Originalarbeiten - OUP 01/2013

Halbwirbelresektion bei kongenitaler Skoliose – Beschreibung der
operativen Technik und langfristigen Ergebnisse

Es wurden nur Patienten bis zu einem Lebensalter von 6 Lebensjahren bei Operation eingeschlossen. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Operation betrug 3,5 Jahre. Keiner der Patienten war vorher operativ an der Wirbelsäule versorgt worden. Patienten mit Meningomyleozele wurden ausgeschlossen.

Alle Patienten wurden innerhalb der ersten postoperativen Woche mobilisiert. Zur Auswertung wurden die a.p.- sowie die seitliche Röntgenaufnahmen (gesamte Wirbelsäule stehend) herangezogen. Hier wurden folgende Parameter bestimmt:

Segmentale Hauptkrümmung: Von der oberen Endplatte des Wirbels oberhalb des Halbwirbels gemessen zur unteren Endplatte des Wirbel unterhalb des Halbwirbels.

Hauptkrümmung

Kraniale Nebenkrümmung

Kaudale Nebenkrümmung

Segmentale Kyphose/Lordose: Von der oberen Endplatte über dem Halbwirbel bis zur unteren Endplatte unter dem Halbwirbel

Seitliche Dekompensation (d.h. der Abstand des Lotes von C7 zum Mittelpunkt des Sakrums [radiologische Lotlinie])

Ausrichtung des Lotes von C7 zum posterosuperioren Aspekt von S1 (sagittale Balance)

Operationstechnik

Die Resektion des Halbwirbels wird durch einen einzeitigen dorsalen Zugang mit Fusion der benachbarten Wirbel sowie transpedikulärer Instrumentation durchgeführt. Zur Planung dieser Operation ist eine präzise Bildgebung notwendig. Dabei wird der Halbwirbel in der Computertomographie mit 3DRekonstruktion analysiert. Von Wichtigkeit sind insbesondere die Form des Halbwirbels, seine Beziehung zu den Nachbarwirbeln, die Anatomie der Pedikel, sowie Synostosen der Wirbelanteile und der Rippen. Um die allgemeine Statik und Flexibilität der gesamten Wirbelsäule beurteilen zu können, sind gegebenenfalls Bending-Aufnahmen notwendig. In der Kernspintomografie und Myelografie werden Fehlbildungen des Rückenmarks evaluiert.

Seit 1996 werden diese Operationen in unserem Hause unter Spinal Cord Monitoring durchgeführt.

Die Wirbelsäule wird auf der Ebene des Halbwirbels und der benachbarten Wirbel freigelegt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das Periost außerhalb des geplanten Fusionsbereichs nicht verletzt wird. Es folgen transpedikuläre Bohrungen, die mit K-Drähten markiert werden. Die richtige Position der Drähte wird mit dem Bildverstärker überprüft. Dann werden die Schrauben gesetzt. Die vorhanden hinteren Elemente des Halbwirbels (die Lamina mit dem Querfortsatz, die Facettengelenke und der posterioren Teile der Pedikel) werden entfernt. Das Rückenmark und die Nervenwurzeln werden identifiziert. Auf der Seite der Konvexität wird der Processus transversus und ggf. der Rippenkopf (in der Brustwirbelsäule) reseziert. Nun wird der laterale und ventrale Aspekt des Halbwirbels präpariert (retroperitoneal im Lendenbereich, intrathorakal-extrapleural im thorakalen Bereich). Der Wirbelkörper des Halbwirbels wird nun ggf. unter dem Mikroskop reseziert. Dabei werden die angrenzenden Bandscheiben entfernt und die angrenzenden Wirbelendplatten debridiert. Die Bandscheibe muss bis zur kontralateralen Seite entfernt werden.

Danach wird die Instrumentation vervollständigt und Kompression auf der konvexen Seite eingeleitet, bis sich die Resektionslücke vollständig schließt. Ein verbliebener Defekt wird mit Spongiosa gefüllt.

Bei einer ausgeprägten kyphotischen Fehlstellung, insbesondere lumbal, sollte ventral ein Cage als Hypomochlion zur Lordosegewinnung eingebracht werden.

Während der Resektion des Halbwirbels und während des Korrekturmanövers müssen die neuralen Strukturen ständig überwacht werden.

Bei singulären Halbwirbeln ohne Bar-Bildung, Rippensynostose oder anderen großen strukturellen Veränderungen der benachbarten Wirbel können der Halbwirbel reseziert und die beiden benachbarten Wirbel fusioniert werden. Bei Patienten mit kontralateraler Bar-Bildung und mehreren Rippensynostose können die Bar-Bildung gelöst und die synostosierten Rippenköpfe entfernt werden. Die Fusion mit segmentaler Instrumentation muss dann über die gesamte Länge der Bar-Bildung erweitert werden. Auch bei bereits vorhandenen strukturellen Veränderungen der benachbarten Wirbel muss die Fusionstrecke ggf. verlängert werden.

Vor 1997 waren keine an die geringe Pedikelgröße von Kleinkindern adaptierten Wirbelsäulenimplantate vorhanden. Anfangs wurden Schrauben-Plattensysteme aus dem HWS-Bereich verwendet, in 2 frühen Fällen wurden auch 3,5-mm-transpedikuläre Schrauben in Kombination mit Drahtzerklagen. Seit 1997 wurde ein neu entwickeltes Schrauben-Stab-System unter Verwendung polyaxialer Titanschrauben mit einem Schraubendurchmesser von 3,5 mm und 3-mm-Stäben verwendet (Baby-Moss-Miami), bei größeren Kindern auch 5- oder 6-mm-Schrauben (Moss/Moss-Miami).

Ergebnisse

Bei 40 Patienten war es möglich, die Röntgenaufnahmen zu analysieren.

Fusionsstrecke:

Bei den Patienten in der vorliegenden Studie wurden durchschnittlich 3 Segmente fusioniert, die kürzeste Fusionsstrecke war ein Segment, die Längste 9 Segmente.

Korrektur der Hauptkrümmung:

Die segmentale Krümmung an der Hauptkrümmung konnte von einem präoperativen Cobb-Winkel von 37° auf einen postoperativen Winkel von 7° reduziert werden. Bei der letzten Verlaufskontrolle wurde ein Cobb-Winkel von 5° gemessen.

Die Hauptkrümmung gesamt hatte einen präoperativen Cobb-Winkel von 47° und konnte auf einen postoperativen Winkel von 12° reduziert werden. Bei der letzten Verlaufskontrolle wurde ein Cobb-Winkel von 11° gemessen. Die durchschnittliche Korrektur betrug somit 34° (77 %).

Korrektur der Nebenkrümmungen:

Die kraniale Nebenkrümmung konnte in 38 Fällen gemessen werden. Der mittlere präoperative Cobb-Winkel betrug 18°, 5° postoperativ und bei der letzten Nachuntersuchung 3°. Somit konnte hier eine spontane Korrektur von 82 % erreicht werden.

Die kaudale Nebenkrümmung konnte in 44 Fällen ausgewertet werden.

Die mittlere Cobb-Winkel lag bei 23° vor der Operation, 7° nach der Operation und bei 6° bei der Nachuntersuchung. Die postoperative Korrektur betrug somit 70 %.

Korrektur in der Sagittalebene:

Der segmentale Winkel wurde nach den Vorgaben von Bernhardt und Bridwell [23] für Kyphosen und Lordosen mit negativen oder positiven Vorzeichen versehen. Der gemessene Wert wurde mit den segmentalen Normwerten verglichen und nur die Differenz notiert.

Verglichen mit den physiologischen Werten wiesen alle Halbwirbel eine mehr oder weniger starke Kyphose auf, diese betrug präoperativ 23°, 9° postoperativ sowie 7° bei der letzten Nachkontrolle, womit sich eine mittlere Korrektur von 66 % ergibt.

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