Übersichtsarbeiten - OUP 03/2014

Funktionelle sonografische Diagnostik bei fibularer Kapselbandläsion

H. Gaulrapp1

Zusammenfassung: Diese Übersichtsarbeit stellt
propädeutisch dar, wie nach Sprunggelenkdistorsion sonografisch eine Vielzahl relevanter Fakten bestimmt werden kann, die die klinische Arbeitsdiagnose absichern und
zu einer schnellen, richtungsweisenden Therapie der Bandverletzung führen. Die sonografische Abklärung ist bereits bei Erstvorstellung nach der Verletzung schmerzfrei durchführbar. Keine andere Methode außer der funktionellen
sonografischen Untersuchung kann so verlässlich Auskunft über eine Sprunggelenksinstabilität geben. Voraussetzung ist wie bei allen anderen klinischen Fertigkeiten ausreichende eigene „hands-on“-Erfahrung, die in DEGUM-Kursen vermittelt werden kann.

Schlüsselwörter: Ultraschall, Sonografie, Verstauchung Sprunggelenk, fibulare Bandläsion

Zitierweise
Gaulrapp H. Funktionelle sonografische Diagnostik bei fibularer Kapselbandläsion.
OUP 2014; 3: 100–104. DOI 10.3238/oup.2014.0100–0104

Abstract: This survey displays how sonography serves the clinical examiner as the reliable diagnostic means in detecting fibular ligament tears. By ultrasound a lot of relevant facts can be determined to affirm the clinical diagnosis and guide proper treatment. Sonographic examination can be carried out early and without pain after the injury. No other method yields information on ankle instability on such a high level of accuracy. A basis as in all other clinical skills is sufficient hands-on experience, which is mediated through qualified instruction courses by DEGUM, the German society for ultrasound in medicine.

Key words: Ultrasound, sonography, ankle sprain, fibular ligament tear

Citation
Gaulrapp H. Functional sonography in lateral ankle joint sprains. OUP 2014; 3: 100–104. DOI 10.3238/oup.2014.0100–0104

Einleitung

Kapselband-Verletzungen des oberen Sprunggelenks stehen an der Spitze der Verletzungsstatistiken. Zwischen der noch so sorgfältig durchgeführten klinischen Untersuchung und der letztlich festzustellenden anatomisch-strukturellen Schädigung bestehen Diskrepanzen [1]. Sprunggelenkergüsse als relevantes Zeichen einer signifikanten Verletzung sind klinisch oftmals schwer festzustellen. Da eine posttraumatische intraartikuläre Flüssigkeitsbildung eine hohe Hinweisqualität auf eine schwere Sprunggelenkdistorsion hat [2], empfiehlt sich, zunächst im Longitudinalschnitt (LS) streckseitig am oberen Sprunggelenk ein Hämarthros abzuklären. Dieses stellt sich typischerweise als mehr oder minder ausgeprägte Aufweitung der als dünne echogene Membran erkennbaren Gelenkkapsel durch anfangs meist echofreie bis echoarme, später zunehmend echogene Bluteinlagerung dar (Abb. 1).

Fibulare Kapselbandverletzungen ereignen sich meist infolge eines komplexen Unfallmechanismus über Plantarflexion-Supination-Inversion. Differenzialdiagnostisch können jedoch weitere Strukturen auf der Außenseite von Fuß und Sprunggelenk verletzt sein. Daher empfiehlt es sich, klinisch wie sonografisch diese gesamte fibulare Kette [3] (Abb. 2) vom Außenknöchel (1) über die fibularen Bänder LFTA (2) und LFC (3), vorderes Syndesmosenband (4) über das CC-Gelenk (5) bis zum Metatarsale V (6) programmiert abzuklären.

Außenknöchel

Im LS rund um den gesamten Außenknöchel kann dessen knöcherne Oberfläche im Übergang zu den daran anheftenden Bandstrukturen auf Hämatome und Fissuren mit Unterbrechung der echogenen knöchernen Linie abgeklärt werden. Nicht selten, z.B. bei Kindern, lässt sich trotz unauffälligen Röntgenbilds eine knöcherne oder periostale Verletzung (Abb. 3) feststellen.

Die Untersuchung der fibularen Bänder wird durch häufige Anlagevarianten [4, 5], aber auch durch nicht selten unbemerkt verlaufene posttraumatische Veränderungen erschwert.

Lig. fibulotalare anterius (LFTA)

Die Darstellung des LFTA, welches vom Außenknöchel in der Regel annähernd parallel zur Fußsohle, nach ventral zum Talus hin verläuft, erfolgt nach einiger Übung problemlos. Insbesondere bei postraumatischer Schwellung ist das Ankoppeln zwischen Schallkopf und Hautoberfläche schmerzfrei möglich. Nach der Nativdiagnostik, die Auskunft über die Kontinuität des Bandes gibt, schließt sich in der funktionellen sonografischen Untersuchung die Stabilitätstestung an.

Der Patient liegt in Rückenlage, die Kniegelenke mit einer Rolle unterlagert, die Sprunggelenke entspannt in schmerzadaptierter Position gelagert. Trotz Sprunggelenkschwellung kann der Außenknöchel als knöcherne Referenzstruktur zumeist ausreichend gut getastet und das Band eingestellt werden. Zwischen Daumen und Zeigefinger der Tasthand wird dann der Schallkopf appliziert (Abb. 4), sodass am linken Bildrand die gebogene echogene Linie des Außenknöchels erscheint. Um diesen Fixpunkt herum wird dann der Schallkopf radiär zum Talus gedreht, bis die steile knöcherne Linie des Talus am Monitor erscheint. Beim Unverletzten zeigt sich dazwischen das LFTA als dreieckige oder longitudinale echogene Struktur (Abb. 5). Die für adulte Patienten typische Verletzungslokalisation zeigt einen distalen Ausriss am Talus. Die Bandstruktur hängt dann um den Außenknöchel herum in die Tiefe (Abb. 6). Hämatom kann zwischen dem gerissenen Band und dem Talus herumlaufen und insbesondere bei leichter Druckentlastung auf den Schallkopf am Monitor abgebildet werden, s. Abb. 7 (positiver Dekompressionstest (Gaulrapp)) [6].

In der gleichen Untersuchungssituation und Schallkopfposition kann durch Druck des Untersuchers auf den Unterschenkel nach unten ein Vorschub des Talus im oberen Sprunggelenk ausgelöst werden (Abb. 8) – eine stabile talokalkaneare Bandverbindung vorausgesetzt – die durch Auseinanderweichen der knöchernen Referenzpunkte von Außenknöchel und Talus unter Sicht am Monitor und immer im Seitvergleich eine messbare Instabilität nachweisen lässt. Abb 9 zeigt links die Bandlänge ohne Stress und rechts die Zunahme der Strecke unter Stress bei Bandriss (Abb. 9). Eine standardisierte Untersuchungsposition ist hierfür essenziell. Eine Arbeitsgruppe von DEGUM-Experten befasst sich gerade mit deren exakter Definition.

Lig. fibulocalcaneare (LFC)

Das LFC kann im seitlichen LS zwischen Außenknöchel und Kalkaneus leicht nach hinten versetzt zwar nicht direkt abgebildet werden, jedoch ein Aufklappen des Subtalargelenks im Varusstresstest am Monitor erfasst werden. Einblutungen in die peronäale Sehnenscheide weisen indirekt auf eine Verletzung dieses Bands hin, die häufig mit einem Einriss der tiefen Schicht des Retinaculum profundum peronäale einhergeht.

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