Originalarbeiten - OUP 10/2013

Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis

I. Stegemann1, J. Hinzmann1, I. Haase2, T. Witte3

Zusammenfassung

Hyperthermie ist eine künstlich erzeugte Temperaturerhöhung (Überwärmung) des ganzen Körpers oder einzelner Körperteile durch physikalische Methoden. Eine relativ neue und bisher kaum evaluierte Therapiemöglichkeit ist die Ganzkörperhyperthermie mittels wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung. Mit 2 Anwendungen pro Woche im Rahmen
einer 3-wöchigen orthopädischen Rehabilitation kann diese bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis nach den Ergebnissen unserer prospektiven 3-armigen Studie eine nachhaltige Schmerzreduktion bewirken. Bedenkliche Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Aufgrund des noch fehlenden Nachweises der Wirksamkeit bezüglich anderer Zielkriterien wie Krankheitsaktivität, Funktionskapazität und Selbstständigkeit im Alltag sowie der insgesamt unzureichenden Studienlage kann eine eindeutige Empfehlung jedoch noch nicht ausgesprochen werden. Weitere Studien sind erforderlich.

Schlüsselwörter: Spondyloarthritis, Rehabilitation, Physikalische Medizin, Ganzkörperhyperthermie, wassergefilterte Infrarot-A-Strahlung

 

Zitierweise

Stegemann I, Hinzmann J, Haase I, Witte T: Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis.
OUP 2013; 10: 458–463. DOI 10.3238/oup.2013.0458–0463

Abstract

Hyperthermia is an artificial induced increase of temperature of the whole body or single parts of the body by physical methods. A relatively new and rarely evaluated modality is the mild water filtered near infrared whole-body hyperthermia. According to our prospective controlled study this form of hyperthermia twice a week within a 3-week multimodal rehabilitation program can effect a sustainable pain reduction in patients with ankylosing spondylitis. Critical adverse effects could not be observed. Though we can not yet argue for an explicit recommendation because of missing evidence regarding other outcome variables like disease activity, functional capacity and independence in daily living. Furthermore the state of research is insufficient. More studies are needed.

Keywords: ankylosing spondylitis, rehabilitation, physical medicine, whole-body-hyperthermia, water-filtered near infrared

 

Citation

Stegemann I, Hinzmann J, Haase I, Witte T: Evaluation of water-filtered near infrared whole-body hyperthermia of patients with axial spondyloarthritis.
OUP 2013; 10: 458–463. DOI 10.3238/oup.2013.0458–0463

Hintergrund und Fragestellung

Die Spondyloarthritis ist eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die langsam fortschreitet und vor allem die Wirbelsäule und das Ileosakralgelenk betrifft. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Bewegungseinschränkung und Krümmung der Wirbelsäule. Patienten mit Spondyloarthritis leiden an Schmerzen, die zu einer deutlichen Verminderung der Lebensqualität führen.

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapiekonzepte zur Erhaltung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit sind krankengymnastische und ergotherapeutische sowie komplexe Maßnahmen der physikalischen Therapie. Daneben kommen Medikamente, wie zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika, Analgetika und verschiedene lang wirksame krankheitsmodifizierende Medikamente und manchmal auch Operationen wie ein Gelenkersatz oder eine Fixierungs- und Aufrichtungsoperation zum Einsatz.

Da oft Analgetika verabreicht werden müssen, die zu Nebenwirkungen führen können, wird in der Schmerztherapie nach Alternativen gesucht, die mit weniger Nebenwirkungen assoziiert sind. Die Wirksamkeit der milden Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung bei schmerzhaften Gelenkerkrankungen [1], Fibromyalgie [2, 3, 4], ferner arterieller Hypertonie [5] und systemischer Sklerodermie [5, 6] wurde in ersten Studien belegt. Matrai und Ernst [7] berichten günstige Effekte von Überwärmungsbädern auf die Fließeigenschaft des Bluts sowie die klinischen Parameter subjektive Befindlichkeit, Analgetikaverbrauch und Wirbelsäulenbeweglichkeit bei ankylosierender Spondylitis. Die mittel- und langfristige Wirkung der Hyperthermie bei Spondyloarthritis ist jedoch noch nicht erforscht.

Vor diesem Hintergrund war es Ziel dieser Studie, zu prüfen, ob bei Patienten mit Spondyloarthritis die milde wassergefilterte Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie als Zusatzbehandlung zur stationären rheumatologischen Standardrehabilitation gegenüber der rheumatologischen Rehabilitation ohne Hyperthermieanwendungen einen nachhaltigen therapeutischen Nutzen erbringt.

Primärer Zielparameter bei der Bestimmung der Effektivität von Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung in der Therapie bei Patienten mit Spondyloarthritis war die Veränderung der Schmerzstärke bis 3 Monate nach dem Ende der Rehabilitation. Sekundäre Zielgrößen waren die Krankheitsaktivität, die körperliche Funktionskapazität, die Selbstständigkeit, die Wirbelsäulenbeweglichkeit, Entzündungswerte und das subjektive Empfinden.

Material und Methoden

Design

Im Rahmen einer prospektiven, monozentrischen, kontrollierten nicht-randomisierten Studie, die von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bewilligt und mit Eigenmitteln der m&i-Klinikgruppe Enzensberg finanziert worden war, wurden alle erwachsenen Rehabilitanden einer Rehabilitationsklinik (m&i-Fachklinik Bad Pyrmont) mit der Einweisungsdiagnose Spondyloarthritis gebeten, an der Studie teilzunehmen. Ausschlusskriterien waren das Vorliegen von Kontraindikationen gegen Wärmetherapie (insbesondere nicht ausreichende kardiale Belastbarkeit), aktuelle oder frühere Wirbelsäulen-Operationen und mangelnde Deutschkenntnisse. Die in Betracht kommenden Patienten wurden konsekutiv aus den zugewiesenen stationären Patienten ermittelt und nach Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung nicht randomisiert (Selbstselektion nach Präferenz der Patienten) 3 natürlichen Gruppen zugeordnet:

  • 1. Einer Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit 6 Einheiten einer Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung behandelt wurde,
  • 2. einer weiteren Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit 3 Einheiten Ganzkörperhyperthermie behandelt wurde und
  • 3. einer Kontrollgruppe, die nur mit konventioneller multimodaler Therapie behandelt wurde.

Um auch bei Ausfällen im Verlauf der Studie einen mittleren Effekt auf einem Signifikanzniveau von ? = 0,05 absichern zu können [8], wurde eine Rekrutierung von mindestens 20 Personen pro Gruppe angestrebt.

Interventionsprogramm

Die beiden Interventionsgruppen erhielten über 3 Wochen zusätzlich zur multimodalen Standardtherapie ein- bzw. zweimal wöchentlich eine milde Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung (Ziel: mittlere Körpertemperatur 38 ± 0,3 °C am Ende jeder Behandlung) im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Während der Behandlung wurden die Patienten kontinuierlich überwacht: Körpertemperatur, Blutdruck, Pulsfrequenz und Sauerstoffgehalt des Bluts wurden während der Bestrahlungsphase regelmäßig gemessen.

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