptiven Statistik wurden die einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung und posthoc-Testdesign bei 3 Messzeitpunkten eingesetzt sowie die Korrelationsanalysen nach Pearson und nach Spearman-Rho durchgeführt.

Ergebnisse

An dieser Stelle werden die mittelfristigen Effekte des Kniekollegs nach 12 Monaten (T1–T3) dargestellt. Insgesamt durchliefen bisher 292 männliche arbeitsfähige Beschäftigte (49,6 ± 7,1 Jahre; BMI: 28,7 ± 4,4) aus dem Baugewerbe mit einer beruflichen Expositionszeit von 32,3 ± 7,1 Jahren sowohl die Aufbauphase und die Trainingsphase 1 als auch die Auffrischungsphase 1. Davon führten 178 (61,0 %) Teilnehmer (49,7 ± 7,1 Jahre; BMI: 28,7 ± 4,6) das Training durchschnittlich 1,8-mal (± 0,6) pro Woche in einem qualifizierten Fitnesszentrum fort, Versuchsgruppe VG 1. 38 Beschäftigte (13,0 %; 49,8 ± 6,8 Jahre; BMI: 28,3 ± 4,4) absolvierten 2,7-mal (± 1,1) ein individuelles Heimprogramm in Eigeninitiative (Funktionsgymnastik, Radfahren, Nordic Walking, Jogging, Schwimmen; als singuläre Aktivität als auch in Kombination) (VG 2), und 76 (26,0 %) Arbeitnehmer (49,1 ± 7,1 Jahre; BMI: 28,7 ± 4,2) beendeten nach der Aufbauphase jegliche zielgerichtete sportliche Aktivität, Kontrollgruppe (KG).

Ausgehend von einem annähernd homogenen Ausgangsstatus in T1 steigern alle 3 Gruppen am Ende der Aufbauphase in T2 in gleichem Maße sowohl die Maximalkraft der Oberschenkelmuskulatur, die submaximale Ausdauerleistungsfähigkeit als auch die selbst eingeschätzte gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie die körperliche Leistungsfähigkeit signifikant (Tab. 2–4). Während in der VG 1 nach weiteren 12 Monaten organisierten Trainings in allen untersuchten Parametern eine weitere positive Entwicklung nachzuweisen ist, können in der VG 2 die Messwerte für die Oberschenkelkraft sowie die Lebensqualität in T3 zumindest stabilisiert werden. Ausdauerleistungs- und körperliche Leistungsfähigkeit zeigen sich hingegen rückläufig bzw. fallen sogar unter das Niveau zum Status quo ante zurück. In der KG ist in allen verwendeten Messvariablen ein deutlicher Rückgang der Ausprägungen zu verzeichnen, der insbesondere hinsichtlich des Parameters körperliche Leistungsfähigkeit durch ein Unterschreiten des T1-Werts gekennzeichnet ist. Einzig die Maximalkraft verbleibt in T3 weiterhin über dem Ausgangswert zu Beginn der Aufbauphase.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4