Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nach proximaler Femurfraktur
Kurz- und langfristige Ergebnisse einer prospektiven StudieShort and long term results of a prospective study

Trotz des großen Behandlungsaufwands sind die Langzeitergebnisse gekennzeichnet von hoher Morbidität, reduzierter Lebensqualität, Verlust der Selbstständigkeit und hoher Mortalität [20, 22]. Weitgehend unklar ist weiterhin, welche Patienten von welcher Form der Rehabilitation langfristig profitieren.

In dem vorliegenden Artikel wollen wir die kurzfristigen und langfristigen Ergebnisse der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung in Bezug auf die Funktion und Selbsthilfefähigkeit der Patienten darstellen.

Patienten und Methoden

Patientenkohorte

Es handelt sich hierbei um eine Subgruppenanalyse einer großen prospektiven Beobachtungsstudie [9].

In die Hauptstudie wurden Patienten mit mindestens 60 Jahren nach erlittener proximaler Femurfraktur aufgenommen (S72.0 bis S72.2 nach ICD 10 [2]). Ausschlusskriterien waren ein erlittenes Polytrauma (Injury Severity Score ? 16) und malignomassoziierte Frakturen. Einschlusszeitraum war vom 01.04.2009 bis 30.09.2011. Es lag ein positives Votum der Ethikkommission der Universität Marburg vor und jeder Patient oder dessen gesetzliche Vertreter gab sein schriftliches Einverständnis.

Alle 402 Patienten wurden zunächst in der Unfallchirurgischen Klinik des Universitätsklinikum Marburg operativ behandelt.

Postoperativ erfolgte durch die behandelnden Ärzte die Einschätzung der Rehabilitationsfähigkeit bzw. des Rehabilitationsbedarfs. Von den 239 Patienten, die in eine geriatrische Klinik verlegt wurden, wurden 105 Patienten in die Hessische Berglandklinik Bad Endbach verlegt; sie wurden in dieser Subgruppenanalyse berücksichtigt. 6 Monate nach dem Unfall konnten von den 105 Patienten noch 87 Patienten und nach 12 Monaten noch 71 Patienten kontaktiert werden. 8 Patienten starben bis 6 Monate nach dem Unfall und insgesamt 12 Patienten bis 12 Monate nach dem Unfall (Abb. 1).

Baseline Daten

Zunächst wurden die persönlichen Daten (Alter, Geschlecht, Pflegestufe und Wohnsituation), der Frakturtyp, der ASA-Score (American Society of Anestesiology) [4] und der funktionelle Status vor dem Unfall mit Hilfe des Barthel-Index [25] erfasst. Es erfolgte zudem eine kognitive Einschätzung mittels Mini-Mental-Test [11]. Ein Wert von 24 Punkten oder weniger wurde als eine vorliegende kognitive Beeinträchtigung gewertet.

Behandlungsverlauf

Alle 105 Patienten erhielten eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS 8–550 [14]). Die Inhalte und Vorgaben zur Abrechnung der Komplexbehandlung wurden bei allen Patienten erfüllt und sind in Tabelle 1 dargestellt.

Die Dauer der Behandlung und relevante Komplikationen wurden ebenso erfasst wie die Art der Verlegung aus der geriatrischen Klinik. Dabei wurden folgende Verlegungsarten unterschieden:

  • 1. Verlegung nach Hause ohne fremde Hilfe (ohne Pflege),
  • 2. Verlegung nach Hause mit Pflege vorwiegend durch die Angehörigen,
  • 3. Verlegung nach Hause mit Pflege vorwiegend durch einen Pflegedienst,
  • 4. Neueinweisung in ein Pflegeheim,
  • 5. Verlegung in die Kurzzeitpflege,
  • 6. Rückverlegung ins Pflegeheim.

Outcome-Parameter

Funktionelles Outcome

Das funktionelle Ergebnis der Patienten wurde mit Hilfe des Barthel-Index gemessen [19]. Die Messungen erfolgten bei Entlassung aus der Akutklinik, bei Entlassung aus der geriatrischen Klinik, nach 6 Monaten und nach 12 Monaten.

Wohn- und Pflegesituation

Die Wohnsituation der Patienten vor dem Unfall, nach 6 Monaten und nach 12 Monaten wurde erfragt. Dabei wurde zwischen alleinlebend, mit Partner oder Verwandten lebend und im Pflegeheim lebend unterschieden. Es wurde die Neubeantragung einer Pflegestufe bzw. deren Veränderung zu den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten erfasst.

Datenmanagement und
Datenanalyse

Die Dateneingabe erfolgte mit doppelter Eingabe und Plausibilitätsprüfung in eine Filemaker Datenbank (FileMaker Inc., Santa Clara, CA, USA). Die Statistische Auswertung erfolgte mit IBM SPSS statistics 22 (Statistical Package for the Social Science, IBM Cooperation, Armonk, N.Y., USA). Es erfolgte zunächst eine deskriptive Statistik.

Zur Bewertung der funktionellen Langzeitergebnisse wurden die Barthel-Werte nach 6 und 12 Monaten mit der Situation vor dem Unfall verglichen. Zur Überprüfung der Nachhaltigkeit der geriatrischen Behandlung wurden zudem die 6– und 12-Monats-Werte mit den Werten zum Entlasszeitpunkt aus der Geriatrie verglichen. Hierfür wurden jeweils gepaarte T-Tests mit den Werten der Patienten, die zu allen Zeitpunkten untersucht worden waren, durchgeführt.

Der Verlauf des Pflegeheimstatus und der Pflegestufen wurde mit dem McNemar-Test analysiert.

Es wurde ein Signifikanzniveau von p < 0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Baseline Daten

Von den eingeschlossenen 105 Patienten waren 80 Frauen und 25 Männer. Das Durchschnittsalter betrug 82 ± 7,8 Jahre. Knapp die Hälfte (49 %) der Patienten hatte eine Schenkelhalsfraktur erlitten, während 47 % eine pertrochantäre und 5 % eine subtrochantäre Fraktur erlitten hatten. Der durchschnittliche ASA-Score betrug 2,8 ± 0,6. Der Barthel-Index vor dem Unfall betrug 81 ± 22 Punkte. Bei einem durchschnittlichen Mini-Mental-Test von 23 ± 7,0 Punkten wies gut ein Drittel (36 %) eine kognitive Einschränkung auf (Tab. 2).

Behandlungsverlauf

Die Behandlung in der Geriatrie dauerte zwischen 6 und 40 Tage (Mittelwert 15 Tage). Bei den untersuchten Patienten traten keine schwerwiegenden Komplikationen auf: Kein Patient verstarb oder musste aufgrund einer Komplikation an der operierten Hüfte verlegt werden.

Nur 5 Patienten waren nach der Entlassung nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Die Mehrzahl der Patienten wurde nach Hause entlassen und erhielt Unterstützung durch Angehörige (N = 54) oder durch einen Pflegedienst (N = 19). Insgesamt 19 Patienten mussten in ein Pflegeheim zur dauerhaften Pflege (N = 6) oder Kurzzeitpflege (N = 13) eingewiesen werden. 8 Patienten waren schon vor dem Unfall in einem Pflegeheim untergebracht und wurden dorthin zurückverlegt (Abb. 2).

Funktionelles Outcome

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