Übersichtsarbeiten - OUP 04/2021

Geniculare arterielle Embolisation (GAE) zur Schmerztherapie bei der Gonarthrose
Anatomie, Technik und Evidenz

Jörg Jerosch, Gebhard Schmid

Zusammenfassung:
Im vorliegenden Artikel werden die Möglichkeiten der Schmerzbehandlung bei der Gonarthrose durch die Embolisation synovialer Gefäße dargestellt. Hierzu werden einleitend die Ursachen der Kniearthrose dargestellt sowie die momentan leitliniengerechte Behandlung erläutert. Viele Patienten haben Komorbiditäten und Komedikationen, welche die Anwendung von NSAR erschweren. Hier bietet sich eine gute Möglichkeit zur Embolisation.

Schlüsselwörter:
Knie, Arthrose, Schmerzmanagement, Embolisation

Zitierweise:
Jerosch J, Schmid G: Geniculare arterielle Embolisation (GAE) zur Schmerztherapie bei der Gonarthrose. Anatomie, Technik und Evidenz.
OUP 2021; 10: 165–169. DOI 10.3238/oup.2021.0165–0169

Summary: The present article describes the possibilities of synovial embolisation in the management of knee osteoarthritis. We present the etiology of knee osteoarthritis as well as the guideline orientated treatment. Many patients have comorbidities and comedications which does not allow the use of NSAR. Especially in this patient group the embolization seems to be a good option.

Keywords: Knee osteoarthritis, pain management, embolisation

Citiation: Jerosch J, Schmid G: Genicular artery embolisation (GAE) for pain management in knee osteoarthritis. Anatomy, technique and evidence.
OUP 2021; 10: 165–169. DOI 10.3238/oup.2021.0165–0169

Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

Einleitung

Die Gonarthrose ist eine degenerative Erkrankung, deren Verlauf nicht umkehrbar ist und die mit deutlicher Einschränkung der physischen Aktivität und Lebensqualität aufgrund chronischer Schmerzen einhergehen kann. Die Arthrose ist eine multifaktoriell bedingte, degenerative Erkrankung von Gelenken; sie führt zu schmerzhaften Funktionseinschränkungen bis hin zum weitgehenden Funktionsverlust. Eine einheitliche Beschreibung der resultierenden pathogenetischen Vorgänge ist nicht möglich. Ätiologische Faktoren sind neben molekulargenetischen Komponenten, altersbedingte Veränderungen, mechanische Fehl- und Überbelastungen, metabolische Einflüsse (metabolisches Syndrom), neurologische Ursachen oder eine entzündliche Genese.

Der typische Patient ist

älter als 45 Jahre [30],

hat mehr als eine Komorbidität [36],

nimmt verschiedene Medikamente (Komedikation) [30],

hat neben einer Arthrose auch andere altersbedingte muskuloskeletttale Erkrankungen [11].

Konservative Behandlung der Arthrose

Die konservative Therapie beinhaltet eine Anpassung des Lebenswandels, Analgetika, Physiotherapie und Gewichtsverlust und ist im Rahmen der aktuell gültigen AWMF-Leitlinie abgebildet (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/033-004.html). Im Rahmen dieser Leitlinie wird insbesondere auch deutlich, dass die Mehrzahl der von einer Gonarthrose betroffenen Patienten Komorbiditäten [36] besitzen oder eine Co-Medikation benötigen [30], welche die Verwendung von nicht-steroidalen Antirheumatika als kontraindiziert ansehen lässt [35] Hier erlaubt die Leitlinie dann relativ zeitnah unter anderem intraartikuläre Therapien wie die Injektion von Glukokortikoiden oder Hyaluronsäure-Präparaten [12, 31].

Die unkontrollierte wiederholte Gabe von Kortisonpräparaten intraartikulär führt zu einer negativen Beeinflussung des verbleibenden Gelenkknorpels [22, 23].

In letzter Zeit gibt es auch Ansätze der Stammzellanwendung bei der Arthrosetherapie. Hier werden in der Regel ein- bis mehrmalige Infiltrationen durchgeführt. Der Wirkmechanismus ist hierbei noch nicht geklärt; ein antiinflammatorischer Einfluss ist hier eher zu unterstellen als eine Gewebeneubildung durch die applizierten Zellen [2, 6, 9, 14, 33]. Gelegentlich werden auch Kombinationen mit chirurgischen Maßnahmen wie beispielsweise korrigierenden Osteotomien vorgeschlagen [14, 16, 32, 34, 38]. McIntyre et al. [25] hatten in einem systematischen Review die klinisch relevanten Ergebnisse der letzten Jahre zusammengefasst. Es handelt sich in der Regel um nicht kontrollierte Fallserien mit einer Patientenzahl im niedrigen einstelligen Bereich oder um Fallberichte. Statistisch qualitativ höhere Arbeiten sind erst kürzlich erschienen, so dass man in den nächsten Jahren von einer Verbesserung der Evidenz ausgehen kann.

Die Embolisation der Kniegefäße ist bisher vornehmlich bei intraartikulären Blutungen (z.B. bei Hämophiliepatienten) eingesetzt worden. Es zeigt sich zunehmendes Interesse auch bei der Behandlung der Schmerzen im Rahmen einer Kniearthrose. Eine Erweiterung des Behandlungsspektrums durch eine Embolisation der Kniekapselgefäße ist hier sicherlich von Interesse.

Grundlagen GAE

Eine Schmerzquelle bei der Gonarthrose ist die proliferative hypertrophe Synovialitis mit einer Neoangiogenese. Angiographisch kommt dieses Phänomen mit dem sogenannten periartikulären Blush mit Kontrastmittelanreicherung und hypertrophen Gefäßen zur Darstellung. Dieser anatomische Bereich ist das Ziel der Embolisation.

Die Embolisation kann für milde bis moderate radiologisch nachweisbare Arthrosen (Kelgreen-Lawrence Score I–II) (Tab. 1) in diesem Spannungsfeld der möglichen Therapieformen eine Option darstellen. Die Angiogenese spielt in der Pathophysiologie der Osteoarthrose eine entscheidende Rolle [21]. Die arthrosebedingte Inflammation begünstigt die Angiogenese aufgrund der Makrophagenaktivität. Blutgefäße und Nervenwachstum sind verbunden mit der Freisetzung von proangiogenetischen Faktoren wie z.B. Vascular Endothelial Growth Factor, ?-Nerve-Growth-Faktor und Neuropeptiden. Über derartige Mechanismen kann die Angiogenese zu strukturellen Schädigungen des Gelenkknorpels und zu Schmerzen führen.

Ashraf et al. [1] zeigten in Tierversuchen, dass bei Zuführung spezifischer angiogenetisch hemmender Substanzen nach Meniskusresektionen eine signifikante Reduktion der synovialen und osteochondralen Angiogenese stattfindet. Gleichfalls kommt es zur Reduktion der synovialen Inflammation der Gelenkschädigung und der Schmerzen.

Korchi et al. [18] zeigten bei 6 Hunden vor und 12 Wochen nach vorderem Kreuzbandverlust im MR einen deutlichen Zuwachs der synovialen Vaskularität in den osteoarthrotischen Gelenken.

Technik der GAE

Unter anderem von Kolber et al. (2017) und Little [20] (CIRSE 2019) wurde die Technik wie folgt beschrieben: In üblicher angiographischer Technik wird eine 4F- oder 5F-Schleuse antegrad
in die A. fem. superficialis ipsilateral eingebracht und die Beinarterien bis zum Unterschenkel dargestellt. Besondere Aufmerksamkeit findet dabei die Darstellung der periartikulären Arterien um das Kniegelenk. Bei der angiographischen Darstellung stellt sich
die inflammatorisch veränderte Synovia des Kniegelenks zumindest partiell als stark kontrastmitteldurchströmte Struktur mit deutlicher KM-Anfärbung aufgrund der Hypervaskularisation und Hyperperfusion dar . Ist dies nicht der Fall, macht auch eine Embolisation keinen Sinn. Über die Schleuse wird ein 4–5F-Führungskatheter eingebracht, oft mit abgewinkelter Spitze, um die Ostien der teils rechtwinklig aus der A. poplitea abgehenden Kniearterien zu sondieren. Man sucht insbesondere diejenigen Kniearterien auf, die zu den hypervaskularisierten Synoviaabschnitten ziehen und den typischen „blush“, d.h. die KM-Anfärbung nach Injektion aufweisen. Über den Führungskatheter wird mittels Mikrodraht ein Mikrokatheter eingebracht, um das betroffene Gefäß möglichst weit distal zu sondieren und so früh abgehende Seitäste ohne „blush“ zu verschonen. Nach erneuter KM-Injektion und Überprüfung des Verteilungsmusters wird abschließend die Embolisation durchgeführt. Vor Beginn der Embolisation werden Eispackungen um das Knie platziert um die Durchblutung der Haut zu reduzieren und so das Risiko einer möglichen kutanen Fehlembolisation zu mindern. Äußerste Vorsicht sollte auch darauf verwendet werden, zum Knochen ziehende Arterien nicht mitzuembolisieren, was üblicherweise durch die distale Lage des Mikrokatheters in Kapselgefäßen gelingt. Zur Embolisation werden unterschiedliche Materialien verwendet (Abb. 4).

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