Übersichtsarbeiten - OUP 01/2021

Heterotope Ossifikationen im Bereich des Ellenbogens
Ursachen, Diagnostik und Therapie

Eine weitere Medikamentengruppe zur Prophylaxe einer HO sind Bisphosphonate. In einigen Studien konnte ein Nutzen von Bisphosphonaten belegt werden [43]. Andere Studien beschreiben Bisphosphonate hingegen als ineffektiv und empfehlen dieser daher nicht, insbesondere nicht nach orthopädischen Operationen [35]. Insgesamt ist die Evidenz in der Anwendung von Bisphosphonaten in der Therapie von HO für das Ellenbogengelenk nicht ausreichend belegt.

Die Bestrahlung wurde im Bereich des Hüftgelenkes als wirksame Prophylaxe nachgewiesen [33], in anderen Gelenken gibt es jedoch keine ausreichende Studienlage. Die meisten Studien zur Anwendung am Ellenbogen verwenden eine perioperative Einzeldosis von 7 Gray [13]. Fasst man die wenigen Studien zur Anwendung im Bereich des Ellenbogens zusammen, zeigt die Bestrahlung allenfalls einen geringen Effekt und findet ihren Einsatz vornehmlich bei HO Rezidiven [32]. Hinzu kommen mögliche Nebenwirkungen. Dazu gehören Weichteilvernarbungen und Wundheilungsstörungen [10]. Ein mögliches Risiko für strahleninduzierte Malignität ist zu vernachlässigen. Eine Studie von Berris et al. berechnete das Risiko für einzelne Krebserkrankungen bei einer Dosis von 7 Gray im Bereich des Ellenbogens. Einzig für Krebserkrankungen der Haut wurde ein leicht erhöhtes Risiko mit 0,6 Fällen pro 10.000 Patienten ermittelt [4]. Eine mögliche erhöhte Pseudarthrosenbildung jedoch wird in einer Studie von Hamid et al. am Ellenbogen mit 38 % in der Bestrahlungsgruppe im Gegensatz zu 4 % in der nicht bestrahlten Gruppe angegeben [13]. Im Bereich des Ellenbogens sollte daher die Bestrahlung als Prophylaxe, auch aufgrund der möglichen Nebenwirkungen kritisch und nur in Einzelfällen erwogen werden [13, 35].

Operative Therapie

Eine Resektion der HO bzw. gleichzeitige Arthrolyse wird im klinischen Alltag häufig durchgeführt, nicht zuletzt, weil eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens für die Funktion der gesamten oberen Extremität von hoher Relevanz ist [19]. Operationen können entweder offen oder arthroskopisch erfolgen, wobei die Entscheidung u.a. auch den Fähigkeiten des Operateurs angepasst werden muss. Mehrere Studien konnten zeigen, dass eine Resektion von HO im Bereich des Ellenbogens, unabhängig von der Ursache (direktes Trauma, Schädelhirntrauma, Verbrennung), zu einer verbesserten Funktion und zu einer Beschwerdereduktion führt [24, 37]. Offene Verfahren sind bei atypischem Nervenverlauf oder Nervenaffektion empfohlen. Bei Nervenaffektion bzw. initialer massiver Bewegungseinschränkung ist eine Neurolyse und ggf. Transposition zu erwägen (am häufigsten N. ulnaris betreffend) [46]. Patienten mit posttraumatischen, schweren Kontrakturen bei ausgeprägten heterotopen Ossifikationen mit einem Restbewegungsumfang zwischen 60° und 100° stellen ebenfalls eine gute Indikation zur offenen Arthrolyse dar [1, 6].

Das Hauptproblem besteht in der Wahl des optimalen Operationszeitpunktes, der aufgrund des stadienhaften Verlaufs der HO schwierig festzulegen ist. Hierzu gibt es bislang keine klare Empfehlung. Auf der einen Seite steht die monatelange Reifung der knöchernen HO, auf der anderen Seite die (teils zunehmende) Bewegungseinschränkung und Schmerzen mit anteilig irreversiblen Kontrakturen. Eine zu frühe Intervention einer noch nicht ausgereiften HO ist mit einem höheren Rezidivrisiko bzw. einer Größenzunahme der Ossifikation assoziiert [39]. Frühere Publikationen postulierten, mindestens 1 Jahr bis zur erneuten Exposition und Abtragung der Ossifikation zu warten [3, 27]. Neuere Studien zeigen jedoch, dass eine frühere operative Intervention bereits nach 6 Monaten möglich und sinnvoll ist. Verglichen mit einem späteren Interventionszeitpunkt zeigte sich neben einem ähnlichen Funktionsgewinn eine Verbesserung der klinischen Funktionsscores bei identischen Komplikationsraten [7, 41]. So sollte insbesondere bei Patienten mit einem hohen Leidensdruck, objektivierbarer Einschränkung und ausgeschöpfter konservativer Therapie eine frühere chirurgische Therapie erwogen werden. Vor jeglicher operativer Resektion ist bei jedem Patienten eine adäquate Bildgebung, z.B. CT, zur Planung einer Operation durchzuführen. Bei anteilig sehr aufwendigen Arthrolysen ist die postoperative Rehabilitation ein Schlüsselelement zum Erfolg und sollte sichergestellt sein. Ebenso ist sowohl die Frakturkonsolidierung als auch eine stabile Gelenkführung Voraussetzung für niedrige Rezidivraten.

Viele klinische Faktoren, welche zu einer heterotopen Ossifikation bzw. zu einem Rezidiv nach Abtragung im Bereich des Ellenbogengelenkes führen, sowie die Rolle der HO in der Ausbildung einer Steife sind unbekannt. Differente Ätiologien sowie die schwache prospektive Studienlage lassen nur limitierte Aussagen zum operativen Outcome, Komplikationen bzw. Risikofaktoren für die Entstehung einer HO zu. Lee et al. analysierten in einer systematischen Metaanalyse 384 Ellenbogensteifen mit HO unterschiedlicher Ätiologie, welche chirurgisch reseziert worden waren. Die Autoren proklamieren, dass die Outcomebestimmung durch die variable Größe der HO, dem Ausmaß der Resektion und dem erforderlichen Weichteilrelease schwer zu kategorisieren ist und aus diesem Grunde eine standardisierte Auswertung nur limitierend möglich ist. Der funktionelle Anspruch von 100° Bewegungsumfang für beide Bewegungsachsen gilt nach heutigen Gesichtspunkten nicht mehr als ausreichend, so dass den Studienergebnissen folgend, von einer deutlichen postoperativen Verbesserung ausgegangen werden kann, eine vollständige Restauration aber nur in den wenigsten Fällen gelingt. Das präoperative Bewegungsausmaß, die Verbrennung als Ursache und überraschenderweise die Anwendung einer Motorschiene in der Rehabilitation waren assoziiert mit einem besseren Bewegungsausmaß in dieser Analyse [24].

In Abhängigkeit von der Größe und der Lokalisation der HO sowie der Zeit der bestehenden Bewegungseinschränkung werden Komplikationen bis zu 23 % nach operativer Abtragung beschrieben [24]. Zu den häufigsten Komplikationen nach chirurgischer HO Resektion zählen das Rezidiv (11–20%), postoperative Nervenläsionen (bis zu 11 %), intraoperative Frakturen, Infektionen, Wundheilungsstörungen (12 %) einschließlich ggf. der Notwendigkeit einer plastischen Deckung sowie eine zugangsbedingte Ellenbogeninstabilität [16, 24, 37]. Die Notwendigkeit einer Re-Operation wird in der Literatur mit 14–20 % angegeben [24, 44]. Insgesamt gibt es Hinweise, dass die Komplikationsrate mit dem Ausmaß der operativen Maßnahmen steigt [22].

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