Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Ergebnisse der Sekundärprävention von Gonarthrose
Optimierte Nachsorge am Beispiel des KniekollegsOptimized aftercare on the example of the knee college

Die körpergewichtsbezogene Maximalkraft der Oberschenkelmuskulatur scheint gruppenübergreifend bei der Entwicklung der Messwerte von besonderer Bedeutung zu sein: Je größer das Kraftniveau, desto größer die Ausdauerleistungsfähigkeit (r = 0,48; p < 0,01), die Lebensqualität (r = 0,39; p < 0,05) und die körperliche Leistungsfähigkeit (0,47; p < 0,01). Die Entwicklung der Oberschenkelkraft von T2 zu T3 wird in diesem Zusammenhang weniger von der wöchentlichen Trainingshäufigkeit (1– bis 5-mal) beeinflusst, sondern ist in beiden Trainingsgruppen (VG 1 und VG 2) vom erreichten Kraftniveau am Ende der Aufbauphase (T2) abhängig, wobei gilt: je geringer das Kraftniveau der Oberschenkelstreckmuskulatur, desto größer der Kraftzuwachs 12 Monate später in T3 (r = 0,56; p < 0,01).

Diskussion

Die Organisation und Inhalte der medizinischen Rehabilitation im stationären und ambulanten Setting sind in Deutschland klar definiert und induzieren generaliter indikationsübergreifend nachweislich kurzfristig positive Effekte auf die Erkrankung und die Gesundheit [20]. Die Inhalte und Organisation des Kniekollegs basieren auf den Rahmenempfehlungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation bei muskuloskelettalen Erkrankungen [5]. Trotz des Fehlens einer Kontrollgruppe in der 1. Phase des Kniekollegs ist aufgrund der signifikanten Verbesserungen davon auszugehen, dass sich die positiven Ergebnisse der 3 Interventionsgruppen in der Aufbauphase auf die ganzheitlich ausgerichteten Behandlungsformen zurückführen lassen.

Die Ergebnisse in T3 zeigen, dass ein regelmäßiges strukturiertes wohnortnahes körperliches Training über 12 Monate die positiven Effekte der Aufbauphase nicht nur zu stabilisieren, sondern den biopsychosozialen Gesundheitszustand sogar noch weiter zu verbessern vermag. Als Erklärung ist zum einen der sekundärpräventive Ansatz des Kniekollegs zu nennen, der den noch nicht von den typischen pathophysiologischen Symptomen der fortgeschrittenen Gonarthrose betroffenen Teilnehmern ermöglicht, ein effektives Muskeltraining in Eigenverantwortung ohne zeitliche Unterbrechungen aufgrund von langwierigen Entzündungsreaktionen regelmäßig fortzuführen [8, 9]. Somit können die Applikation des notwendigen überschwelligen und die Progredienz der Kniegelenksarthrose günstig beeinflussenden Krafttrainings [25] mit hoher Belastungsintensität effektiv realisiert werden und positive Adaptationen im Oberschenkelmuskel hervorrufen. Hierbei zeigt sich das organisierte Training im Fitnesszentrum dem Heimprogramm deutlich überlegen.

Nach 12 Monaten Training war die Maximalkraft der Kniestreck- und -beugemuskulatur im betroffenen Bein höher als im nichtbetroffenen. Die Dimension der Ausprägung als auch das Verhältnis von Streck- zu Beugemuskulatur sprechen dabei für einen physiologischen Funktionszustand der das Kniegelenk protektierenden Muskelgruppen [6], der als wesentliche Voraussetzung für die Kompensation der teilweise hohen Kniegelenksbelastungen im Baugewerbe gilt [18]. Das Heimprogramm in Eigeninitiative wird als alternative Trainingsmöglichkeit im Rahmen der Nachsorgegespräche vorgeschlagen, wenn private oder berufliche Kontextfaktoren der Teilnehmer gegen ein Fitnesstraining sprechen. Trotz einer relativ hohen mittleren Trainingshäufigkeit von 2,7-mal wöchentlich erscheint die Belastungsintensität insbesondere für die Oberschenkelmuskulatur für weitere mittelfristige positive Anpassungen nicht auszureichen, was nicht verwundert, da überwiegend die Gesundheit fördernde und den gesamten Körper allgemein konditionierende Sportarten wie Radfahren oder Schwimmen ausgeübt werden. Die Effektivität von ebenfalls empfohlenen funktionsgymnastischen Übungen wiederum ist zudem stark abhängig von der Compliance der Teilnehmer, die beim Training in den eigenen vier Wänden nach intensiven Arbeitstagen starken Schwankungen unterworfen sein kann [17].

Neben dem sekundärpräventiven Ansatz des Kniekollegs erscheint die eingesetzte Nachsorgestrategie für die positiven mittelfristigen Resultate verantwortlich gemacht werden zu können. Aufgrund von Erfahrungen der AAMR bei Gonarthrose [8, 9] und positiver indikationsübergreifender Reha-Nachsorge-Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zum Einsatz von Telefonkontakten und Auffrischungskursen [2, 12, 16] wurde jedem Kniekolleg-Teilnehmer ein Bezugstherapeut zugeteilt, der sowohl während der Aufbau- und der Auffrischungsphasen persönlich als auch im Rahmen mehrmaliger individuell geführter Telefonate (Tab. 1) während der Trainingsphasen den Teilnehmer von der Notwendigkeit der Fortführung des körperlichen Trainings zu überzeugen versuchte und bei auftretenden Problemen Hilfestellung leistete. Nach internen Erhebungen werden insbesondere die Telefonkontakte von der deutlich überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer als positiv wahrgenommen und als hilfreich bei der Umsetzung der sportlichen Aktivität in die Tagesroutine empfunden. Somit kann der hohe Anteil von 74 % an Personen, die die körperliche Aktivität nach Beendigung der Aufbauphase auch 12 Monate später fortführen, sicherlich als Erfolg gewertet werden [26].

Zusammengefasst ist zu konstatieren, dass der sekundärpräventive Ansatz sowie die optimierte Nachsorgestrategie des Kniekollegs für Beschäftigte des Baugewerbes für die vorliegenden positiven mittelfristigen Nachhaltigkeitseffekte verantwortlich zu machen sind und weiterverfolgt werden sollten. Die T4-Untersuchung in weiteren 12 Monaten wird zeigen, ob sich die vielversprechenden Ergebnisse auch langfristig bestätigen lassen und sich das Kniekolleg als effektives Instrument in der Prävention der Kniegelenkarthrose etablieren kann.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. rer. nat. Stefan Dalichau

BG Ambulanz Bremen

Industriestr. 3

28199 Bremen

stefan.dalichau@bga-bremen.de

Literatur

1. Bartels EM, Lund H, Hagen KB, Dagfinrud H, Christensen R, Danneskiold-Samsøe B: Aquatic exercise for the treatment of knee and hip osteoarthritis. Cochrane Database Syst Rev 2007; 17: CD005523

2. Braunger C, Kubiak N, Müller G, von Wietersheim J, Oster J: Wirksamkeit von Nachsorgegesprächen via Telefon- und Face-to-Face-Kontakten nach der stationären psychosomatischen Rehabilitation. Rehabilitation 2015; 54: 290–6

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