Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Ergebnisse und Wiedererlangen der Sportfähigkeit nach proximaler Tibiafraktur beim Skifahren

Die metaphysären extraartikulären Frakturen A2 und A3 sind im Sport sehr seltene Verletzungen und werden eher beim direkten Trauma beobachtet. Therapieoption ist hier ein proximaler Tibianagel mit multiplen proximalen Verriegelungsoptionen. Mit Zunahme der metaphysären Komponenten der Fraktur sollte die Option einer kurzen monokortikalen Antirotationsplatte genutzt werden.

Typ-B-Frakturen

B1-Frakturen sind reine Spaltfrakturen des medialen oder lateralen Tibiaplateaus, B2-Depressionsfrakturen und B3 beschreibt die Komplexverletzung in Kombination auf Spalt- und Depressionsfraktur (Abb. 2a-b). Während die laterale Spaltfraktur in der Regel in der operativen Versorgung und im Verlauf keine Komplikationen erwarten lässt, deutet die mediale Fraktur insbesondere als B1.3-Fraktur mit Beteiligung der Eminentia intercondylaris auf eine Hochrasanzverletzung mit Meniskus- und Bandverletzungen hin. Hier werden aufgrund der Komplexverletzungen neurovaskuläre Begleitverletzungen und Kompartmentsyndrome beobachtet (Luxationsfrakturen Typ II in der Moor-Klassifikation). Eine weitere Besonderheit der medialen Spaltbrüche sind die Frakturen der dorsomedialen proximalen Tibiakonsole im Sinne der Luxationsfraktur Moor-Klassifikation Typ I. Die Frakturen sind hoch instabil und müssen über einen dorso-, ggf. dorso-medialen Zugang mit dorsaler/dorsaler-medialer Plattenlage adressiert werden. Die Depressionsfrakturen werden unter arthroskopischer und radiologischer Sicht indirekt reponiert. Dies kann herkömmlich mittels gebogenem Stößel über ein Kortikalisfenster von distal erfolgen, alternativ kommen in neuerer Zeit Ballonverfahren wie in der Kyphoplastie zum Einsatz. Entscheidend ist hier die Unterfütterung des Defekts mit Eigenspongiosa (ggf. aus der proximalen Tibia oder dem Beckenkamm), allogenem Knochenmaterial oder ggf. auch Knochenersatzmaterial. Zusätzlich kommen perkutane Schrauben als gelenknahe Stabilisierung zum Einsatz.

Komplexe B3-Verletzungen bedürfen in der Regel eines offenen antero-lateralen Zugangs mit offener anatomischer Rekonstruktion der Gelenkfläche, beim Sportler in der Regel Defektauffüllung mit Eigenspongiosa, ggf. auch kortikospongiösen Blöcken aus dem Becken und Stabilisation mittels winkelstabiler anatomischer lateraler Großfragmentplatte. Zur intraoperativen Kontrolle ist ein 3D-BV angeraten, um verbliebene Stufen intraoperativ korrigieren zu können.

Typ-C-Frakturen

Die komplexen C-Frakturen zeigen einen hohen Anteil an Weichteilkomplikationen, neurovaskulären Begleitverletzungen und Kompartmentsyndromen (Abb. 3a-b). Daher sollte bei diesen schwerwiegenden Verletzungen unmittelbar eine CT-Angiografie durchgeführt werden, um Gefäßverletzungen, insbesondere bei jungen Patienten, auszuschließen. Die operative Versorgung erfolgt 2-zeitig unter Anlage primär eines reponierenden gelenkübergreifenden Fixateur externe. Erst im Intervall nach 3–8 Tagen kann die definitive Versorgung erfolgen. Hierzu ist in der Regel ein ausgedehnter lateraler Zugang mit offener Reposition und Defektauffüllung erforderlich. Findet sich nach Reposition eine stabile mediale Abstützung mit intrinsischer medialer Stabilität, reicht die Anlage einer langen anatomischen winkelstabilen lateralen proximalen Tibiaplatte. Bei medialer Trümmerzone mit fehlender medialer Abstützung ist eine zusätzliche mediale Stabilisierung anzustreben. Hierzu kann im Einzelfall ein medialer Fixateur angelegt werden, in der Regel erfolgt die mediale Stabilisierung mittels durchgeschobener kurzer winkelstabiler medialer Abstützplatte im Sinne eines Fixateur interne. Eine zusätzliche Devastierung der Fraktur ist hier zu vermeiden. Zur Beurteilung des operativen Ergebnisses ist intraoperativ ein 3D-BV hilfreich, postoperativ sollte eine Computertomografie mit 3D-Rekonstruktion erfolgen. Bedeutsam ist ferner die postoperative Kontrolle der Beinachse im Seitenvergleich, da ein verbliebener Valgus bei lateraler Fraktur die mittel- und langfristige Prognose des Frakturverlaufs erheblich verschlechtert. Die begleitenden Meniskus- und Bandverletzungen müssen intraoperativ adressiert werden, der Außenmeniskus ist bei den komplexen C-Verletzungen in aller Regel ausgerissen und muss reinseriert werden. Die Kreuzbänder sind in der Regel tibial knöchern ausgerissen und lassen sich durch anatomisches Einpassen der Fragmente in der Regel bewegungsstabil fixieren, ohne dass eine weitere Fixierung notwendig wird. Regelhaft ist im weiteren Verlauf neben der Gelenkkongruenz und der Beinachse die Bandstabilität des Kniegelenks zu beurteilen. Nur selten ist eine sekundäre Stabilisierung im Sinne einer Kreuzbandersatzplastik erforderlich.

Nachbehandlung

A1-Frakturen werden entsprechend der Sehnen-/Bandrekonstruktion nachbehandelt. Für die häufigste A1.3-Verletzung verwenden wir das „Kreuzbandschema“ mit Anlage einer Kreuzbandorthese für 6 Wochen mit einem Bewegungsumfang von 0–0–90° und einer Teilbelastung von 20 kg Körpergewicht für 4 Wochen, um Beugebelastung zu vermeiden.

Stabile B1-Verletzungen können orthesenfrei mit 20 kg Teilbelastung für 6 Wochen nachbehandelt werden. Für alle B- und C-Verletzungen empfehlen wir eine CPM-Schiene (continuous passive motion) für 6 Wochen. Lokale und systemische, antiphlogistische, analgetische Maßnahmen sollten ergänzt werden, nicht steroidale Analgetika, wie Diclofenac und Ibuprofen sollten aufgrund der Hemmung der Osteoplasten frühzeitig abgesetzt werden.

Für die B2-, B3- und C-Frakturen empfehlen wir die postoperative Entlastung des Defekts mit einer Orthese. Da die häufigste Defektsituation lateral bei den Sportverletzungen zu finden ist, kommt hier eine valgisierende Orthese mit einem Bewegungsumfang für 0–0–90° zur Anwendung. Während B-Verletzungen in der Regel nach 6 Wochen belastungsstabil beim Sport verheilt sind, muss die Teilbelastung bei zunehmender Defektsituation auf 8–10 Wochen gesteigert werden. Neben der passiven Bewegung des Kniegelenks können von Anfang an isometrische Übungen durchgeführt werden, Beugebelastung kann erst im Rahmen der Konsolidierung der Fraktur hinzugenommen werden. Kraft-/Koordinationstraining und sportspezifisches Training sind nach Erreichen der Vollbelastung schrittweise zu ergänzen. Nur in Einzelfällen kann im weiteren Verlauf versucht werden, eine Entlastung eines Gelenkkompartiments des Kniegelenks mittels Schuhranderhöhung oder Einlagenversorgung durchzuführen.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 188 Patienten mit proximalen Tibiafrakturen zwischen 2007 und 2010 behandelt. Das Durchschnittsalter betrug 45,8 (± 15,4) Jahre. Es waren 98 Frauen und 91 Männer betroffen.

Alle 188 Frakturen konnten nach der AO Klassifikation eingeteilt werden. Die unikondylären Frakturen waren die häufigsten Frakturen, gefolgt von den komplexen bikondylären Frakturen und den knöchernen Kreuzbandverletzungen (Tab. 1).

Typ-A-Frakturen

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