Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nach proximaler Femurfraktur
Kurz- und langfristige Ergebnisse einer prospektiven StudieShort and long term results of a prospective study

B. Buecking1, R. Aigner1, D. Eschbach1, C. Bliemel1, J. Gehrke2, S. Ruchholtz1

Zusammenfassung: Proximale Femurfrakturen sind typische und häufige Frakturen bei geriatrischen Patienten mit einer hohen Mortalität und häufigem Verlust der Selbsthilfefähigkeit. In dieser Studie wurden 105 Patienten mit proximaler Femurfraktur analysiert, die eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung erhielten. Es wurden die funktionellen Fähigkeiten und die Pflegebedürftigkeit bis 12 Monate nach dem Unfall gemessen. Die Funktionalität konnte im Verlauf der Behandlung gesteigert werden (Barthel-Index: 52; 95 % CI 46–58 vs. 65; 95 % CI 59–71 Punkte; p < 0,001) und veränderte sich im langfristigen Verlauf nicht (6 Monate: 68; 95 % CI 60–75 Punkte; p = 0,353; 12 Monate: 69; 95 % CI 62–77 Punkte; p = 0,119) ohne allerdings das prätraumatische Niveau von 83 Punkten (95 % CI 78–88, p < 0,001) zu erreichen. Korrespondierend nahm auch der Anteil der Patienten mit einer anerkannten Pflegestufe von 21 % vor dem Unfall auf 61 % nach 6 Monaten und 63 % nach 12 Monaten stark zu (p < 0,001). Die frührehabilitative Komplexbehandlung scheint zu einer nachhaltigen Verbesserung der funktionellen Fähigkeiten zu führen. Das prätraumatische Niveau wird allerdings nicht erreicht, sodass insgesamt eine Zunahme der Pflegebedürftigkeit resultiert. Eine Integration der frührehabilitativen geriatrischen Aspekte in die Akutklinik scheint sinnvoll. Weitere Untersuchungen und auch randomisierte Studien sind notwendig, um im Sinne der Patienten, aber auch einer effizienten Ressourcenallokation, Kriterien für die verschiedenen Rehabilitationen zu finden.

Schlüsselwörter: proximale Femurfrakturen, Altersfrakturen,
geriatrische Rehabilitation, geriatrische Behandlung, Outcome

Zitierweise
Buecking B, Aigner R, Eschbach D, Bliemel C, Gehrke J, Ruchholtz S. Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nach proximalen Femurfrakturen. Kurz- und langfristige Ergebnisse einer prospektiven Studie. OUP 2014; 11: 516–522 DOI 10.3238/oup.2014.0516–0522

Summary: Hip fractures are frequent and typical fractures of the elderly. They are associated with a high mortality and often they are responsible for the loss of independence in geriatric individuals. In this study 105 patients with proximal femoral fracture, who were referred to geriatric rehabilitation after acute care were analysed. Functional outcomes and care dependency were measured until 12 month after occurrence of the fracture. Functional improvement was seen during treatment (Barthel-Index: 52; 95 % CI 46–58 vs. 65; 95 % CI 59–71; p < 0,001) and did not change in the long term (68; 95 % CI 60–75 after 6 months; p = 0,353; 69; 95 % CI 62–77 after 12 months; p = 0,119). However, the pre-fracture level was not reached (Barthel-Index 83; 95 % CI 78–88, p < 0,001). In line with this the percentage of
patients with a care level clearly increased from 21 % before the accident to 61 % after 6 months and 63 % after 12 months (p < 0,001). Geriatric rehabilitaion seems to lead to sustainable functional improvement. However, due to the fact that pre-operative functional level was not reached, the care dependency of the patients increased in the course of this study. Integration of early orthogeriatric treatment in the acute care hospital stay seems to be reasonable. Further investigations and prospective randomized trials are necessary to find decision criteria to identify the correct rehabilitation option for each patient. These decision criteria should include economic considerations in terms of effective allocation of resources on the one hand and patients needs on the other hand.

Keywords: hip fracture, geriatric fracture, geriatric rehabilitation, geriatric treatment, outcome

Citation
Buecking B, Aigner R, Eschbach D, Bliemel C, Gehrke J, Ruchholtz S. Geriatric rehabilitation after hip fracture. Short and long term results of a prospective study.
OUP 2014; 11: 516–522 DOI 10.3238/oup.2014.0516–0522

Einleitung

Proximale Femurfrakturen entstehen zumeist durch einfache Stürze in Verbindung mit Osteoporose. Ihre Inzidenz ist in den letzten Jahren auf nunmehr 140.000 Patienten über 65 Jahre im Jahr 2012 in Deutschland angestiegen [10]. Aufgrund der häufig sehr alten und multimorbiden Patienten zählen proximale Femurfrakturen zu den großen medizinischen und gesundheitsökonomischen Herausforderungen [20].

Gemäß (inter-)nationaler Leitlinien sollen proximale Femurfrakturen innerhalb von 48 Stunden operiert werden [1, 3]. Die postoperative Akutbehandlung ist gekennzeichnet durch hohe Komplikationsraten [15, 16] und dauert knapp 2 Wochen. Da die meisten Patienten nicht direkt nach Abschluss der Akutbehandlung in ihre gewohnte Umgebung entlassen werden können, sind weitere Rehabilitationsmaßnahmen notwendig. International hat sich für dieses Patientengut die geriatrische Rehabilitation als effektiv erwiesen [5].

Um die Behandlung der Patienten weiter zu optimieren und die Gesamtbehandlungsdauer zu verkürzen, wurden in den letzten Jahren Modelle entwickelt, die geriatrische und rehabilitative Aspekte schon in der Akutphase berücksichtigen [21]. Die Ergebnisse dieser interdisziplinären Akutbehandlung sind zwar durchweg positiv [7, 13], gerade aus Deutschland liegen jedoch nur sehr wenige Daten vor [6]. Mit ambulanten Rehabilitationen und sogar Rehabilitationen, bei denen die Therapeuten zu den Patienten nach Hause kommen, stehen weitere Rehabilitationsformen zur Verfügung. Zusätzlich bestehen aufgrund der verschiedenen Gesetzgebungen unterschiedliche Regelungen mit entweder einem Fokus auf der Akutbehandlung (z.B. Akutgeriatrie in Hessen) oder der Rehabilitation (z.B. geriatrische Rehabilitation in Bayern) [12].

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5