Übersichtsarbeiten - OUP 05/2023

Fahrtauglichkeit unter Schmerzmedikamenten

Bei den Beurteilungshinweisen heißt es weiterhin, dass grundsätzlich die Beurteilung folgende Ansätze berücksichtigen muss [6]:

  • 1. Liegt eine mögliche verkehrsrelevante Erkrankungen vor, bei der unbehandelt die Voraussetzungen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs nicht gegeben sind?
  • 2. Ist durch eine medikamentöse Dauerbehandlung die Krankheitssymptomatik abgeschwächt oder kompensiert, sodass unter Berücksichtigung der Leitsätze zur Grunderkrankung die Voraussetzungen zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr verbessert sind?
  • 3. Erfolgt die Medikamenteneinnahme überwacht und ärztlich indiziert, so dass ein mögliches Intoxikationsrisiko vermindert oder ausgeschlossen ist?
  • 4. In welcher Phase der Medikamenteneinstellung befindet sich der Untersuchte? (Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Phase der Neueinstellung, Umstellung oder das Ausschleichen einer Medikamentendosis oftmals als kritisch darstellen)
  • 5. Liegen eine Compliance und Kenntnis der Erkrankung vor, die ein Gefährdungspotenzial durch Teilnahme am Straßenverkehr nicht überdurchschnittlich hoch erscheinen lassen?
  • 6. Liegen bei ärztlich verordneter Medikation psycho-physische Leistungseinbußen oder Nebenwirkungen mit verkehrsrelevanten Auswirkungen vor?
  • 7. Können ggf. festgestellte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit kompensiert werden?

Der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV § 2 eingeschränkte Zulassung) ist u.a. zu entnehmen: Wer sich in Folge körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet. Die Pflicht zur Vorsorge, namentlich durch das Anbringen geeigneter Einrichtungen an Fahrzeugen, durch den Ersatz fehlender Gliedmaßen mittels künstlicher Glieder, durch Begleitung oder durch das Tragen von Abzeichen oder Kennzeichen, obliegt der Verkehrsteilnehmerin/dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einer/einem für ihn Verantwortlichen.

Für akute, vorübergehende, sehr selten vorkommende oder nur kurzzeitig anhaltende Erkrankungen wie grippale Infekte, akute infektiöse Magen-Darm-Störungen, aber auch Migräne, Heuschnupfen, Asthma etc., ist es dem Verantwortungsbewusstsein jeder Verkehrsteilnehmerin/jedes Verkehrsteilnehmers aufgegeben, durch kritische Selbstprüfung festzustellen, ob sie/er unter den jeweils gegebenen Bedingungen noch am Straßenverkehr, insbesondere am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen kann. Eine risikoarme Verkehrsteilnahme ist bei bedingter Eignung nur dann gewährleistet, wenn die betreffende Kraftfahrerin/der betreffende Kraftfahrer die erforderliche Sensibilität, Kritikfähigkeit und die nötige Zuverlässigkeit besitzt, um die geforderte Verfügbarkeit in der notwendigen kompensatorischen Funktion für eine situationsangepasste Leistung aufrecht zu erhalten und einsetzen zu können, d.h. die Regeln des Straßenverkehrs und die Auflagen und Beschränkungen der Fahrerlaubnis zu beachten.

Psychische Leistungsmängel können sich folgendermaßen auswirken:

Optische Informationen werden in ihrem Bedeutungsgehalt nicht ausreichend schnell und sicher wahrgenommen.

Die Zielorientierung im jeweiligen optischen Umfeld, d.h. im Verkehrsraum, gelingt nicht oder nicht sicher oder nur mit einem so deutlich erhöhten Zeitaufwand, dass daraus in der konkreten Verkehrssituation eine Gefährdung entstehen würde.

Die Konzentration ist zeitweilig oder dauernd gestört in der Weise, dass die jeweils anstehende Fahraufgabe aufgrund von Abgelenktsein oder Fehldeutungen verkannt oder fehlerhaft ausgelöst wird.

Die Aufmerksamkeitsverteilung ist unzulänglich, weil nur ein Teilbereich der für die Kraftfahrerin/den Kraftfahrer bedeutsamen Informationen erfasst wird und/oder bei Situationswechsel, z.B. nach einer Phase der Monotonie, neue Information der Aufmerksamkeit entgeht.

Die Aufmerksamkeitsbelastbarkeit ist zu gering, weil es unter Stress oder noch länger andauernder Beanspruchung zu fehlerhaften Wahrnehmungen, Interpretationen oder Reaktionen kommt.

Notwendige motorische Reaktionen setzen zu spät ein und/oder werden stark verzögert ausgeführt.

Reaktionen erfolgen unsicher, eventuell vorschnell und situationsunangemessen oder werden unpräzise, motorisch ungeschickt, überschießend oder überhastet durchgeführt.

Die psychischen Leistungen sind instabil in dem Sinne, dass die erforderliche Ausgewogenheit zwischen Schnelligkeit und Sorgfaltsleistung fehlt.

Zu geeigneten Auflagen und Beschränkungen gehören, dass die Fahrtätigkeit nur unter bestimmten Auflagen ausgeübt werden darf, z.B. Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit, Fahren nur innerhalb festgelegter Lenkzeiten, die Fahrtätigkeit wird nur innerhalb eines begrenzten Umkreises gestartet oder die Fahrtätigkeit wird auf eine bestimmte Fahrzeugart oder ein bestimmtes Fahrzeug eingeschränkt, z.B. auf Fahrzeuge mit einer bauartbedingten reduzierten Höchstgeschwindigkeit.

Das Straßenverkehrsgesetz regelt, dass das Verfahren unter Einfluss bestimmter Substanzen – darunter auch Cannabis – als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Dies gilt aber nicht, wenn der Wirkstoff ordnungsgemäß als verschriebenes Medikament eingenommen wird. Diese Ausnahme ist begründet, weil ein Wirkstoff bei der Einnahme zur Therapie einer Erkrankung nicht genau so wirkt wie bei einem Gesunden und die Einnahme zudem regelmäßig und unter ärztlicher Kontrolle erfolgt. Jedoch ist nicht jede Patientin/jeder Patient mit Medikation grundsätzlich und jederzeit fahrsicher. Für die Verkehrssicherheit ist es unerlässlich, dass jede Patientin/jeder Patient selbstständig und eigenverantwortlich prüft, ob eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr möglich ist. Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker und Arzneimittelhersteller sind verpflichtet, entsprechende Informationen bereitzustellen und die Patientinnen und Patienten zu beraten, denn nur dann können sie verantwortlich handeln.

Hinweise zu Beratung und Aufklärung finden sich auf den Seiten des ADAC [7] und denen des ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (äzq) [8].

Aufklärungspflicht

Grundsätzlich gebietet die strafrechtlich nach Paragraph 203 Strafgesetzbuch (StGB) sanktionierte Schweigepflicht der Ärztin/dem Arzt, zunächst das Gespräch mit seiner Patientin/seinem Patienten zu suchen und diese/diesen über die Gefahren des Autofahrens vor dem Hintergrund des jeweiligen temporären Gesundheitszustandes aufzuklären. Die Ärztin/der Arzt kommt damit auch seiner Informations- und Aufklärungsverpflichtung (§§ 630 c Abs. 2,630 e Abs. 1 BGB, sog. Sicherungsaufklärung) nach. Das ärztliche „Fahrverbot“ besitzt gegenüber den Patientinnen und Patienten allerdings keine rechtliche Bindungswirkung, sondern führt für die Patientinnen und Patienten nur dazu, dass ein gegen die Anweisung der Ärztin/des Arztes verstoßendes Verhalten als grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich einzustufen ist, was z.B. zu einem Verlust der Deckung in der KFZ-Haftpflichtversicherung im Falle eines Unfalls führen kann. Unterlässt die Ärztin/der Arzt es, seine Patientinnen und Patienten über mögliche Auswirkungen von Medikamenten auf die Fahrtüchtigkeit zu informieren, bzw. kann sie/er dies im Schadensfall nicht nachweisen, kann sich hieraus auch eine eigene Haftung der Ärztin/des Arztes für etwaige Unfälle der Patientin/des Patienten ergeben (vergleiche LG Konstanz, Urteil vom 14. April 1972, Aktenzeichen 5 0 74/72). Es besteht die Möglichkeit, Meldung an die Fahrerlaubnisbehörde oder bei der Polizei zu machen.

Fahreignungsprüfung

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