Originalarbeiten - OUP 10/2013

Erste Erfahrungen in der Anwendung von intraartikulärem Ropivacain nach Knietotalendoprothese in 1252 konsekutiven Fällen

W. Siebert1

Zusammenfassung

Die Schmerztherapie bei Kniegelenkersatz ist von großer Bedeutung. Immerhin werden ca 150.000 Erstimplantationen von Knieprothesen und etwa 13.000 Revisionsoperationen am Kniegelenk pro Jahr in Deutschland durchgeführt. Wir stellten uns die Frage, ob die intraartikuläre Anwendung von Ropivacain die postoperativen Schmerzen von Patienten, die eine Knietotalendoprothese erhalten haben, deutlich reduzieren kann. In 1252 konsekutiven Anwendungen konnten wir zeigen, dass bei einer ausreichend hohen Durchflussrate pro Stunde (mehr als 5 ml/h) mithilfe eines intraartikulären Schmerzkatheters über eine abgeschlossene elastische Ballonpumpe eine sehr gute Reduzierung der postoperativen Schmerzen bei K-TEP möglich ist, insbesondere Opiate eingespart werden können, die Patienten sehr rasch früh mobilisiert und die negativen Effekte von Femoralis- und Ischiadicus-Kathetern vermieden werden können.

Schlüsselwörter: postoperative Schmerztherapie, Knietotalendoprothetik, Lokalanästhesie, intraartikulärer Schmerzkatheter, Rapid-Recovery-Programme

Zitierweise

Siebert W: Erste Erfahrungen in der Anwendung von intraartikulärem Ropivacain nach Knietotalendoprothese in 1252 konsekutiven Fällen.
OUP 2013; 10: 452–457. DOI 10.3238/oup.2013.0452–0457

Abstract

The pain therapy following total knee replacement has a great significance, as more than 150.000 primary total knee replacements and about 13.000 knee revision surgeries are performed per year. This raises the question, whether intra-articular use of Ropivacain can reduce the postoperative pain in patients, who received a total knee replacement. In 1252 consecutive applications we could achieve a very good reduction of postoperative pain following total knee replacement with the help of an intraarticular pain catheter with an elastic balloon pump and a sufficient high flow rate per hour (more than 5 ml/h). Due to that, opiates could be reduced, early mobilization could be realized and negative effects of femoralis and ischiadicus catheters could be avoided.

Keywords: postoperative pain therapy, total knee replacement, local anesthesia, intraarticular pain catheter, Rapid-Recovery-Programs

Citation

Siebert W: First results of intraarticular Ropivacain application following total knee replacement in 1252 consecutive cases.
OUP 2013; 10: 452–457. DOI 10.3238/oup.2013.00452–0457

Einführung:

Die Schmerztherapie bei Kniegelenkersatz ist von großer Bedeutung. Immerhin wurden der externen Qualitätssicherung in Deutschland im Jahr 2011 146.744 Erstimplantationen von Knieprothesen und 12.301 Revisionsoperationen am Kniegelenk gemeldet [1].

Operationen am offenen Knie zeichnen sich leider durch erhebliche postoperative Schmerzen aus, die auch das Ergebnis des vielleicht ansonsten geglückten operativen Eingriffs durch mangelnde postoperative Schmerztherapie und damit mangelnde physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten negativ beeinflussen können.

Die heute eingesetzten schmerztherapeutischen Maßnahmen sind vielfältig: Medikamentöse Analgesie, medikamentöse Entzündungshemmer, aber auch lokale und begleitende Maßnahmen haben ihren Stellenwert. Leider lassen die schmerztherapeutischen Kombinationstherapien im postoperativen Verlauf einige Fragen offen.

Der in Deutschland so beliebte Femoralis-Nervenblock bietet keine Analgesie für die Kniekehle, hat große Nachteile bei der Mobilisierung der Patienten, da durchaus beim alleinigen Femoralis-Block erhebliche Gangunsicherheiten auftreten können und der Patient nicht selbstständig aufstehen kann. Wenn er dies dennoch tut, sind Stürze nicht selten, mit katastrophalen Folgen bis hin zur Notwendigkeit des Ausbaus der am Schluss dann infizierten Knieprothese nach aufgeplatzter Wunde. Alle erfahrenen Operateure kennen diese Fälle, und es sind Katastrophen, wenn ein ansonsten gesunder Patient mit einer geglückten Endoprothesenoperation einen schweren septischen Verlauf nur deshalb erlebt, weil er mit dem Femoralis-Katheter oder gar mit einem doppelten Block Femoralis-Ischiadicus-Katheter versucht hat, aufzustehen, gestürzt ist, das Knie aufgeplatzt ist und eine septische Protheseninfektion dann nicht vermieden werden konnte – mit all ihren schrecklichen Folgen für den Patient und letztendlich auch den Arzt.

Da wir heute alle danach streben, die Patienten rasch zu mobilisieren und schmerzfrei zu Bewegungsübungen führen zu können, ist die Nervenblockade eine unbefriedigende Lösung, da sie Patienten immobilisiert, ans Bett bindet, das Pflegepersonal hoch belastet, da bei jeder Mobilisation, jedem Toilettengang, eine Stationsschwester oder ein Pfleger anwesend sein muss, bisweilen sind sogar 2 Personen nötig. Dies ist keine gute Lösung, noch dazu, wenn die Schmerzlinderung insuffizient ist und große Bereiche, insbesondere in der Kniekehle, nicht erreicht werden.

Die weiterhin eingesetzten hochpotenten Opioide, insbesondere wenn sie in Eigentherapie mit PCA-Pumpe verwendet werden, führen nicht selten zu erheblicher Übelkeit, zur Beeinträchtigung der Darmfunktion und natürlich zu Müdigkeit mit eingeschränkter Fähigkeit, alltägliche Verrichtungen durchzuführen. Natürlich wird man in der direkt postoperativen Phase Medikamente wie Paracetamol, Novaminsulfon oder Tramadol verwenden, wenn möglich auch die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika, wenn keine Kontraindikationen bestehen, aber häufig ist in der direkten postoperativen Phase nach der K-TEP-Operation mit diesen Medikamenten keine ausreichende Schmerzlinderung zu erreichen. Opiate haben die bekannten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Dyspepsie, Störung der Darmfunktion, was gerade bei älteren Patientinnen als sehr unangenehm empfunden werden kann, insbesondere, wenn es mit Übelkeit und Erbrechen einhergeht. Letztendlich also einige recht unbefriedigende Lösungen. Auch vonseiten der Schmerztherapeuten wird oft nicht am Wirkort, an dem der Schmerz entsteht, eingegriffen, sondern eben häufig durch Verfahren an den Nerven oder durch medikamentöse Therapien, die indirekt wirken und eine Reihe von Problemen mit sich bringen, die man als Operateur und als Patient eigentlich nicht akzeptieren will.

Gerade in den USA und in Dänemark mit den oft kurzen Liegezeiten der Patienten in den Kliniken haben sich deshalb Verfahren in unterschiedlichem Maße durchgesetzt, die von der lokalen Infiltrationsanästhesie der Haut und des subkutanen Gewebes vor dem Hautschnitt bis hin zu einer Vielzahl von Kombinationen von artikulären Infiltrationen während und am Ende der Operation reichen. Lokalanästhetika mit Zusatz von Morphinen oder von Epinephrin werden hier oft in hohen Dosen gerade am Ende der Operation eingesetzt. Dies ist in Europa nicht sehr weit verbreitet, zeigt aber – wenn es bei liegender Blutsperre genügend Einwirkungszeit am Ende der Operation hat – erstaunlich gute postoperative schmerztherapeutische Effekte. Auch die Gabe von Steroiden wird im Moment in verschiedenen Studien überprüft.

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