Übersichtsarbeiten - OUP 01/2021

Heterotope Ossifikationen im Bereich des Ellenbogens
Ursachen, Diagnostik und Therapie

Sofia Kilgus, Ulrich Stöckle, Kathi Thiele

Zusammenfassung:
Heterotope Ossifikationen (HO) am Ellenbogengelenk stellen eine häufige Komplikation nach Verbrennungen, Schädel-Hirn-Traumata bzw. in der posttraumatischen/-operativen Situation dar. Insbesondere multiple Repositionsversuche bei Ellenbogenluxationsfrakturen, Kombinationsfrakturen der Ulna und dem Radius sowie distale Humerusfrakturen sind mit einem höheren Risiko einer HO assoziiert. Neben der konsekutiven Bewegungseinschränkung birgt auch die spätere operative Versorgung ein hohes Komplikationsspektrum, so dass sich derzeitige Forschungsbemühungen insbesondere auf prophylaktischen Maßnahmen fokussieren. Die bisherigen prophylaktischen Maßnahmen umfassen die Anwendung von Nicht-Steroidalen Antirheumatika (NSAR) und der Radiatio, insbesondere in der Behandlung von Rezidiven, wobei die Studienlage bisher keine abschließende Aussage über die Wirksamkeit zulässt. Die chirurgische Resektion stellt bis dato die einzige therapeutische Option bei existenter Ossifikation dar, deren Outcome maßgeblich von der Größe der HO, dem Ausmaß des Weichteilreleases, der postoperativen Rehabilitation sowie des präoperativen Bewegungsausmaßes abhängig ist. Die Wahl des richtigen Operationszeitpunktes ist schwierig, da die HO stadienhaft verläuft. Zum optimalen Zeitpunkt einer Operation gibt es bislang keine klare Empfehlung. Der monatelangen Reifung der knöchernen HO steht die (teils zunehmende) Bewegungseinschränkung und die damit verbundene höhere Komplikationsrate aufgrund der Zugangsmorbidität gegenüber. Eine Operation ab dem 6. posttraumatischen bzw. postoperativen Monat erscheint möglich und sinnvoll. Insgesamt ist stets eine individuelle und sorgfältige Therapieplanung gemeinsam mit dem Patienten essentiell.

Schlüsselwörter:
Heterotope Ossifikationen, Ellenbogen, Trauma, Prophylaxe, Therapie

Zitierweise:
Kilgus S, Stöckle U, Thiele K: Heterotope Ossifikationen im Bereich des Ellenbogens. Ursachen, Diagnostik und Therapie. OUP 2021; 10: 014–019 DOI 10.3238/oup.2021.0014–0019

Summary: Heterotopic ossification (HO) in the elbow joint is a common complication after burn injury, traumatic brain injury as well as in the posttraumatic and postoperative situation. Especially multiple attempts of closed reduction in case of fracture-dislocation, combined fractures of the ulna and radius as well as distal humerus fractures are associated with a higher risk of HO. Besides the consecutive reduced range of motion, surgical treatment can cause different complications. Therefore, current research is focusing on prophylactic approaches. The currently established procedures are application of Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID) and radiation, especially for treatment in case of relapse. Yet current literature does not provide a terminal statement about their effectiveness. Until now, surgical resection is the only therapeutical option in case of formed ossification, whose outcome is mainly depending on the size of the HO, the extent of the soft tissue release, postoperative rehabilitation as well as the preoperative range of motion. Choosing the right time point in surgical excision is difficult as HO is developing during a multi-stage process. So far, there is no clear recommendation concerning the time point of surgical intervention. As the maturation of the bony HO is taking several months and leads to (partly progressive) reduction of range of motion, higher complication rates are possible because of the consecutive increasing extent of the surgical approach. Early excision, 6 months after trauma or previous operation, seems to be possible and reasonable. Overall, an individual and careful planning of the therapeutical strategy, together with the patient, is essential.

Keywords: Heterotopic ossification, elbow, trauma, prophylaxis, therapy

Citation: Kilgus S, Stöckle U, Thiele K: Heterotopic ossification of the elbow. Causes, diagnosis and therapy. OUP 2021; 10: 014–019 DOI 10.3238/oup.2021.0014–0019

Charité - Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Campus Virchow-Klinikum (CVK)

Ursachen

Heterotope Ossifikationen (HO) sind definiert als eine Formation von extraskelettalem Knochen in Muskel- oder Weichgewebe. Dabei ist zwischen der genetischen und erworbenen Form zu unterscheiden. Die weitaus seltenere genetische Form umfasst die Fibrodysplasia ossificans progressiva und die progressive ossäre Heteroplasie [28]. Die klinisch deutlich relevantere erworbene Form hat verschiedenste Ursachen und kann prinzipiell überall im Körper mit unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. Bei Rückenmarksverletzungen und Schädelhirntraumata sind vor allem das Hüft-, Knie-, Ellenbogen- und Schultergelenk involviert. Bei Verbrennungen ist es mehrheitlich das Ellenbogengelenk, gefolgt von dem Schulter- und Hüftgelenk. Als generelle Risikofaktoren gelten das männliche Geschlecht, eine stattgehabte HO in der Anamnese, Arthrose mit vorbestehender HO und eine längerfristige Ruhigstellung [1].

Entsprechend der bestehenden Studienlage zeichnet sich das Ellenbogengelenk durch eine hohe Inzidenz an heterotopen Ossifikationen bei posttraumatischer bzw. -operativer Genese aus. Ellenbogenluxationsfrakturen bzw. Frakturen im Bereich des distalen Humerus (insbesondere C-Frakturen) sowie Kombinationsfrakturen der proximalen Ulna und dem Radius führen zu einem vermehrten Aufkommen an HO (Abb. 1). Posttraumatisch werden in der Literatur bei schweren intraartikulären Frakturen Raten von bis zu 50 % [47], bei Ellenbogenluxationsfrakturen und zusätzlich multiplen Repositionsversuchen sogar bis zu 77 % [40] angegeben. Bei verzögerter Versorgung nach distaler Bizepssehnenruptur (> 30 Tage) sowie für die klassische „2-incision“ Technik sind ebenfalls ein erhöhtes Aufkommen an HO bzw. radioulnaren Synostosen beschrieben, welche signifikant durch den Operationszeitpunkt und einen modifizierten chirurgischen Zugangsweg reduziert werden können [21] (Abb. 2). Einzelne Fallbeschreibungen zum Auftreten von heterotopen Ossifikationen sind auch im Rahmen von Weichteileingriffen wie der MUCL Rekonstruktion oder arthroskopischen Interventionen beschrieben [12, 31]. Die endoprothetische Versorgung am Ellenbogengelenk scheint im Vergleich zur Hüftendoprothese keinen relevanten Risikofaktor für die Ausbildung der HO darzustellen, jedoch sind HO in der Endoprothesenversorgung nach Fraktursituation deutlich häufiger zu beobachten [36].

Diagnostik

Die klinisch führende Symptomatik, welche die Lebensqualität des Patienten mit HO vermehrt beeinträchtigt, ist die Bewegungseinschränkung, ggf. begleitet von Schmerzen, Schwellung oder einer Begleitneuritis/-neuropathie bei kompromittierenden Ossifikationen [1]. Besteht klinisch der Verdacht einer HO am Ellenbogengelenk, so sollten die bekannten bildgebenden Verfahren wie in anderen Gelenken zum Einsatz kommen. Dabei ist zu beachten, dass die HO stadienhaft verläuft. Daher werden frühe Läsionen nicht in der Röntgen- bzw. CT-Diagnostik sichtbar, da sie noch nicht mineralisiert sind. In Bezug auf Präzision und Früherkennung ist die MRT Diagnostik dem konventionellen Röntgen überlegen. In der MRT können bereits ca. 3 Wochen früher als durch Röntgendiagnostik leicht inhomogene Signalalterationen mit einer höheren Intensität als Fett und umgebendem diffusem Begleitödem in T2 gewichteten Sequenzen identifiziert werden. Jedoch sind in Frühstadien auch Verwechslungen mit Entzündungsreaktionen möglich. In jedem Fall zeigt die MRT, wie auch die CT, im Rahmen der Planung einer operativen Entfernung der HO die genaue Lagebeziehung zu wichtigen anatomischen Strukturen [2, 17, 23]. Durch die Skelettszintigrafie ist die Darstellung der HO sogar 4–6 Wochen früher als im Röntgen möglich und es kann durch einen abbildbaren Rückgang der Stoffwechselaktivität, d.h. normwertigen szintigrafischen Befund nach ca. 12 Monaten, eine Ausreifung der HO dargestellt werden. Die Szintigrafie ist jedoch aufgrund der hohen Strahlenbelastung und Kosten kein Standardverfahren in der Diagnostik der HO [17]. Es gibt weitere (für die HO) experimentelle Verfahren wie die SPECT/CT, welche helfen soll, durch präoperative Diagnostik die postoperative Prognose von Patienten nach Resektion der HO vorauszusagen [25]. Die Ultraschalldiagnostik stellt eine weitere sensitive Methode dar und zeichnet sich durch eine fehlende Strahlenbelastung sowie breite Verfügbarkeit aus. Bettseitig kann die Ultraschalldiagnostik als Monitoringverfahren genutzt werden. Wang et al. beschrieb Kriterien im Ultraschall, womit die Rehabilitationsmaßnahmen von Patienten mit posttraumatischer HO, je nach Fortschreiten und Ausprägung der Ossifikationen, durch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen individuell angepasst werden können [45]. Dies benötigt jedoch einen geübten Untersucher. Eine laborchemische Diagnosestellung anhand von Calcium, Phosphor oder alkalischer Phosphatasewerte ist nicht zuverlässig möglich [38]. Insgesamt ist die Röntgen- bzw. CT-Diagnostik noch immer das Standardverfahren [29].

Für die HO im Bereich des Ellenbogens gibt es u.a. die Klassifikation nach Ilahi, welche die Einschränkung des Bewegungsausmaßes von Extension und Flexion, bezogen auf das Capitulum humeri, beschreibt [14]. Die Klassifikation von Hastings und Graham bietet eine Einteilung nach radiologischen und klinischen Befunden [15] (Tab. 1).

Prophylaxe und Therapie

Bei bestehenden Ossifikationen bleibt in der Regel nur die chirurgische Resektion mit anteilig nachteiliger Zugangsmorbidität. Aufgrund dessen nimmt insbesondere die Prophylaxe einen großen Stellenwert ein. Die zugrundeliegenden zellulären, biochemischen und mechanischen Prozesse der HO Ausbildung sind weiterhin noch nicht vollständig verstanden und Gegenstand laufender Forschungsbemühungen, um effektivere prophylaktische Maßnahmen und Therapien zu entwickeln [35].

Prophylaxe (NSAR, Bisphosphonate, Bestrahlung)

In der Primär- und Sekundärprophylaxe (nach chirurgischer Entfernung von HO) sind NSAR wirksam. Sie nehmen Einfluss auf die mesenchymalen Stammzellen sowie den Prostaglandin Stoffwechsel [26]. Die Wirksamkeit ist mit den meisten Studien im Bereich des Hüftgelenks, insbesondere bei Hüftendoprothesen, für nicht-selektive NSAR (z.B. Indometacin) und selektive COX2-Inhibitoren bewiesen [20]. Hingegen besteht im Bereich der Ossifikationsprophylaxe für das Ellenbogengelenk eine unklare Datenlage, die zumindest zu einer wirksamen Gabe von NSAR bei primärer und sekundärer Anwendung tendiert. Sun et al. zeigten eine signifikante Reduktion der Rezidivrate bei der Anwendung mit Celecoxib. Hierbei wurden 152 Patienten aufgrund einer HO assoziierten posttraumatischen Ellenbogensteife mit einer chirurgischen Arthrolyse und Resektion der HO behandelt. 77 Patienten davon erhielten postoperativ für 28 Tage 200 mg Celecoxib täglich. In der Gruppe mit Celecoxib zeigte sich neben der signifikant geringeren Rezidivrate von HO nach 3, 6 und 9 Monaten postoperativ ein signifikant verbesserter Bewegungsumfang [42]. Indometacin ist der am häufigsten in der Literatur beschriebene Vertreter der NSAR zur Prophylaxe von heterotopen Ossifikationen, u.a. am Ellenbogengelenk [42]. Bezüglich der Einnahmedauer finden sich keine einheitlichen Angaben zur Dosis (meistens 75 mg täglich) oder Therapiedauer (10–42 Tage) [6, 24–27]. Hinsichtlich der Reduktion von HO durch Indometacin nach distaler Bizepssehnenrekonstruktion ist die Studienlage uneinheitlich. Costopoulos et al. zeigte im Rahmen einer retrospektiven Studie eine signifikante Reduktion der Ausbildung einer HO bedingten radioulnaren Synostose. Hierbei erhielten 104 der 112 Patienten Indometacin in einer Dosis von 75 mg pro Tag für 10–42 Tage [8]. Einschränkend muss hier erwähnt werden, dass die demographischen Parameter bzgl. Gruppengröße (104 vs. 8 Patienten) sowie das ungleiche Matching der operativen Zugangswahl (NSAR Gruppe: „1- und 2-incision“, ohne NSAR Gruppe: nur „2-incision“ Technik), als bekannter Risikofaktor für die HO, Limitationen in der Studie aufweisen. Hudson et al. widerlegen in ihrer Analyse die Wirksamkeit von Indometacin (Dosis unbekannt, medikamentöse Behandlung 10 Tage vor und 6 Wochen nach der Operation) in der Ausbildung von HO nach angewandter „2-incision“ Technik bei Bizepssehnenrekonstruktion. Hundertneun der 146 eingeschlossenen Patienten erhielten kein Indometacin, 37 in oben genannter Art und Weise eine prophylaktische Gabe. In der Gruppe der Patienten ohne Indometacin entwickelten 5,5 % eine HO, in der Gruppe mit Indometacin sogar 13,5 % [18]. Zwar zeigten die Patienten der Studie von Costopolous et al. keine Nebenwirkungen von Indometacin [8], doch sind allgemeine Kontraindikationen wie entzündliche Darmerkrankungen oder Niereninsuffizienz stets vor der Gabe von NSAR zu evaluieren. Aufgrund des Risikos einer gastrointestinalen Komplikation und vor dem Hintergrund seiner Studienergebnisse empfiehlt Hudson et al. daher keine Indometacin Gabe nach Bizepssehnenrekonstruktion [18]. Eine weitere bekannte Nebenwirkung der NSAR ist ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, welches vor allem den selektiven COX2 Hemmern zugeschrieben wird. COX2 Hemmer haben jedoch den Vorteil geringerer gastrointestinaler Nebenwirkungen [5]. Aufgrund des deutlich erhöhten relativen Risikos für gastrointestinale Komplikationen bei Indometacin (Relatives Risiko 4,14) wäre die Gabe von Celecoxib (Relatives Risiko 1,45) oder Ibuprofen (Relatives Risiko 1,84) bei entsprechenden Risikopatienten zu favorisieren [30]. Umfassende Studien fehlen jedoch derzeitig, um auch Coxibe und Ibuprofen im klinischen Alltag gleichsam zu Indometacin im Bereich des Ellenbogens zu verwenden. Auch wenn NSAR in vielen Studien zu einer Reduktion der HO führen, so sollte bei Risikopatienten abgewogen werden, da die Anwendung von NSAR in mehreren Studien zu einer verzögerten Knochenheilung führte. Andererseits gibt es auch Studien mit konträren Aussagen [34].

Eine weitere Medikamentengruppe zur Prophylaxe einer HO sind Bisphosphonate. In einigen Studien konnte ein Nutzen von Bisphosphonaten belegt werden [43]. Andere Studien beschreiben Bisphosphonate hingegen als ineffektiv und empfehlen dieser daher nicht, insbesondere nicht nach orthopädischen Operationen [35]. Insgesamt ist die Evidenz in der Anwendung von Bisphosphonaten in der Therapie von HO für das Ellenbogengelenk nicht ausreichend belegt.

Die Bestrahlung wurde im Bereich des Hüftgelenkes als wirksame Prophylaxe nachgewiesen [33], in anderen Gelenken gibt es jedoch keine ausreichende Studienlage. Die meisten Studien zur Anwendung am Ellenbogen verwenden eine perioperative Einzeldosis von 7 Gray [13]. Fasst man die wenigen Studien zur Anwendung im Bereich des Ellenbogens zusammen, zeigt die Bestrahlung allenfalls einen geringen Effekt und findet ihren Einsatz vornehmlich bei HO Rezidiven [32]. Hinzu kommen mögliche Nebenwirkungen. Dazu gehören Weichteilvernarbungen und Wundheilungsstörungen [10]. Ein mögliches Risiko für strahleninduzierte Malignität ist zu vernachlässigen. Eine Studie von Berris et al. berechnete das Risiko für einzelne Krebserkrankungen bei einer Dosis von 7 Gray im Bereich des Ellenbogens. Einzig für Krebserkrankungen der Haut wurde ein leicht erhöhtes Risiko mit 0,6 Fällen pro 10.000 Patienten ermittelt [4]. Eine mögliche erhöhte Pseudarthrosenbildung jedoch wird in einer Studie von Hamid et al. am Ellenbogen mit 38 % in der Bestrahlungsgruppe im Gegensatz zu 4 % in der nicht bestrahlten Gruppe angegeben [13]. Im Bereich des Ellenbogens sollte daher die Bestrahlung als Prophylaxe, auch aufgrund der möglichen Nebenwirkungen kritisch und nur in Einzelfällen erwogen werden [13, 35].

Operative Therapie

Eine Resektion der HO bzw. gleichzeitige Arthrolyse wird im klinischen Alltag häufig durchgeführt, nicht zuletzt, weil eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens für die Funktion der gesamten oberen Extremität von hoher Relevanz ist [19]. Operationen können entweder offen oder arthroskopisch erfolgen, wobei die Entscheidung u.a. auch den Fähigkeiten des Operateurs angepasst werden muss. Mehrere Studien konnten zeigen, dass eine Resektion von HO im Bereich des Ellenbogens, unabhängig von der Ursache (direktes Trauma, Schädelhirntrauma, Verbrennung), zu einer verbesserten Funktion und zu einer Beschwerdereduktion führt [24, 37]. Offene Verfahren sind bei atypischem Nervenverlauf oder Nervenaffektion empfohlen. Bei Nervenaffektion bzw. initialer massiver Bewegungseinschränkung ist eine Neurolyse und ggf. Transposition zu erwägen (am häufigsten N. ulnaris betreffend) [46]. Patienten mit posttraumatischen, schweren Kontrakturen bei ausgeprägten heterotopen Ossifikationen mit einem Restbewegungsumfang zwischen 60° und 100° stellen ebenfalls eine gute Indikation zur offenen Arthrolyse dar [1, 6].

Das Hauptproblem besteht in der Wahl des optimalen Operationszeitpunktes, der aufgrund des stadienhaften Verlaufs der HO schwierig festzulegen ist. Hierzu gibt es bislang keine klare Empfehlung. Auf der einen Seite steht die monatelange Reifung der knöchernen HO, auf der anderen Seite die (teils zunehmende) Bewegungseinschränkung und Schmerzen mit anteilig irreversiblen Kontrakturen. Eine zu frühe Intervention einer noch nicht ausgereiften HO ist mit einem höheren Rezidivrisiko bzw. einer Größenzunahme der Ossifikation assoziiert [39]. Frühere Publikationen postulierten, mindestens 1 Jahr bis zur erneuten Exposition und Abtragung der Ossifikation zu warten [3, 27]. Neuere Studien zeigen jedoch, dass eine frühere operative Intervention bereits nach 6 Monaten möglich und sinnvoll ist. Verglichen mit einem späteren Interventionszeitpunkt zeigte sich neben einem ähnlichen Funktionsgewinn eine Verbesserung der klinischen Funktionsscores bei identischen Komplikationsraten [7, 41]. So sollte insbesondere bei Patienten mit einem hohen Leidensdruck, objektivierbarer Einschränkung und ausgeschöpfter konservativer Therapie eine frühere chirurgische Therapie erwogen werden. Vor jeglicher operativer Resektion ist bei jedem Patienten eine adäquate Bildgebung, z.B. CT, zur Planung einer Operation durchzuführen. Bei anteilig sehr aufwendigen Arthrolysen ist die postoperative Rehabilitation ein Schlüsselelement zum Erfolg und sollte sichergestellt sein. Ebenso ist sowohl die Frakturkonsolidierung als auch eine stabile Gelenkführung Voraussetzung für niedrige Rezidivraten.

Viele klinische Faktoren, welche zu einer heterotopen Ossifikation bzw. zu einem Rezidiv nach Abtragung im Bereich des Ellenbogengelenkes führen, sowie die Rolle der HO in der Ausbildung einer Steife sind unbekannt. Differente Ätiologien sowie die schwache prospektive Studienlage lassen nur limitierte Aussagen zum operativen Outcome, Komplikationen bzw. Risikofaktoren für die Entstehung einer HO zu. Lee et al. analysierten in einer systematischen Metaanalyse 384 Ellenbogensteifen mit HO unterschiedlicher Ätiologie, welche chirurgisch reseziert worden waren. Die Autoren proklamieren, dass die Outcomebestimmung durch die variable Größe der HO, dem Ausmaß der Resektion und dem erforderlichen Weichteilrelease schwer zu kategorisieren ist und aus diesem Grunde eine standardisierte Auswertung nur limitierend möglich ist. Der funktionelle Anspruch von 100° Bewegungsumfang für beide Bewegungsachsen gilt nach heutigen Gesichtspunkten nicht mehr als ausreichend, so dass den Studienergebnissen folgend, von einer deutlichen postoperativen Verbesserung ausgegangen werden kann, eine vollständige Restauration aber nur in den wenigsten Fällen gelingt. Das präoperative Bewegungsausmaß, die Verbrennung als Ursache und überraschenderweise die Anwendung einer Motorschiene in der Rehabilitation waren assoziiert mit einem besseren Bewegungsausmaß in dieser Analyse [24].

In Abhängigkeit von der Größe und der Lokalisation der HO sowie der Zeit der bestehenden Bewegungseinschränkung werden Komplikationen bis zu 23 % nach operativer Abtragung beschrieben [24]. Zu den häufigsten Komplikationen nach chirurgischer HO Resektion zählen das Rezidiv (11–20%), postoperative Nervenläsionen (bis zu 11 %), intraoperative Frakturen, Infektionen, Wundheilungsstörungen (12 %) einschließlich ggf. der Notwendigkeit einer plastischen Deckung sowie eine zugangsbedingte Ellenbogeninstabilität [16, 24, 37]. Die Notwendigkeit einer Re-Operation wird in der Literatur mit 14–20 % angegeben [24, 44]. Insgesamt gibt es Hinweise, dass die Komplikationsrate mit dem Ausmaß der operativen Maßnahmen steigt [22].

Zusammenfassend stellt die HO am Ellenbogengelenk eine häufige Komplikation nach Verbrennungen, Schädel-Hirn-Traumata bzw. in der posttraumatischen/-operativen Situation dar. Neben der konsekutiven Bewegungseinschränkung birgt auch die spätere operative Versorgung ein hohes Komplikationsspektrum, so dass derzeitige Forschungsbemühungen insbesondere auf prophylaktische Maßnahmen fokussieren (z.B. molekularbiologische Ebene). Die bisherigen prophylaktischen Therapien umfassen die Anwendung von NSAR und der Radiatio, insbesondere in der Behandlung von Rezidiven, wobei die Studienlage bisher keine abschließende Aussage über die Wirksamkeit zulässt. Die chirurgische Resektion stellt bis dato die einzige therapeutische Option bei existenter Ossifikation dar, deren Outcome maßgeblich von der Größe der HO, dem Ausmaß des Weichteilrelease, der postoperativen Rehabilitation sowie des präoperativen Bewegungsausmaßes abhängig ist. Die Bestimmung des optimalen Operationszeitpunktes muss immer in Abwägung der funktionellen Einschränkung und der stadienhaften Reifung der HO gewählt werden.

Interessenkonflikte:

keine angegeben

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Sofia Kilgus

Charité - Universitätsmedizin Berlin

Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie

Campus Virchow-Klinikum (CVK)

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

sofia.kilgus@charite.de

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