Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Ergebnisse und Wiedererlangen der Sportfähigkeit nach proximaler Tibiafraktur beim Skifahren

P. Gutsfeld1, V. Bühren1, 2, R. Pätzold1, 2

Zusammenfassung

Hintergrund: Proximale Tibiafrakturen im alpinen Skisport haben in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen.

Hypothese: Die Frakturmorphologie korreliert mit Rückkehr in den Sport.

Material und Methoden: Es wurden Patienten zwischen 2007 und 2010 mit proximalen Tibiafrakturen in diese Studie eingeschlossen, die beim alpinen Skifahren verunfallten. Unsere Behandlungsstandards und die Nachbehandlung der verschiedenen Frakturen werden dezidiert dargestellt. Die Fraktureinteilung erfolgte nach der AO-Klassifikation. Die Nachuntersuchung erfolgte mit dem Tegner Aktivitätsindex mindestens 1 Jahr postoperativ.

Ergebnisse: Es wurden 188 Patienten eingeschlossen. Eine Typ-A-Verletzung erlitten 43, eine Typ-B-Verletzung 96 und eine Typ-C-Verletzung 49 Patienten. Es konnten 123 Patienten mit dem Tegner Aktivitätsindex nachuntersucht werden. Die Typ-C-Verletzungen waren mit 3,65 ± 1,5 Punkten signifikant ( p = 0,002) schlechter im Vergleich zu den Typ-A- und B-Verletzungen.

Schlussfolgerung: Die Rückkehr zum Sport nach proximalen Tibiafrakturen ist vom Frakturtyp abhängig.

Schlüsselwörter: Skifahren, proximale Tibiafrakturen, Tibiakopffrakturen, Sport, Ergebnisse

Zitierweise
Gutsfeld P, Bühren V, Pätzold R: Ergebnisse und Wiedererlangen der Sportfähigkeit nach proximaler Tibiafraktur beim Skifahren.
OUP 2014; 11: 536–542 DOI 10.3238/oup.2014.0536–0542

Summary

Background: Proximal tibial fractures caused by alpine skiing have been gaining in importance in recent years.

Hypotheses: The return to the sport correlates with the fracture type.

Methods: Patients with proximal tibial fractures caused by alpine skiing between 2007 and 2010 were included. The patients were treated analogously to our protocol. Factures were classified analogue to AO-Classification. The follow-up was done with the Tegner activity index at a minimum of 1 year post-operative.

Results: 188 patients were treated. 43 patients with type A fractures, 96 with type B fractures and 49 with type C fractures. 123 patients were followed up with the Tegner activity index. Type C fractures showed with 3,65 ± 1,5 points significant (p = 0,002) worse results compared to the type A and B fractures.

Conclusion: Return to sports after proximal tibial fractures sustained alpine skiing is fracture related.

Keywords: alpine skiing, proximal tibia fracture, tibial plateau fracture, sport, outcome

Citation
Gutsfeld P, Bühren V, Pätzold R: Outcome and return to sports after proximal tibial fracture sustained during alpine skiing.
OUP 2014; 11: 536–542 DOI 10.3238/oup.2014.0536–0542

Einleitung

Das alpine Skifahren ist der populärste Wintersport in Deutschland. Über 4 Millionen Deutsche üben diesen Sport aus [1, 2]. Dabei verletzen sich jedes Jahr zwischen 50.000 bis 60.000 Deutsche und benötigen eine medizinische Behandlung [3]. Dabei ist das Kniegelenk die am häufigsten verletzte Körperregion. In den letzten Jahren konnte eine Zunahme von schweren knöchernen proximalen Tibiafrakturen gesehen werden [4, 5].

Ziel dieses Artikels ist es, die Versorgung der proximalen Tibiafrakturen, die beim Skifahren entstehen, die Nachbehandlung und die Rückkehr zum Sport darzustellen.

Material und Methoden

Zwischen dem 01.01.2007 und dem 01.06.2010 wurden alle proximalen Tibiafrakturen im alpinen Skisport prospektiv in unserer unfallchirurgischen Abteilung an den Standorten Garmisch-Partenkirchen und Murnau erfasst und systematisch nachuntersucht. Die Klassifikation der proximalen Tibiafrakturen erfolgte anhand der Röntgen- und der CT-Untersuchungen nach der AO-Klassifikation. Es wurde in Typ A für extraartikuläre Verletzungen bzw. knöcherne vorderen Kreuzbandausrisse, in Typ B für die unikondylären und in Typ C für die bikondylären Frakturen unterschieden. Bei den knöchernen Kreuzbandausrissen erfolgte zusätzlich die Unterteilung nach der modifizierten McKeever/Meyers-Klassifikation [6, 7, 8] mittels CT. Bei allen uni- oder bikondylären Frakturen führten wir ein CT zur präoperativen Planung durch.

Dokumentiert wurden Begleitverletzungen, wie das Auftreten eines Kompartmentsyndroms, das Vorliegen einer Nerven- oder Gefäßläsion sowie die Komplikationen während des stationären Aufenthalts. Als Komplikationen wurden das postoperative Auftreten einer Wundheilungsstörung, tiefe Infektionen sowie einer Thrombose definiert. Es erfolgte die Untersuchung mit dem Tegner Aktivitätsindex nach mindestens 1 Jahr post Trauma. Die Scores wurden über ein Anschreiben der Patienten erhoben.

Statistik

Die Analyse der Daten wurde mit SPSS 17.0 durchgeführt. Kruskal-Wallis Test. Als statistisches Signifikanzniveau wurde ein Wert von p < 0,05 angenommen.

Behandlungsschema

Unser Behandlungsalgorithmus orientiert sich an der gängigen AO-Klassifikation. Nachfolgend soll dieser anhand der AO-Klassifikation dargestellt werden.

Typ-A-Frakturen

Frakturen der Klassifikation A nach der AO sind keine einheitliche Entität. Daher ist die Therapie differenziert zu betrachten. 41A1-Frakturen beschreiben knöcherne Band-/Sehnenausrissverletzungen des Kniegelenks. A1.1 beschreibt die proximale Fibulafraktur als knöchernen Ausriss des lateralen Kollateralbandkomplexes; A1.2 die Fraktur der Tuberositas tibiae und A1.3 die knöcherne Ausrissverletzung der Eminentia interkondylaris als tibialen Ausriss des vorderen und/oder hinteren Kreuzbands (Abb. 1a-b).

Diese Verletzungen sind ein Hinweis auf ein komplexes Knietrauma, entscheidend ist es daher, mittels klinischer Untersuchung und Kernspintomografie Begleitpathologien wie Meniskusverletzungen, Bandläsionen oder Knorpelläsionen zu erkennen. Die Therapie muss differenziert die Komplexverletzung des Kniegelenks adressieren. Die häufigste Verletzung, die Ausrissfraktur des vorderen und/oder hinteren Kreuzbands tibial, wird im Sport zunehmend auch im Erwachsenenalter beobachtet. Entscheidend in der therapeutischen Versorgung ist auf der einen Seite die stufenfreie Rekonstruktion der in der Regel in die mediale tibiale Gelenkfläche reichenden Fragmente, auf der anderen Seite die stabile Fixierung der Kreuzbänder. Therapeutisch soll zum einen auf die Möglichkeit der Augmentation mittels Sehnentransplantat hingewiesen werden, zum anderen auf die Option des dorsalen Zugangs zur Reposition und Stabilisierung des hinteren Kreuzbands in Einzelfällen.

Die metaphysären extraartikulären Frakturen A2 und A3 sind im Sport sehr seltene Verletzungen und werden eher beim direkten Trauma beobachtet. Therapieoption ist hier ein proximaler Tibianagel mit multiplen proximalen Verriegelungsoptionen. Mit Zunahme der metaphysären Komponenten der Fraktur sollte die Option einer kurzen monokortikalen Antirotationsplatte genutzt werden.

Typ-B-Frakturen

B1-Frakturen sind reine Spaltfrakturen des medialen oder lateralen Tibiaplateaus, B2-Depressionsfrakturen und B3 beschreibt die Komplexverletzung in Kombination auf Spalt- und Depressionsfraktur (Abb. 2a-b). Während die laterale Spaltfraktur in der Regel in der operativen Versorgung und im Verlauf keine Komplikationen erwarten lässt, deutet die mediale Fraktur insbesondere als B1.3-Fraktur mit Beteiligung der Eminentia intercondylaris auf eine Hochrasanzverletzung mit Meniskus- und Bandverletzungen hin. Hier werden aufgrund der Komplexverletzungen neurovaskuläre Begleitverletzungen und Kompartmentsyndrome beobachtet (Luxationsfrakturen Typ II in der Moor-Klassifikation). Eine weitere Besonderheit der medialen Spaltbrüche sind die Frakturen der dorsomedialen proximalen Tibiakonsole im Sinne der Luxationsfraktur Moor-Klassifikation Typ I. Die Frakturen sind hoch instabil und müssen über einen dorso-, ggf. dorso-medialen Zugang mit dorsaler/dorsaler-medialer Plattenlage adressiert werden. Die Depressionsfrakturen werden unter arthroskopischer und radiologischer Sicht indirekt reponiert. Dies kann herkömmlich mittels gebogenem Stößel über ein Kortikalisfenster von distal erfolgen, alternativ kommen in neuerer Zeit Ballonverfahren wie in der Kyphoplastie zum Einsatz. Entscheidend ist hier die Unterfütterung des Defekts mit Eigenspongiosa (ggf. aus der proximalen Tibia oder dem Beckenkamm), allogenem Knochenmaterial oder ggf. auch Knochenersatzmaterial. Zusätzlich kommen perkutane Schrauben als gelenknahe Stabilisierung zum Einsatz.

Komplexe B3-Verletzungen bedürfen in der Regel eines offenen antero-lateralen Zugangs mit offener anatomischer Rekonstruktion der Gelenkfläche, beim Sportler in der Regel Defektauffüllung mit Eigenspongiosa, ggf. auch kortikospongiösen Blöcken aus dem Becken und Stabilisation mittels winkelstabiler anatomischer lateraler Großfragmentplatte. Zur intraoperativen Kontrolle ist ein 3D-BV angeraten, um verbliebene Stufen intraoperativ korrigieren zu können.

Typ-C-Frakturen

Die komplexen C-Frakturen zeigen einen hohen Anteil an Weichteilkomplikationen, neurovaskulären Begleitverletzungen und Kompartmentsyndromen (Abb. 3a-b). Daher sollte bei diesen schwerwiegenden Verletzungen unmittelbar eine CT-Angiografie durchgeführt werden, um Gefäßverletzungen, insbesondere bei jungen Patienten, auszuschließen. Die operative Versorgung erfolgt 2-zeitig unter Anlage primär eines reponierenden gelenkübergreifenden Fixateur externe. Erst im Intervall nach 3–8 Tagen kann die definitive Versorgung erfolgen. Hierzu ist in der Regel ein ausgedehnter lateraler Zugang mit offener Reposition und Defektauffüllung erforderlich. Findet sich nach Reposition eine stabile mediale Abstützung mit intrinsischer medialer Stabilität, reicht die Anlage einer langen anatomischen winkelstabilen lateralen proximalen Tibiaplatte. Bei medialer Trümmerzone mit fehlender medialer Abstützung ist eine zusätzliche mediale Stabilisierung anzustreben. Hierzu kann im Einzelfall ein medialer Fixateur angelegt werden, in der Regel erfolgt die mediale Stabilisierung mittels durchgeschobener kurzer winkelstabiler medialer Abstützplatte im Sinne eines Fixateur interne. Eine zusätzliche Devastierung der Fraktur ist hier zu vermeiden. Zur Beurteilung des operativen Ergebnisses ist intraoperativ ein 3D-BV hilfreich, postoperativ sollte eine Computertomografie mit 3D-Rekonstruktion erfolgen. Bedeutsam ist ferner die postoperative Kontrolle der Beinachse im Seitenvergleich, da ein verbliebener Valgus bei lateraler Fraktur die mittel- und langfristige Prognose des Frakturverlaufs erheblich verschlechtert. Die begleitenden Meniskus- und Bandverletzungen müssen intraoperativ adressiert werden, der Außenmeniskus ist bei den komplexen C-Verletzungen in aller Regel ausgerissen und muss reinseriert werden. Die Kreuzbänder sind in der Regel tibial knöchern ausgerissen und lassen sich durch anatomisches Einpassen der Fragmente in der Regel bewegungsstabil fixieren, ohne dass eine weitere Fixierung notwendig wird. Regelhaft ist im weiteren Verlauf neben der Gelenkkongruenz und der Beinachse die Bandstabilität des Kniegelenks zu beurteilen. Nur selten ist eine sekundäre Stabilisierung im Sinne einer Kreuzbandersatzplastik erforderlich.

Nachbehandlung

A1-Frakturen werden entsprechend der Sehnen-/Bandrekonstruktion nachbehandelt. Für die häufigste A1.3-Verletzung verwenden wir das „Kreuzbandschema“ mit Anlage einer Kreuzbandorthese für 6 Wochen mit einem Bewegungsumfang von 0–0–90° und einer Teilbelastung von 20 kg Körpergewicht für 4 Wochen, um Beugebelastung zu vermeiden.

Stabile B1-Verletzungen können orthesenfrei mit 20 kg Teilbelastung für 6 Wochen nachbehandelt werden. Für alle B- und C-Verletzungen empfehlen wir eine CPM-Schiene (continuous passive motion) für 6 Wochen. Lokale und systemische, antiphlogistische, analgetische Maßnahmen sollten ergänzt werden, nicht steroidale Analgetika, wie Diclofenac und Ibuprofen sollten aufgrund der Hemmung der Osteoplasten frühzeitig abgesetzt werden.

Für die B2-, B3- und C-Frakturen empfehlen wir die postoperative Entlastung des Defekts mit einer Orthese. Da die häufigste Defektsituation lateral bei den Sportverletzungen zu finden ist, kommt hier eine valgisierende Orthese mit einem Bewegungsumfang für 0–0–90° zur Anwendung. Während B-Verletzungen in der Regel nach 6 Wochen belastungsstabil beim Sport verheilt sind, muss die Teilbelastung bei zunehmender Defektsituation auf 8–10 Wochen gesteigert werden. Neben der passiven Bewegung des Kniegelenks können von Anfang an isometrische Übungen durchgeführt werden, Beugebelastung kann erst im Rahmen der Konsolidierung der Fraktur hinzugenommen werden. Kraft-/Koordinationstraining und sportspezifisches Training sind nach Erreichen der Vollbelastung schrittweise zu ergänzen. Nur in Einzelfällen kann im weiteren Verlauf versucht werden, eine Entlastung eines Gelenkkompartiments des Kniegelenks mittels Schuhranderhöhung oder Einlagenversorgung durchzuführen.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 188 Patienten mit proximalen Tibiafrakturen zwischen 2007 und 2010 behandelt. Das Durchschnittsalter betrug 45,8 (± 15,4) Jahre. Es waren 98 Frauen und 91 Männer betroffen.

Alle 188 Frakturen konnten nach der AO Klassifikation eingeteilt werden. Die unikondylären Frakturen waren die häufigsten Frakturen, gefolgt von den komplexen bikondylären Frakturen und den knöchernen Kreuzbandverletzungen (Tab. 1).

Typ-A-Frakturen

Bei den Typ-A-Verletzungen waren fast alle knöcherne Kreuzbandausrisse. (Typ-A1.3- Frakturen: 93,0 %; Typ-A2-Frakturen: 4,7 %; Typ-A3-Frakturen: 2,3 %). Deswegen sind wir im Folgenden nur auf die Typ-A1.3-Verletzungen eingegangen.

Es lagen keine offenen knöchernen Verletzungen bei den A1.3-Verletzungen vor. Auch ein Kompartmentsyndrom oder eine Gefäß-/Nervenläsion konnte nicht gesehen werden. Die differenzierte Klassifikation nach Meyers und McKeever konnte in 39 von 40 Fällen eindeutig bestimmt werden. Die meisten Frakturen wurden als Typ II und Typ III klassifiziert (Abb. 4). Der Anteil der knöchernen hinteren Kreuzbandläsionen lag in unserem Kollektiv bei 23 %. Es wurden keine postoperativen Komplikationen festgestellt.

Typ-B-Frakturen

Über die Hälfte aller proximalen Tibiafrakturen waren unikondyläre Typ-B-Frakturen. Das laterale Tibiaplateau war fast ausschließlich betroffen. Nur 4 Frakturen betrafen die mediale Kondyle (eine Typ B1, eine Typ B2 und 2 Typ B3). 53 der 96 Frakturen waren Spalt-Impressionsfrakturen Typ B3. Männer waren bei den Typ-B1-Frakturen hauptsächlich betroffen, bei Typ B2 waren eher die Frauen häufiger betroffen. Schwere Begleitverletzungen wie ein Kompartmentsyndrom oder eine Gefäß-/Nervenläsion wurden nicht beobachtet.

Zwei Komplikationen nach operativ versorgten Typ-B3-Frakturen wurden festgestellt. Es handelt sich in einem Fall um eine tiefe postoperative Infektion, und in dem anderen Fall um eine allergische Reaktion auf die intraoperative Antibiotikagabe.

Typ-C-Frakturen

49 Patienten erlitten eine bikondyläre Verletzung der proximalen Tibia, wovon 94 % Typ-C3-Verletzungen waren. Bei einem Drittel der Patienten bestand ein begleitendes Kompartmentsyndrom, welches mit 4-Logen-Fasziotomie und temporärer Vakuumversieglung behandelt wurde. Eine Verletzung des N. peroneus wurde in 3 Fällen festgestellt und in einem Fall war die A. poplitea verletzt.

Postoperative Komplikationen wurden bei 11 Patienten festgestellt. Wundheilungsstörung war die häufigste Komplikation, welche bei einem medialen und lateralen Zugang häufiger auftrat (Abb. 5). Es konnten 123 Patienten mit dem Tegner Aktivitätsindex nachuntersucht werden (65 %). Der Aktivitätsindex nach Tegner hatte vor dem Unfall einen Wert von 6,1 Punkten bei allen Patienten. Im Follow-up war dieser bei den Typ-A-Verletzungen auf 4,56 ± 1,8 Punkte und bei den Typ B auf 4,6 ± 1,6 Punkte reduziert. Die Typ-C-Verletzungen waren mit 3,65 ± 1,5 Punkten signifikant (p = 0,002) schlechter im Vergleich zu den Typ-A-und B-Verletzungen. Die Rückkehr auf das vorherige Aktivitätsniveau war für Typ-B1- und B2-Verletzungen am besten und am schlechtesten für die komplexen C3-Verletzungen.

Diskussion

Über die Jahre gesehen nehmen die Verletzungen beim alpinen Skifahren ab, dagegen nimmt der Anteil der Knieverletzungen stetig zu [3, 2, 1]. Neben der fast schon klassischen Verletzung des vorderen Kreuzbands [9] werden in letzter Zeit vermehrt schwere knöcherne Verletzungen des Kniegelenks festgestellt [4, 5].

Die Ursache, warum es gerade beim Skifahren zu schweren Knieverletzungen kommt, ist vielschichtig. Ein Grund ist, dass die 2 Ski bei einem Sturz zu einer Rotationskomponente in den Knien führen können. Dieser Rotationsverletzungsmechanismus ist für die häufigste ligamentäre Gelenkverletzung im alpinen Skisport, die vordere Kreuzbandverletzung, beschrieben [9, 10, 11]. Es ist anzunehmen, dass der Verletzungsmechanismus für die knöcherne vordere Kreuzbandruptur AO A1.3 denselben Mechanismus hat. Warum es zu einem knöchernen Ausriss des Kreuzbands, und nicht zu einer ligamentären Verletzung kam, bleibt unklar. Für die differenzierte Unterteilung der knöchernen vorderen Kreuzbandrupturen wird die modifizierte Meyer-McKeever-Klassifikation verwendet [7, 6, 8]. Diese Klassifikation scheint im Hinblick auf das Osteosyntheseverfahren praktikabler. So wurde für die Frakturen, die einen soliden Knochenblock hatten, die Schraubenosteosynthese angewendet. Für die mehrfach frakturierten Formen, den Typ 4, wurde eine Augmentation verwendet. In der Literatur konnte keine Überlegenheit eines der beiden Verfahren gezeigt werden [12, 13, 14, 15].

Das Ergebnis des Tegner-Scores ist mit den in der Literatur beschriebenen vergleichbar gut [16, 13, 17, 18]. Was allerdings überrascht, ist, dass trotz der guten Ergebnisse doch fast zwei Drittel der Patienten eine Einbuße in ihren sportlichen Aktivitäten hinnehmen müssen.

Bei den unikondylären Verletzungen kommt es sehr häufig zu einer Beteiligung der lateralen Kondyle. Ein Grund ist, dass die Knochenstruktur der lateralen Kondyle schwächer ist als die medialen Kondyle [19, 20]. Außerdem begünstigt der Unfallmechanismus durch einen zusätzlichen Valgusstress [21] die Häufigkeit der Fraktur an der lateralen Kondyle. Die Stärke der Krafteinleitung ist im Zusammenhang mit den Frakturformen der unikondylären Frakturen und der begleitenden Band- und Meniskusverletzungen zu sehen [22, 23]. Beim Follow-up mit dem Tegner Aktivitätsindex war ein gutes Ergebnis zu beobachten. Schaut man aber differenziert auf die Rückkehr zu dem alten Sportniveau, sind frakturspezifische Unterschiede zu sehen. So konnte die Mehrheit der Patienten mit B1- und B2-Verletzungen zum alten Niveau zurückkehren und nur knapp ein Drittel der Patienten mir B3-Verletzungen.

Komplexe bikondyläre proximale Tibiafrakturen sind häufig mit einem hoch energetischen Unfall vergesellschaftet [24, 25]. Allerdings finden sich die gängigen Unfallmechanismen, wie Sturz aus großer Höhe oder Kollisionsunfälle nicht beim Skifahren. Hier liegt in den meisten Fällen ein Sturz ohne Fremdeinwirkung mit Verkanten des Skis vor [5].

Das 2-seitige Vorgehen wird bei kritischen Weichteilverhältnissen angewendet, um die postoperativen Wundkomplikationen zu reduzieren [25]. Bei der definitiven Versorgung wurden 2 Osteosynthesearten vergewendet. Wenn möglich, wurde die unilaterale Osteosynthese mit winkelstabiler Platte angewendet. Diese hat den Vorteil, die Weichteile zu schonen und weniger postoperative Infektionen zu verursachen [24, 26]. Allerdings kann mit dem unilateralen Zugang die mediale Kondyle häufig nur unzureichend reponiert und stabilisiert werden [26–29], sodass ein medialer und lateraler Zugang notwendig ist, trotz erhöhter Zugangsmorbidität. Der Anteil der postoperativen Komplikationen ist mit den publizierten Daten vergleichbar. Das Follow-up war signifikant schlechter als bei den Patienten mit Typ-A1.3- und Typ-B-Verletzungen. Der Tegner Score bei proximalen bikondylären Frakturen wurde nur in wenigen Studien erhoben [26, 30]. Dies liegt daran, dass die komplexen bikondylären Tibiafrakturen eher als Hochrasanztrauma gesehen und weniger in Verbindung mit dem Sport gebracht wurden. Aber gerade für einen sportlichen Patienten ist die Rückkehr in den Sport eine wichtige Frage. Dass nur ein Fünftel der Patienten wieder in den Sport zurückkehren konnten, unterstreicht die Schwere und die Bedeutung der proximalen bikondylären Tibiafrakturen im Skisport (Abb).

Schlussfolgerung

Proximale Tibiafrakturen sind eine zunehmende schwerwiegende Verletzungen im alpinen Skisport. Die Behandlung und deren Ergebnisse sind mit denen bei durch Straßenverkehr oder Arbeit zugezogenen proximalen Tibiafrakturen zu vergleichen. Die sportliche Bedeutung für den einzelnen Patienten ist zwar frakturspezifisch, hat aber entscheidenden Einfluss auf die weitere Sportfähigkeit der Patienten.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Robert Pätzold

BG Unfallklinik Murnau

Prof. Küntscherstr. 8

82418 Murnau

Robert.paetzold@bgu-murnau.de

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Fussnoten

1 Klinikum Garmisch-Partenkirchen, Abteilung für Unfallchirurgie und Sportorthopädie

2 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

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