Übersichtsarbeiten - OUP 05/2023

Fahrtauglichkeit unter Schmerzmedikamenten

Ebenso finden sich aber auch Hinweise darauf, dass mit verstärkten Beeinträchtigungen insbesondere bei Behandlungsbeginn, Dosiserhöhung, Präparatewechsel sowie in Zusammenwirken mit Alkohol oder der Einnahme von Beruhigungsmitteln zu rechnen ist.

Auch bei Präparaten der Stufe 1 WHO, z.B. Ibuprofen, ergaben sich Hinweise in Zusammenhang mit die Kognitionen beeinträchtigende unerwünschten Wirkungen. Dies gilt insbesondere für die hochdosierte Einnahme und in Zusammenhang mit dem Genuss von Alkohol. Den Gebrauchsinformationen für Patientinnen und Patienten ist zu entnehmen, dass gelegentlich (bis zu 1 von 100 Behandelten) zentralnervöse Störungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Schlaflosigkeit, Erregung, Reizbarkeit oder Müdigkeit auftreten können. Fachinformationen formulieren hier überwiegend milder, bei gleichzeitigem Konsum von Alkohol könnten wirkstoffbedingte Nebenwirkungen, insbesondere solche, die den Gastrointestinaltrakt oder das zentrale Nervensystem betreffen, verstärkt werden. Eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit ist auch hier also nicht grundsätzlich auszuschließen.

Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung

Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung [3], zuletzt publiziert am 31.12.2019, online zu finden unter www.bast.de, stellen eine Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungseinschränkender körperlicher und/oder geistiger Mängel zur Begutachtung der Kraftfahreignung im Einzelfall dar. In ihnen wurden im Laufe der Zeit die Werke „Krankheit und Kraftverkehr“ und „Psychologische Gutachten Kraftfahreignung“ zusammengeführt. Herausgeber ist die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), es geht in erster Linie um die Sicherheit im Straßenverkehr. Die Gutachterin/der Gutachter hat anhand der Leitlinien die Kompensationsfrage zu prüfen auch zu der Frage, ob ein stabiles Leistungsniveau und die Beherrschung von Belastungssituationen nachweislich ist, oder ob ein plötzliches Versagen der Leistungsfähigkeit zu erwarten ist. Bei der Kraftfahreignung wird davon ausgegangen, dass eine Betroffene/ein Betroffener ein Kraftfahrzeug nur dann nicht sicher führen kann, wenn aufgrund des individuellen körperlich-geistigen (psychischen) Zustandes beim Führen eines Kraftfahrzeugs Verkehrsgefährdung zu erwarten ist.

Fahrerlaubnisgruppen

  • Gruppe 1: Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, 2, B, BE, AM, L, T (z.B. Mopeds, Kraft- und Leichtkrafträder, land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, Fahrzeuge bis 3,5 t und Motorräder)
  • Gruppe 2: Führer von Fahrzeugen der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, D1E und die Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung (FZF) (z.B. Lastwagen und Busse, Fahrgastbeförderung, Fahrzeuge über 3,5 t)

Ausführlich werden in den genannten Schriften, die in Abständen aktualisiert werden, das Thema Alkoholmissbrauch, Abhängigkeit, Sucht (Abhängigkeit) und Intoxikationszustände, Betäubungsmittel und Arzneimittel, dann auch die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln behandelt.

Zu Sucht- und Intoxikationszuständen gelten dahingehende Leitsätze, dass, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) nimmt oder von ihnen abhängig ist, nicht in der Lage ist, den gestellten Anforderungen dem Führen von Kraftfahrzeugen bei beiden Gruppen gerecht zu werden. Dies gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

Für die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln gilt, dass bei nachgewiesener Intoxikation und anderen Wirkungen von Arzneimitteln, die die Leistungsfähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs beeinträchtigen, bis zu deren völligem Abklingen, die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen bei beiden Gruppe nicht gegeben ist. Werden Krankheiten und Krankheitssymptome mit höheren Dosen psychoaktiver Mittel behandelt, so können unter Umständen Auswirkungen auf das sichere Führen von Kraftfahrzeugen erwartet werden und zwar unabhängig davon, ob das Grundleiden sich noch auf die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit eines Betroffenen auswirkt oder nicht [4].

Die Beurteilung der Anpassung- und Leistungsfähigkeit einer Kraftfahrerin/eines Kraftfahrers an die Erfordernisse beim Führen eines Kraftfahrzeuges muss in jedem Falle sehr differenziert gesehen werden. Vor allem ist zu beachten, dass eine ganze Reihe von Erkrankungen, die von sich aus die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen können, durch Arzneimittelbehandlung soweit gebessert oder sogar geheilt werden, dass erst durch die Behandlung die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen wieder erreicht werden können. Entscheidend für die Beurteilung ist aber, ob eine Arzneimitteltherapie, insbesondere auch die Dauertherapie, zu schweren und für das Führen von Kraftfahrzeugen wesentlichen Beeinträchtigungen der psycho-physischen Leistungssysteme führt. Medikamentöse Behandlungen, in deren Verlauf erhebliche unerwünschte Wirkungen wie Verlangsamung und Konzentrationsstörungen auftreten, schließen die Eignung in jedem Fall aus. Ob solche Intoxikationen vorliegen, wird vor allem dann zu prüfen sein, wenn ein chronisches Grundleiden zu behandeln ist, dass mit Schmerzen oder starken vegetativen Beschwerden einhergeht, auch chronische Kopfschmerzen, Trigeminusneuralgie, Phantom-Schmerzen, Schlafstörungen usw.

Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang aber nicht nur Schmerzmittel, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antikonvulsiva, Neuroleptika und Antidepressiva oder Antiallergika, bei denen im Falle des Auftretens von Intoxikationserscheinungen qualitativ vergleichbare Gefahrensymptome zu berücksichtigen sind, sondern auch andere zur Dauerbehandlung eingesetzte Stoffe mit anderen gefährlichen Nebenwirkungen bzw. Intoxikationssymptomen.

Allgemein ist bei der Behandlung mit Arzneimitteln in der Initialphase eine besonders sorgfältige ärztliche Überwachung notwendig, auch später muss die ärztliche Führung der Therapie sichergestellt und je nach Fall in angemessenen Zeitabständen nachgewiesen werden [5].

Zu den verkehrswirksamen Medikamenten werden zum einen Analgetika (Opioide) aufgeführt. Hier wird eine Gefährdung durch starke Analgesie, Sedierung, ggf. Entzugssymptome, Stimmungs- und Antriebsänderung, Veränderung der kognitiven und sensorischen Leistungsfähigkeit beschrieben, Risiko Grad ++ bis ++++. Bei den nicht-opioiden Analgetika wird konstatiert, dass es sich um das an sich unbedenkliche Monopräparat handelt, bei denen ggf. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Gefährdung durch Mischpräparate mit Barbituraten oder Koffein oder Alkoholkonsum auftreten können, Risiko Grad 0 bis +++. Bei den Neuroleptika wird eine Gefährdung durch Dämpfung, Antriebsverminderungen, Störung der Koordination und Psychomotorik konstatiert, Risiko Grad + bis ++++; bei den Antidepressiva Gefährdung durch Antriebssteigerung oder -dämpfung, zentral nervöse Begleiterscheinungen, Erniedrigung der Krampfschwelle, Risiko Grad +++ bis ++++. Bei den Antiepileptika, wie sie auch zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden, Gefährdung durch Beeinträchtigung zentralnervöse Funktion und Sedierung, Risiko Grad ++ bis +++.

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