Übersichtsarbeiten - OUP 05/2023

Fahrtauglichkeit unter Schmerzmedikamenten

Diese erhöhten Anforderungen werden bei gleichzeitig vorliegender „schwerwiegende Erkrankung“ – diese ist ja eine wesentliche Voraussetzung für die Behandlungsindikation für die Cannabismedikation – in der Regel nicht zu erfüllen sein.

Zusammenfassung

Die Beurteilung dauerhaft medikamentös mit Schmerzmitteln behandelter Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer hinsichtlich des Vermögens einer sicheren Teilnahme am Straßenverkehr ist komplex und bedarf unter Einschluss grundsätzlicher Überlegungen im Regelfall zudem einer einzelfallorientierten Betrachtung und ggf. auch Begutachtung. Es geht um die Zusammenschau der persönlichen Krankheitsgeschichte unter Würdigung der Medikamentenanamnese, der möglichen Leistungsbeeinträchtigungen und individuellen Kompensationsmöglichkeiten im Hinblick auf ein mögliches Gefährdungspotenzial. Einerseits kann durch therapeutisch verabreichte Medikamente die psycho-physische Leistungsfähigkeit des Erkrankten in verkehrsgefährdender Weise soweit verändert sein, dass daraus ein erhöhtes individuelles Verkehrsrisiko resultiert. Auf der anderen Seite kann die Einnahme von Schmerzmitteln die Teilnahme am Straßenverkehr erst ermöglichen. Basis ist sicherlich zunächst eine korrekte medikamentöse Einstellung und immer auch die Frage, ob die medikamentöse Behandlung zwingend und weiterhin erforderlich ist, auch unter Berücksichtigung einschlägiger Leitlinien, wie LONTS (Langzeitanwendung von Opioiden bei chronisch nicht-tumorbedingten Schmerzen).

Der/Dem behandelnden und die Medikamente verordnenden Ärztin/Arzt kommt hohe Verantwortung zu, auch in Bezug auf Aufklärung und Kontrolle im Verlauf. Wichtig ist insbesondere, die Patientinnen und Patienten auf die in der Regel notwendige Alkoholkarenz hinzuweisen. Die Fahrtüchtigkeit kann insbesondere beeinträchtigt sein bei Eindosierung, Substanzwechsel, Dosiswechsel, Ergänzung von Komedikation und auch Absetzen von Substanzen. Hier kann eine Dauer von 2 Wochen für den Verzicht, ein Kraftfahrzeug zu führen, als sinnvoll angesehen werden. Das Medikamentenprivileg von Cannabis als Medizin ist darüber hinaus nicht anders zu behandeln als der Einsatz und die Betrachtung von Opiaten. Bei der Kraftfahreignung wird davon ausgegangen, dass eine Betroffene/ein Betroffener ein Fahrzeug dann sicher führen kann, wenn die hinreichenden körperlich-geistigen Voraussetzungen vorliegen bzw. nicht durch unerwünschte Wirkungen von Medikamenten maßgeblich beeinträchtigt sind. Der Anspruch auf Sicherheit ist bei der Fahrerlaubnisgruppe 2 – Berufskraftfahrer, Busfahrer, Fahrgastbeförderung – nochmals höher anzusetzen.

Richtungsweisende Publikationen existieren hierzu aus der Feder der Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP). Paragraph 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) definiert dabei den maßgeblichen Anteil der Verantwortlichkeit: Wer sich nicht sicher im Verkehr bewegen kann und eine Gefährdung für sich oder andere darstellt, muss auf das Führen eines Kraftfahrzeuges verzichten. Hierbei wird die Einnahme von Medikamenten nicht anders zu bewerten sein, als Symptome, die durch einen schweren grippalen Infekt oder eine Magen-Darm-Störung hervorgerufen werden. Ein hohes Maß an charakterlicher Eignung wird in diesem Zusammenhang von der Verkehrsteilnehmerin/vom Verkehrsteilnehmer gefordert.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
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www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. Stefan Middeldorf

Schön Klinik Bad Staffelstein

Orthopädische Klinik

Am Kurpark 11

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