Originalarbeiten - OUP 10/2013

Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis

I. Stegemann1, J. Hinzmann1, I. Haase2, T. Witte3

Zusammenfassung

Hyperthermie ist eine künstlich erzeugte Temperaturerhöhung (Überwärmung) des ganzen Körpers oder einzelner Körperteile durch physikalische Methoden. Eine relativ neue und bisher kaum evaluierte Therapiemöglichkeit ist die Ganzkörperhyperthermie mittels wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung. Mit 2 Anwendungen pro Woche im Rahmen
einer 3-wöchigen orthopädischen Rehabilitation kann diese bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis nach den Ergebnissen unserer prospektiven 3-armigen Studie eine nachhaltige Schmerzreduktion bewirken. Bedenkliche Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Aufgrund des noch fehlenden Nachweises der Wirksamkeit bezüglich anderer Zielkriterien wie Krankheitsaktivität, Funktionskapazität und Selbstständigkeit im Alltag sowie der insgesamt unzureichenden Studienlage kann eine eindeutige Empfehlung jedoch noch nicht ausgesprochen werden. Weitere Studien sind erforderlich.

Schlüsselwörter: Spondyloarthritis, Rehabilitation, Physikalische Medizin, Ganzkörperhyperthermie, wassergefilterte Infrarot-A-Strahlung

 

Zitierweise

Stegemann I, Hinzmann J, Haase I, Witte T: Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis.
OUP 2013; 10: 458–463. DOI 10.3238/oup.2013.0458–0463

Abstract

Hyperthermia is an artificial induced increase of temperature of the whole body or single parts of the body by physical methods. A relatively new and rarely evaluated modality is the mild water filtered near infrared whole-body hyperthermia. According to our prospective controlled study this form of hyperthermia twice a week within a 3-week multimodal rehabilitation program can effect a sustainable pain reduction in patients with ankylosing spondylitis. Critical adverse effects could not be observed. Though we can not yet argue for an explicit recommendation because of missing evidence regarding other outcome variables like disease activity, functional capacity and independence in daily living. Furthermore the state of research is insufficient. More studies are needed.

Keywords: ankylosing spondylitis, rehabilitation, physical medicine, whole-body-hyperthermia, water-filtered near infrared

 

Citation

Stegemann I, Hinzmann J, Haase I, Witte T: Evaluation of water-filtered near infrared whole-body hyperthermia of patients with axial spondyloarthritis.
OUP 2013; 10: 458–463. DOI 10.3238/oup.2013.0458–0463

Hintergrund und Fragestellung

Die Spondyloarthritis ist eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die langsam fortschreitet und vor allem die Wirbelsäule und das Ileosakralgelenk betrifft. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Bewegungseinschränkung und Krümmung der Wirbelsäule. Patienten mit Spondyloarthritis leiden an Schmerzen, die zu einer deutlichen Verminderung der Lebensqualität führen.

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapiekonzepte zur Erhaltung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit sind krankengymnastische und ergotherapeutische sowie komplexe Maßnahmen der physikalischen Therapie. Daneben kommen Medikamente, wie zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika, Analgetika und verschiedene lang wirksame krankheitsmodifizierende Medikamente und manchmal auch Operationen wie ein Gelenkersatz oder eine Fixierungs- und Aufrichtungsoperation zum Einsatz.

Da oft Analgetika verabreicht werden müssen, die zu Nebenwirkungen führen können, wird in der Schmerztherapie nach Alternativen gesucht, die mit weniger Nebenwirkungen assoziiert sind. Die Wirksamkeit der milden Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung bei schmerzhaften Gelenkerkrankungen [1], Fibromyalgie [2, 3, 4], ferner arterieller Hypertonie [5] und systemischer Sklerodermie [5, 6] wurde in ersten Studien belegt. Matrai und Ernst [7] berichten günstige Effekte von Überwärmungsbädern auf die Fließeigenschaft des Bluts sowie die klinischen Parameter subjektive Befindlichkeit, Analgetikaverbrauch und Wirbelsäulenbeweglichkeit bei ankylosierender Spondylitis. Die mittel- und langfristige Wirkung der Hyperthermie bei Spondyloarthritis ist jedoch noch nicht erforscht.

Vor diesem Hintergrund war es Ziel dieser Studie, zu prüfen, ob bei Patienten mit Spondyloarthritis die milde wassergefilterte Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie als Zusatzbehandlung zur stationären rheumatologischen Standardrehabilitation gegenüber der rheumatologischen Rehabilitation ohne Hyperthermieanwendungen einen nachhaltigen therapeutischen Nutzen erbringt.

Primärer Zielparameter bei der Bestimmung der Effektivität von Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung in der Therapie bei Patienten mit Spondyloarthritis war die Veränderung der Schmerzstärke bis 3 Monate nach dem Ende der Rehabilitation. Sekundäre Zielgrößen waren die Krankheitsaktivität, die körperliche Funktionskapazität, die Selbstständigkeit, die Wirbelsäulenbeweglichkeit, Entzündungswerte und das subjektive Empfinden.

Material und Methoden

Design

Im Rahmen einer prospektiven, monozentrischen, kontrollierten nicht-randomisierten Studie, die von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bewilligt und mit Eigenmitteln der m&i-Klinikgruppe Enzensberg finanziert worden war, wurden alle erwachsenen Rehabilitanden einer Rehabilitationsklinik (m&i-Fachklinik Bad Pyrmont) mit der Einweisungsdiagnose Spondyloarthritis gebeten, an der Studie teilzunehmen. Ausschlusskriterien waren das Vorliegen von Kontraindikationen gegen Wärmetherapie (insbesondere nicht ausreichende kardiale Belastbarkeit), aktuelle oder frühere Wirbelsäulen-Operationen und mangelnde Deutschkenntnisse. Die in Betracht kommenden Patienten wurden konsekutiv aus den zugewiesenen stationären Patienten ermittelt und nach Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung nicht randomisiert (Selbstselektion nach Präferenz der Patienten) 3 natürlichen Gruppen zugeordnet:

  • 1. Einer Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit 6 Einheiten einer Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung behandelt wurde,
  • 2. einer weiteren Interventionsgruppe, die zusätzlich zu einer multimodalen Standardtherapie mit 3 Einheiten Ganzkörperhyperthermie behandelt wurde und
  • 3. einer Kontrollgruppe, die nur mit konventioneller multimodaler Therapie behandelt wurde.

Um auch bei Ausfällen im Verlauf der Studie einen mittleren Effekt auf einem Signifikanzniveau von ? = 0,05 absichern zu können [8], wurde eine Rekrutierung von mindestens 20 Personen pro Gruppe angestrebt.

Interventionsprogramm

Die beiden Interventionsgruppen erhielten über 3 Wochen zusätzlich zur multimodalen Standardtherapie ein- bzw. zweimal wöchentlich eine milde Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung (Ziel: mittlere Körpertemperatur 38 ± 0,3 °C am Ende jeder Behandlung) im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Während der Behandlung wurden die Patienten kontinuierlich überwacht: Körpertemperatur, Blutdruck, Pulsfrequenz und Sauerstoffgehalt des Bluts wurden während der Bestrahlungsphase regelmäßig gemessen.

Das übrige multimodale Standardtherapieprogramm war in der Kontroll- und den Interventionsgruppen identisch und Bestand im Wesentlichen aus Physiotherapie, medizinischer Trainingstherapie, Ergotherapie, medizinischen Bädern, Massagen, psychologischer Betreuung und medikamentösen Therapien.

Wassergefiltertes Infrarot-A stellt eine spezielle Form der Infrarotstrahlung im Bereich von 760–1400 nm dar. Diese kurzwellige Infrarotstrahlung scheint ein besonders geeigneter Ansatz zu sein, eine milde systemische Überwärmung zu induzieren, da durch die Wasserfilterung die Strahlungsanteile gemindert werden, die sonst durch Wechselwirkung mit Wassermolekülen in der Haut eine unerwünschte thermische Belastung der obersten Hautschicht hervorrufen würden. Es steigen Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe. Wesentliche bisher bekannte klinische Wirkungen sind – indikationsübergreifend – eine Minderung von Schmerzen, Entzündung und vermehrter Sekretion sowie eine Verbesserung der Infektabwehr und der Regulation [9]. In der hier vorgestellten klinischen Studie wurde eine IRATHERM 1000 (URL: http://www.ardenne.de/med_de/) als Hyperthermieanlage eingesetzt.

Die Studienärztin und das involvierte Fachpersonal wurden vom Gerätehersteller geschult. Die Supervision der klinischen Prüfung vor Ort oblag dem Chefarzt der durchführenden Einrichtung.

Zielparameter und Messzeitpunkte

Primäre Zielgröße bzw. abhängige Variable war die Schmerzintensität, die mittels einer gängigen 11-stufigen Numerischen Rating-Skala (NRS) mit den Endpunkten 0 (keine Schmerzen) und 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz) ermittelt wurde. Erfragt wurde „die durchschnittliche Schmerzstärke während der letzten 7 Tage“.

Als sekundäre Zielparameter wurden definiert:

  • Krankheitsaktivität, gemessen mit dem Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI),
  • körperliche Funktionskapazität, gemäß dem Funktionsfragebogen Hannover (FFbH),
  • Selbstständigkeit im Alltag, ermittelt mit dem Health Assessment Questionnaire (HAQ).

Weitere deskriptiv-explorativ zu behandelnde Nebenfragestellungen betreffen die Laborwerte C-reaktives Protein (CRP) und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) als Entzündungsparameter, die Wirbelsäulenbeweglichkeit (Hinterkopf-Wand-Abstand, Targus-Wand-Abstand, Kinn-Jugulum-Abstand, Schober-Test), die Atembreite, Nebenwirkungen und das subjektive Empfinden. Eine Untersuchung und schriftliche Befragung der Patienten erfolgte bei Aufnahme in die Reha-Klinik und bei Entlassung nach 3 Wochen Rehabilitationsmaßnahme; eine weitere Befragung 3 Monate nach Entlassung.

Auswertung

Die Auswertung erfolgte als Per-protocol-Analyse, da die Dosisfindung wesentlicher Bestandteil der Fragestellung war. Zur Testung der primären und sekundären Zielgrößen auf Signifikanz wurden Varianzanalysen mit Messwiederholung durchgeführt. Der durch das multiple Testen bedingten Alphafehler-Kumulierung wurde durch eine rein deskriptive Auswertung der Nebenfragestellungen und das Adjustieren der p-Werte durch die Bonferroni-Holm-Korrektur bei den primären und sekundären Zielparametern entgegengewirkt. Alle Auswertungen erfolgten mit dem statistischen Programmpaket SPSS 17.

Um die hinsichtlich einiger Kontrollmerkmale vorgefundenen zufälligen Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen auszuschalten, wurden diese strukturell angeglichen (Parallelisierung). Dazu wurden aus den überrepräsentierten Subgruppen per Zufallsverfahren einzelne Probanden ausgeschlossen. Der ursprüngliche Stichprobenumfang reduziert sich dadurch um 7 Probanden zugunsten einer verbesserten Vergleichbarkeit relevanter Merkmale.

Ergebnisse

Basisdaten der Studienteilnehmer

Vollständige Datensätze von insgesamt 66 Patienten gingen in die Auswertung ein. Tabelle 1 zeigt die Merkmale der Studienteilnehmer bei Studienbeginn. Die Studiengruppen erweisen sich als gut vergleichbar. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der zentralen soziodemografischen Variablen statistisch nicht bedeutsam voneinander.

Behandlungsdaten

Die mittlere rektal gemessene Körperkerntemperatur nach der Erwärmungsphase betrug in den Interventionsgruppen 38,0 °C. Die Wärmestauphase betrug durchschnittlich 17 Minuten.

Schmerzstärke (primäre Zielgröße)

Tabelle 2 zeigt, dass die Schmerzintensität in allen 3 Gruppen bis zum Ende der stationären Behandlung zurückging. In der Gruppe mit 3 Hyperthermieanwendungen sowie in der Kontrollgruppe ging ein Teil dieses Effekts bis zur Nachbefragung 3 Monate nach Entlassung wieder verloren, in der Gruppe mit 6 Anwendungen bleibt die erzielte Schmerzreduktion stabil. Die Varianzanalyse mit Messwiederholung weist die Unterschiede in der Schmerzreduktion bis 3 Monate nach der Behandlung zwischen den 3 Gruppen als signifikant aus (F-Wert für Interaktion = 3,680; p = 0,011). Die auf die Standardabweichung der Kontrollgruppe bezogene Effektstärke von 0,69 verweist auf einen mittleren Effekt (Abb. 2).

Sekundäre Zielgrößen

In den sekundären Zielgrößen Krankheitsaktivität (BASDAI) und Funktionskapazität (FFbH) erzielte die Interventionsgruppe mit 6 Anwendungen Hyperthermie bessere Ergebnisse als die Gruppe mit 3 Anwendungen und die Vergleichsgruppe ohne zusätzliche Hyperthermie (Tab. 2). Die vorgefundenen Unterschiede in der Größenordnung kleiner bis mittlerer Effekte (Abb. 2) erreichten jedoch keine statistische Signifikanz. Bezüglich der Entwicklung der Selbstständigkeit (HAQ) konnten keine praxisrelevanten Unterschiede zwischen den Gruppen beobachtet werden (Tab. 2).

Weitere Zielgrößen

Die Entzündungswerte CRP und BSG lagen bereits bei Aufnahme durchschnittlich sehr niedrig. Veränderungen dieser Werte waren im Beobachtungszeitraum folglich kaum zu verzeichnen, wie Tabelle 3 zeigt.

Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule verbesserte sich bis zur Entlassung im Schober-Test um jeweils 0,8 cm in den beiden Interventionsgruppen und um 0,3 cm in der Vergleichsgruppe.

Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule (Targus-Wand-Abstand, Hinterhaupt-Wand-Abstand, Kinn-Jugulum-Abstand) und die Atembreite zeigten keine auffälligen Unterschiede zwischen den Studiengruppen.

Unerwünschte Ereignisse/Nebenwirkungen

Jeweils 4 Patienten aus jeder Interventionsgruppe brachen die Teilnahme an der Studie ab, weil sie die Wärme als unangenehm empfanden, in 2 Fällen trat unmittelbar nach Therapie-Ende ein Schwindelgefühl auf. Andere Nebenwirkungen oder unerwünschte Ereignisse kamen im Rahmen der Studie nicht vor.

Subjektives Empfinden

41 von 53 Patienten (Completer und Abbrecher) bzw. 77 % bezeichneten die neue Therapieform als „angenehm“ oder „sehr angenehm“, 10 Patienten (19 %), darunter die Abbrecher, als „unangenehm“ oder „sehr „unangenehm“, 2 Patienten urteilten mit „weder/noch“. 17 von 21 Patienten (81 %) der Gruppe mit 3 Anwendungen und 22 von 24 Patienten (92 %) der Gruppe mit 6 Anwendungen bezeichneten die Ganzkörperhyperthermie als wirksam.

Diskussion

Unsere Studie untersuchte die mittelfristige Wirkung einer milden Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie im Rahmen einer 3-wöchigen stationären rheumatologischen Rehabilitationsmaßnahme über einen Zeitraum von 3 Monaten nach Beendigung der Rehabilitation. Analysiert wurden 2 Interventionsgruppen (eine bzw. 2 Hyperthermie-Anwendungen pro Woche, jeweils zusätzlich zum rehabilitativen Standardprogramm) im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die das rehabilitative Standardprogramm ohne zusätzliche Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie absolvierte.

Eine Limitation unserer Studie liegt zweifellos in der fehlenden Randomisierung, auf die aufgrund der erfahrungsgemäß ausgeprägten Präferenzen der Patienten (für oder gegen eine Hyperthermie-Behandlung) mit folglich zu erwartender geringer Teilnahmebereitschaft, verzichtet wurde. Eine Verzerrung der Ergebnisse im Sinne einer Überschätzung der Effekte kann aufgrund der anzunehmenden positiven Einstellung und Erwartungserhaltung der Patienten, die mit Ganzkörperhyperthermie behandelt werden wollten, nicht ausgeschlossen werden. Auch die fehlende Verblindung und die fehlende Placebo-Kontrolle sind potenziell verzerrende Faktoren und müssen in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Allerdings sind die letztgenannten Standards der Arzneimittelforschung aufgrund der Art der Interventionen in der Rehabilitationsforschung kaum zu realisieren. Insbesondere eine Wärmeapplikation kann nicht verblindet werden, da das Temperaturempfinden nicht eliminierbar ist. Die denkbare Einführung einer Niedrigdosis-Kontrollgruppe in einer Studie zur Hyperthermie bei FMS wurde verworfen [10], da zum einen theoretisch nicht zu trennen war, ob es sich um eine Scheintherapie oder doch um eine Aktivtherapie handelt und sich zum anderen in der praktischen Durchführung eine deutliche Behandlungszeitverlängerung und häufig frierende Patienten zeigten, was die Compliance negativ beeinflusste [10, S. 83].

Den genannten Nachteilen des Studiendesigns hinsichtlich der internen Validität steht eine höhere externe Validität gegenüber, da im Klinikalltag die aufwendige Ganzkörperhyperthermie auf absehbare Zeit optionalen Charakter behalten und nicht von jedem geeigneten Patienten wahrgenommen werden dürfte, wie die langjährige Erfahrung zeigt. Die klinische Routine in einer Rehabilitationsklinik ist somit gut abgebildet. Da zudem eine Strukturgleichheit der Studiengruppen in allen wesentlichen beschreibenden Merkmalen erreicht wurde, halten wir die Ergebnisse unserer Untersuchung für hinreichend aussagekräftig.

Vor diesem Hintergrund erwies sich die Behandlung mit 2 Hyperthermie-Anwendungen pro Woche gegenüber den anderen beiden Studiengruppen in unserer vergleichenden Kontrollgruppenstudie als überlegen hinsichtlich der mittelfristigen Schmerzreduktion (mittlerer Effekt). Die Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit (Schober-Test) verbesserte sich in beiden Interventionsgruppen während der Rehabilitation deutlicher als in der Kontrollgruppe (mittlerer Effekt). Krankheitsaktivität (BASDAI) und Funktionskapazität (FFbH) profitieren tendenziell, aber nicht signifikant von der höher dosierten Ganzkörperhyperthermie mit 2 Anwendungen pro Woche. Bei den untersuchten Laborwerten CRP und BSG zeigten sich keine Vorteile der Interventionsgruppen gegenüber der Kontrollgruppe, wobei hier allerdings schon bei Aufnahme nur vereinzelt erhöhte Werte vorlagen, sodass für die untersuchten Kollektive wenig Verbesserungsspielraum bestand. Die Interventionsgruppe mit nur einer milden Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie pro Woche verbessert sich lediglich im Schober-Test gegenüber der Kontrollgruppe.

Mangels vergleichbarer Studien lassen sich die vorliegenden Ergebnisse kaum einordnen. Lange et al. [11] fanden in ihrer Untersuchung der milden Hyperthermie durch ein Überwärmungsbad bei Patienten mit Spondyloarthritis keine signifikante Änderung des Kortisols, der Gesamtlymphozyten und deren Subpopulationen. Sie folgern, dass der durch eine systemische Hyperthermie hervorgerufene (und durch die Autoren nicht infrage gestellte) Besserungseffekt somit nicht durch einen Anstieg des Kortisolspiegels mit daraus resultierender Immunsuppression verursacht sein dürfte. Oosterveld et al. [12] untersuchten die Wirkung einer Infrarot-Sauna auf Patienten mit rheumatoider Arthritis und ankylosierender Spondylitis. Es zeigten sich kurzfristig signifikante Verbesserungen bezüglich Schmerz und Steifheit durch eine Therapieeinheit. Schmerz, Steifheit sowie Müdigkeit verringerten sich auch über die gesamte 4-wöchige Behandlungsperiode, allerdings war hier keine statistische Signifikanz zu verzeichnen. Matrai und Ernst berichten positive hämorheologische und klinische Effekte (subjektive Befindlichkeit, Analgetikaverbrauch, Beweglichkeit der Wirbelsäule) von Überwärmungsbädern bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis, die sich „als über die Therapiephase hinaus persistent“ erwiesen [7]. Tarner et al. [13] fanden in ihrer Untersuchung einer milden Ganzkörperhyperthermie durch ein Überwärmungsbad bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis eine signifikante Reduktion aller Zytokine um 40–50 %. Als grundsätzlich vorteilhaft gilt, dass die Muskulatur so gelockert wird, dass anschließende Bewegungstherapien effektiver sind.

Bisherige praktische Erfahrungen, Schlussfolgerungen aus der Grundlagenforschung [14] und die Ergebnisse der wenigen Studien zum Themenkreis belegen vor allem den kurzfristigen Nutzen der Ganzkörperhyperthermie unmittelbar nach Ende der Therapie. Unsere Studie zeigt darüber hinaus, dass sich durch serielle Anwendung (6 Einheiten in 3 Wochen) der wassergefilterten Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie im Rahmen einer stationären multimodalen Rehabilitationsbehandlung auch bis 3 Monate nach Reha-Ende eine Schmerzreduktion erzielen lässt. Da gleichzeitig keine bedenklichen Nebenwirkungen zu verzeichnen waren, darf der Einsatz der wassergefilterten Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie im Rahmen einer stationären medizinischen Rehabilitation wegen ankylosierender Spondylitis als sinnvoll angesehen werden. Allerdings bedarf es mindestens 2 Hyperthermie-Anwendungen pro Woche. Dass die größeren Veränderungen der Interventionsgruppe mit 6 Anwendungen hinsichtlich Krankheitsaktivität und körperlicher Funktionskapazität nicht signifikant wurden, dürfte nicht zuletzt der noch zu geringen Fallzahl geschuldet sein. Es muss weiteren Studien vorbehalten bleiben, unsere Ergebnisse an größeren Stichproben in randomisierten Designs zu überprüfen sowie Varianten der Wärmedosis und der Therapiefrequenz zu untersuchen.

 

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Irina Stegemann

m&i-Fachklinik Bad Pyrmont

Auf der Schanze 3

31812 Bad Pyrmont

irina.stegemann@
fachklinik-bad-pyrmont.de

Literatur

1. Meffert H, Müller GM, Scherf HP: Milde Infrarot-A-Hyperthermie zur Behandlung von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Intern. Sauna-Arch. 1993; 10: 125–129

2. Brockow T, Wagner A, Franke A et al.: Randomisierte, kontrollierte Studie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit einer milden wassergefilterten Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie als Zusatzbehandlung zu einer multimodalen rehabilitativen Standardtherapie bei der Behandlung der Fibromyalgie. Phys Med Rehab Kuror 2008; 18: 171–180

3. Schleenbecker HG, Schmidt KL: Zur Wirkung einer iterativen milden Ganzkörperhyperthermie auf den Fibromyalgieschmerz. Phys Rehab Kur Med 1998; 8: 113–117

4. Walz J, Hinzmann J, Haase I, Witte T: Ganzkörperhyperthermie in der Schmerztherapie bei Patienten mit Fibromyalgiesyndrom. Eine kontrollierte Studie. Der Schmerz 2013; 27: 38–45

5. Meffert H, Scherf HP, Meffert B: Milde Infrarot-A-Hyperthermie. Auswirkungen von Serienbestrahlungen mit wassergefilterter Infratrotstrahlung auf Gesunde und Kranke mit arterieller Hypertonie bzw. systemischer Sklerodermie. Akt. Dermatol. 1993; 19: 142–148

6. Meffert H, Buchholtz I, Brenke A, Sönnichsen N: Milde Infrarot-A-Hyperthermie zur Behandlung der systemischen Sklerodermie. Dermatol. Mon.schr. 1990; 176: 683–685

7. Matrai A, Ernst E: Hämorheologische und klinische Veränderungen bei ankylosierender Spondylitis unter Hyperthermie. Acta medica Austriaca 1991; 18: 120–124

8. Bortz J, Döring N: Forschungsmethoden und Evaluation. 2. Auflage. Berlin: Springer, 1995

9. Krause R, Stange R: Infrarotes Spektrum. Berlin: Springer, 2012: 48–49

10. Wagner A: Milde wassergefilterte Infrarot-A-Ganzkörperhyperthermie als Zusatzbehandlung zu einer multimodalen rehabilitativen Standarttherapie bei Fibromyalgie: klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit. Göttingen: Sierke Verlag, 2008

11. Lange U, Thielen G, Neeck G, Schmidt KL: Einfluss der milden Hyperthermie auf die Blutspiegel von Kortisol und Lymphozytensubpopulationen bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis und Gesunden. Phys Med Rehab Kuror 2005; 15: 44–47

12. Oosterveld FG, Rasker JJ, Floors M et al.: Infrared sauna in patients with rheumatoid arthritis and ankylosing spondylitis. A pilot study showing good tolerance, short-term improvement of pain and stiffness, and a trend towards long-term beneficial effects. Clin Rheumatol 2009; 28: 29:24

13. Tarner IH, Müller-Ladner U, Uhlemann C, Lange U: The effect of mild whole-body hyperthermia on systemic levels of TNF-alpha, IL-1beta, and IL-6 in patients with ankylosing spondylitis. Clin Rheumatol 2009; 28: 397–402

14. Schmidt KL: Hyperthermie und Fieber. Wirkungen bei Mensch und Tier. Stuttgart: Hippokrates, 1987

Fussnoten

1 m&i-Fachklinik Bad Pyrmont

2 m&i-Klinikgruppe Enzensberg, Abt. Forschung, Entwicklung und Qualitätssicherung

3 Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Immunologie und Rheumatologie

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4