Originalarbeiten - OUP 10/2013

Ganzkörperhyperthermie mit wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis

Das übrige multimodale Standardtherapieprogramm war in der Kontroll- und den Interventionsgruppen identisch und Bestand im Wesentlichen aus Physiotherapie, medizinischer Trainingstherapie, Ergotherapie, medizinischen Bädern, Massagen, psychologischer Betreuung und medikamentösen Therapien.

Wassergefiltertes Infrarot-A stellt eine spezielle Form der Infrarotstrahlung im Bereich von 760–1400 nm dar. Diese kurzwellige Infrarotstrahlung scheint ein besonders geeigneter Ansatz zu sein, eine milde systemische Überwärmung zu induzieren, da durch die Wasserfilterung die Strahlungsanteile gemindert werden, die sonst durch Wechselwirkung mit Wassermolekülen in der Haut eine unerwünschte thermische Belastung der obersten Hautschicht hervorrufen würden. Es steigen Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe. Wesentliche bisher bekannte klinische Wirkungen sind – indikationsübergreifend – eine Minderung von Schmerzen, Entzündung und vermehrter Sekretion sowie eine Verbesserung der Infektabwehr und der Regulation [9]. In der hier vorgestellten klinischen Studie wurde eine IRATHERM 1000 (URL: http://www.ardenne.de/med_de/) als Hyperthermieanlage eingesetzt.

Die Studienärztin und das involvierte Fachpersonal wurden vom Gerätehersteller geschult. Die Supervision der klinischen Prüfung vor Ort oblag dem Chefarzt der durchführenden Einrichtung.

Zielparameter und Messzeitpunkte

Primäre Zielgröße bzw. abhängige Variable war die Schmerzintensität, die mittels einer gängigen 11-stufigen Numerischen Rating-Skala (NRS) mit den Endpunkten 0 (keine Schmerzen) und 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz) ermittelt wurde. Erfragt wurde „die durchschnittliche Schmerzstärke während der letzten 7 Tage“.

Als sekundäre Zielparameter wurden definiert:

  • Krankheitsaktivität, gemessen mit dem Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI),
  • körperliche Funktionskapazität, gemäß dem Funktionsfragebogen Hannover (FFbH),
  • Selbstständigkeit im Alltag, ermittelt mit dem Health Assessment Questionnaire (HAQ).

Weitere deskriptiv-explorativ zu behandelnde Nebenfragestellungen betreffen die Laborwerte C-reaktives Protein (CRP) und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) als Entzündungsparameter, die Wirbelsäulenbeweglichkeit (Hinterkopf-Wand-Abstand, Targus-Wand-Abstand, Kinn-Jugulum-Abstand, Schober-Test), die Atembreite, Nebenwirkungen und das subjektive Empfinden. Eine Untersuchung und schriftliche Befragung der Patienten erfolgte bei Aufnahme in die Reha-Klinik und bei Entlassung nach 3 Wochen Rehabilitationsmaßnahme; eine weitere Befragung 3 Monate nach Entlassung.

Auswertung

Die Auswertung erfolgte als Per-protocol-Analyse, da die Dosisfindung wesentlicher Bestandteil der Fragestellung war. Zur Testung der primären und sekundären Zielgrößen auf Signifikanz wurden Varianzanalysen mit Messwiederholung durchgeführt. Der durch das multiple Testen bedingten Alphafehler-Kumulierung wurde durch eine rein deskriptive Auswertung der Nebenfragestellungen und das Adjustieren der p-Werte durch die Bonferroni-Holm-Korrektur bei den primären und sekundären Zielparametern entgegengewirkt. Alle Auswertungen erfolgten mit dem statistischen Programmpaket SPSS 17.

Um die hinsichtlich einiger Kontrollmerkmale vorgefundenen zufälligen Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen auszuschalten, wurden diese strukturell angeglichen (Parallelisierung). Dazu wurden aus den überrepräsentierten Subgruppen per Zufallsverfahren einzelne Probanden ausgeschlossen. Der ursprüngliche Stichprobenumfang reduziert sich dadurch um 7 Probanden zugunsten einer verbesserten Vergleichbarkeit relevanter Merkmale.

Ergebnisse

Basisdaten der Studienteilnehmer

Vollständige Datensätze von insgesamt 66 Patienten gingen in die Auswertung ein. Tabelle 1 zeigt die Merkmale der Studienteilnehmer bei Studienbeginn. Die Studiengruppen erweisen sich als gut vergleichbar. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der zentralen soziodemografischen Variablen statistisch nicht bedeutsam voneinander.

Behandlungsdaten

Die mittlere rektal gemessene Körperkerntemperatur nach der Erwärmungsphase betrug in den Interventionsgruppen 38,0 °C. Die Wärmestauphase betrug durchschnittlich 17 Minuten.

Schmerzstärke (primäre Zielgröße)

Tabelle 2 zeigt, dass die Schmerzintensität in allen 3 Gruppen bis zum Ende der stationären Behandlung zurückging. In der Gruppe mit 3 Hyperthermieanwendungen sowie in der Kontrollgruppe ging ein Teil dieses Effekts bis zur Nachbefragung 3 Monate nach Entlassung wieder verloren, in der Gruppe mit 6 Anwendungen bleibt die erzielte Schmerzreduktion stabil. Die Varianzanalyse mit Messwiederholung weist die Unterschiede in der Schmerzreduktion bis 3 Monate nach der Behandlung zwischen den 3 Gruppen als signifikant aus (F-Wert für Interaktion = 3,680; p = 0,011). Die auf die Standardabweichung der Kontrollgruppe bezogene Effektstärke von 0,69 verweist auf einen mittleren Effekt (Abb. 2).

Sekundäre Zielgrößen

In den sekundären Zielgrößen Krankheitsaktivität (BASDAI) und Funktionskapazität (FFbH) erzielte die Interventionsgruppe mit 6 Anwendungen Hyperthermie bessere Ergebnisse als die Gruppe mit 3 Anwendungen und die Vergleichsgruppe ohne zusätzliche Hyperthermie (Tab. 2). Die vorgefundenen Unterschiede in der Größenordnung kleiner bis mittlerer Effekte (Abb. 2) erreichten jedoch keine statistische Signifikanz. Bezüglich der Entwicklung der Selbstständigkeit (HAQ) konnten keine praxisrelevanten Unterschiede zwischen den Gruppen beobachtet werden (Tab. 2).

Weitere Zielgrößen

Die Entzündungswerte CRP und BSG lagen bereits bei Aufnahme durchschnittlich sehr niedrig. Veränderungen dieser Werte waren im Beobachtungszeitraum folglich kaum zu verzeichnen, wie Tabelle 3 zeigt.

Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule verbesserte sich bis zur Entlassung im Schober-Test um jeweils 0,8 cm in den beiden Interventionsgruppen und um 0,3 cm in der Vergleichsgruppe.

Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule (Targus-Wand-Abstand, Hinterhaupt-Wand-Abstand, Kinn-Jugulum-Abstand) und die Atembreite zeigten keine auffälligen Unterschiede zwischen den Studiengruppen.

Unerwünschte Ereignisse/Nebenwirkungen

Jeweils 4 Patienten aus jeder Interventionsgruppe brachen die Teilnahme an der Studie ab, weil sie die Wärme als unangenehm empfanden, in 2 Fällen trat unmittelbar nach Therapie-Ende ein Schwindelgefühl auf. Andere Nebenwirkungen oder unerwünschte Ereignisse kamen im Rahmen der Studie nicht vor.

Subjektives Empfinden

41 von 53 Patienten (Completer und Abbrecher) bzw. 77 % bezeichneten die neue Therapieform als „angenehm“ oder „sehr angenehm“, 10 Patienten (19 %), darunter die Abbrecher, als „unangenehm“ oder „sehr „unangenehm“, 2 Patienten urteilten mit „weder/noch“. 17 von 21 Patienten (81 %) der Gruppe mit 3 Anwendungen und 22 von 24 Patienten (92 %) der Gruppe mit 6 Anwendungen bezeichneten die Ganzkörperhyperthermie als wirksam.

Diskussion

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