Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020

Indikationen und Technik einer kombinierten MPFL- und Trochleaplastik

Lars Victor von Engelhardt, Jörg Jerosch

Zusammenfassung:

Bei der Trochleadysplasie weist das femorale Gleitlager eine ungünstige Formund damit eine
gestörte Funktion während der Kniebewegung auf. Mit weniger als 3 % ist ein solcher Befund in der Normalbevölkerung selten. Hingegen ist diese knöcherne Formstörung bei Patienten mit einer Instabilität der Kniescheibe mit einer Häufigkeit von über 85 % ein häufiger Befund. Besteht eine höhergradige knöcherne Formstörung, so sollte sie im Rahmen einer Stabilisierung adressiert werden. Ansonsten zeigen sich, bspw. bei isolierten Verfahren einer Bandrekonstruktion oder einer Bandplastik, nicht nur schlechte klinische Ergebnisse mit anhaltenden Instabilitätsbeschwerden, auch kommt es vergleichsweise früh zu einer Abnutzung sowie zu einer symptomatischen Früharthrose des Kniegelenkes. Bereits bei der Erstluxation der Patella kommt es in über 90 % zu Rupturen und im Weiteren zu einer zunehmenden Insuffizienz des medialen patellofemoralen Ligamentes (MPFL). Bereits hierauf basierend, erscheint die MPFL-Rekonstruktion sinnvoll. Darüber hinaus führt eine effektive Korrektur der knöchernen Deformität zu einem nach medial und dorsal verlagerten Gleitweg. Diese Verlagerung der mechanischen Position der Kniescheibe zieht eine weitere Erschlaffung bzw. Insuffizienz des MPFL nach sich. Auch vor diesem Hintergrund ist die MPFL Rekonstruktion als zusätzlicher OP-Schritt während einer Trochleaplastik wesentlich, um zu einem guten klinischen Outcome zu kommen. Hierbei sollte die MPFL-Rekonstruktion im Sinne einer individuell zu dosierenden Bandplastik eine optimale Weichteilbalancierung sicherstellen. In diesem Artikel beschreiben wir unsere empfohlenen Indikationen zu unserer Methode einer balancierten MPFL- und Trochleaplastik. Unsere Follow-up-Ergebnisse zu diesem Verfahren sowie ähnlicher Techniken aus der Literatur erlauben eine Einschätzung des Erfolges einer kombinierten
MPFL- und Trochleaplastik.

Schlüsselwörter:
Trochleadysplasie, mediales patellofemorales Ligament, patellofemorale Instabilität

Zitierweise:
von Engelhardt LV, Jerosch J: Indikationen und Technik einer kombinierten MPFL- und Trochleaplastik.
OUP 2020; 9: 158–165 DOI 10.3238/oup.2019.0158–0165

Summary: In trochlear dysplasia the femoral groove shows an inconvenient shape and a disordered function during knee motion. A frequency of less than 3 % within this bony deformity is a frequent finding in patients with recurrent patellar instability. In cases showing a higher grade of deformity, it should be addressed during a stabilization surgery. If, for example, isolated procedures such as a medial patellofemoral ligament (MPFL) repair or reconstruction surgeries are performed, bad clinical outcomes with ongoing instability complaints as well as an early wearing and symptomatic early-onset osteoarthritis of the knee can follow. Following the first patellar dislocation, the MPFL is torn in more than 90 % of cases. Based on this fact, an MPFL reconstruction seems reasonable. Moreover, an effective correction of the bony deformity leads to a more medial and dorsal position of the trochlear groove. This shift of the mechanical position of the patella is followed by a further sagging and insufficiency of the MPFL. Considering these circumstances, an additional MPFL reconstruction as a second surgical step is essential to reach a good clinical outcome. The MPFL reconstruction should be performed as an individually adjusted ligament surgery to ensure an optimized soft tissue balancing. In this article, our method of a combined balanced MPFL- and trochleoplasty and our recommended indications for this technique are described. Our Follow-up results to this procedure as well as to similar techniques in the literature may allow an estimation of the success of a combined MPFL- and trochleoplasty.

Keywords: trochlea dysplasia, medial patellofemoral ligament, patellofemoral instability

Citation: von Engelhardt LV, Jerosch J: Indications and technique of a combined trochleoplasty and MPFL reconstruction. OUP 2020; 9: 158–165 DOI 10.3238/oup.2019.0158–0165

Lars Victor von Engelhardt: Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit und Sportklinik, Endocenter u. Orthopädische Praxis Damme

Jörg Jerosch: Johanna-Etienne-Krankenhaus, Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Neuss

Der Patient mit der instabilen Kniescheibe

Bei einer Patellainstabilität wird die Kniescheibe von den Betroffenen oft als “springend, “Pudding-ähnlich“ usw. beschrieben. Bei einem Teil der Patienten kommt es mehrmals täglich, bei anderen eher selten zu einem meist schmerzhaften Herausspringen der Kniescheibe. Neben der ständigen Sorge um eine Luxation und dem damit verbundenen plötzlichen Wegsacken, mitunter auch mit Sturzereignissen, bestehen sowohl belastungsabhängig als auch in Ruhe Schmerzen sowie Reizzustände im betroffenen Knie. Sport, insbesondere Ballsportarten, sind kaum mehr möglich, auch der Alltag ist eingeschränkt [28]. Im Verlauf entwickeln sich zunehmende Knorpelschäden und schließlich bereits in den jungen Jahren das Vollbild einer Arthrose [16, 20, 41, 43]. Somit geht auch das klinische Bild, insbesondere im Rahmen einer konservativen Therapie oder aber auch im Verlauf einer Stabilisierung unter Belassung einer Trochleadysplasie, von anfänglichen Instabilitätsbeschwerden zunehmend in das Bild einer Arthrose über [16, 20, 41]. Die psychischen Folgen dieser schmerzhaften und funktionellen Beeinträchtigung können in Einzelfällen recht ausgeprägt sein [28]. Wichtig für eine adäquate Einordung der psychischen Problematik ist, dass es sich keineswegs um ein subjektives Instabilitätsgefühl, sondern um eine bildgebend und klinisch sicher verifizierbare Instabilität handelt. “Ein mangelndes Vertrauen in das Knie“ ist somit kein Ausdruck von psychischen Problemen, sondern Folge der zugrundliegenden Pathologie.

Pathophysiologie der Patellainstabilität

In Beugegraden über 30° ist die Kniescheibe überwiegend durch die knöcherne Gleitrinne der Trochlea geführt. In den strecknahen Positionen – bis 30° Beugung – wird die Kniescheibe sowohl knöchern von der Trochlea als auch weichteilig vom medialen patellofemoralen Ligament (MPFL) geführt [2]. Bei der Trochleadysplasie ist die femorale Gleitrinne abgeflacht und medialisiert, die laterale Trochleafacette ist häufig flach oder konvex ausgebildet (Abb. 1). Damit erniedrigt sich die Steigung der lateralen Trochlea, sodass die stabilisierende Funktion der lateralen Trochleafacette ausbleibt. Aus diesem Grund gilt die Trochleadysplasie als der wesentliche prädisponierende Faktor für eine patellofemorale Instabilität [3]. Somit ist es nicht verwunderlich, dass diese knöcherne Formstörung bei Patienten mit einer Instabilität mit einer Häufigkeit von bis zu 85 % und in der Normalbevölkerung mit einer Häufigkeit von weniger als 3 % gefunden wird [11]. Im Rahmen der Erstluxation zeigt sich in bis zu 96 % eine Ruptur des medialen patellofemoralen Ligamentes (MPFL) [26]. Somit finden sich im Anschluss an eine Erstluxation häufig chronische Schäden des Bandhalteapparates mit nachfolgenden Luxationsereignissen sowie anhaltenden Instabilitätsbeschwerden [2, 26]. Somit ist die weichteilige Stabilisierung sicherlich eine logische Konsequenz. Allerdings ist beim gleichzeitigen Vorliegen einer höhergradigen Trochleadysplasie eine isolierte MPFL-Plastik kritisch zu sehen. Zwar hält man den Eingriff vergleichsweise “klein”, die Ergebnisse sind aber enttäuschend. So belegen ausreichend Studien, dass ein isoliertes MPFL-Wiederanheften oder eine MPFL-Rekonstruktion bei Vorliegen einer höhergradigen Dysplasie einen schlechten klinischen Outcome sowie ein nahezu 50 %iges Risiko für eine wiederkehrende Instabilität mit erneuten Luxationsereignissen nach sich zieht [4, 25, 46]. Aber auch ohne Rezidivluxation sind solche Patienten unzufrieden. So zeigt eine Metaanalyse zum isolierten MPFL-Ersatz mit über 25 Studien bei 32 % der Patienten anhaltende Instabilitätsbeschwerden mit einem weiterhin positiven Apprehensiontest, anhaltende Schmerzen usw. [34]. Daneben ist auch an die Gefahr fortschreitender degenerativer Gelenkschäden zu denken. So ist bekannt, dass Trochleadysplasien als Hauptursache femuropatellarer Arthrosen, die häufig prothesenpflichtig werden, anzusehen sind [16, 20, 32, 41]. Dem stehen die unzweideutig guten Ergebnisse, insbesondere für den Kombinationseingriff einer Trochlea- und MPFL-Plastik mit 0 % Reluxationsraten, im Prinzip durchweg negativen klinischen Untersuchungsbefunden für eine Instabilität und nahezu normalisierten Outcome-Scores wie bspw. einem Kujala Score von 88–96 von zu erreichenden 100 Punkten gegenüber [5, 7, 23, 44]. Die guten Ergebnisse für eine zusätzlich zur Trochleaplastik durchgeführten MPFL-Plastik sind unseres Erachtens nicht erstaunlich. So kommt es durch eine effektiv durchgeführte Trochleaplastik zu einer Verlagerung des Patellalaufes nach medial und dorsal (Abb. 2). Diese Korrektur der mechanischen Position nach medial und dorsal konnte anhand von CT -Untersuchungen einer Serie von Patienten nach Trochleaplastik vergleichsweise genau nachgewiesen werden [14]. Somit erscheint die MPFL-Plastik nicht nur zur weichteiligen Reparatur des gerissenen bzw. insuffizienten Bandes, sondern auch in Folge knöchern korrigierter Gelenkgeometrie erforderlich. Letztlich führt die medialisierte und dorsalisierte Patellaposition zu einer Erschlaffung der medialen Bandstrukturen, die eine Neueinstellung bzw. Balancierung des Weichteilalignements erfordert (Abb. 2).

Neben den Schäden des Bandapparates und der Trochleadysplasie sind aber auch weitere anlagebedingte, oft auch gemeinsam auftretende Störungen der knöchernen Konstitution bei der Entstehung einer chronischen Instabilität zu beachten und ggf. zu adressieren. Hinsichtlich relevanter Achs- und Rotationsfehler ist hier insbesondere der femorale Antetorsionswinkel zwischen Schenkelhalsachse und der Tangente der Hinterkante der Femurkondylen (Norm: bis ca. 20°) von praktischem Interesse. In diesen Fällen mit einer vermehrten Antetorsion ist bspw. eine derotierende Osteotomie wiederum in Kombination mit einer MPFL-Plastik ein sinnvolles und mittlerweile auch nachgewiesen erfolgreiches Verfahren [24]. Vergleichsweise selten kann auch eine vermehrte Tibiatorsion, die als Winkel zwischen den beiden längsten Linien durch das Tibiaplateau oberhalb des Fibulaköpfchens und auf Höhe des Pilon tibiale gemessen werden kann (Norm: < 40°), eine Lateralisierung der Patella nach sich ziehen. Weitere zu beachtende und häufig assoziiert auftretende konstitutionelle Faktoren sind ein möglicher Patellahochstand, der bspw. anhand des Insall-Salvati-Index (Norm 0,8–1,2) beschrieben werden kann, sowie der Abstand zwischen der Tuberositas tibiae und der Trochleagrube (TT-TG) (Norm < 20 mm). Bezüglich eines erweiterten TT-TG, der teilweise mit einer Trochleadysplasie assoziiert auftritt, sollte angemerkt werden, dass dieser Befund im Rahmen einer Trochleaplastik mit einer ein wenig vermehrt lateralisiert durchgeführten Korrektur der asymmetrischen Trochleafacetten vergleichsweise sicher adressiert und damit korrigiert werden kann. Diese Möglichkeit, einen erweiterten TT-TG zu verbessern, wurde sowohl für die Technik einer Trochleaplastik nach Dejour als auch für die Technik nach Bereiter beschrieben [10, 15, 44]. Ebenso zeigt eine CT Studie von Fucentese et al. eine messbare und adäquate Lateralisierung der Trochleagrube nach Trochleaplastik [14]. Dieser Aspekt sollte uns bei der Entscheidung einer evtl. zusätzlich sinnvoll erscheinenden Tuberositasosteotomie bewusst sein.

Indikation anhand klinischer und bildgebender Befunde

Die gebräuchlichste bildgebende Einteilung der Trochleadysplasie geht auf Dejour et al. zurück und unterteilt die Schweregrade in die Typen A–D, welche am besten auf transversalen MRT- oder CT-Schichten zu beurteilen sind [11]. Entscheidend für eine sinnvolle Beurteilung ist, dass ausschließlich die obersten Schichten der Trochlea zur Beurteilung herangezogen werden (Abb. 1, rote Kreise). Betrachtet man hingegen die Notch-nahen Schichten der Trochlea, so wird man regelmäßig fehlerhafte Ergebnisse mit falsch negativen Befunden erzielen. Dies ist nach unserer Erfahrung ein häufiger Fehler bei der Beurteilung der MRT Bilder, der die Gefahr einer fehlerhaften Aufklärung und dann logischerweise die Gefahr einer fehlerhaften Therapieentscheidung des Patienten in sich birgt. Lippacher und Dejour haben gezeigt, dass die Inter-Observer Reliabilität bei der Klassifikation nach Dejour hoch ist. Deshalb reicht im klinischen Alltag die Differenzierung einer leichten (Typ A) und einer schweren Dysplasie (Typ B-D) [18]. Diese einfache Differenzierung in eine leichte und eine schwere Dysplasie ist im Alltag realistisch umsetzbar. Die schweren Formen bedürfen bei einer entsprechenden klinischen Korrelation (s.u.) der knöchernen Korrektur. Darüber hinaus sind im MRT bei einer Instabilität der Patella die meist an der femoralen Insertion zu beobachtenden frischen oder chronischen MPFL-Schäden und insbesondere die wiederum recht häufigen Knorpelschäden vergleichsweise sicher diagnostizierbar [26, 43]. Ein besonderes Problem stellen die Fälle mit einer Trochleadysplasie und höhergradigen Knorpelschäden des Retropatellargelenkes beim jungen Patienten dar. Unseres Erachtens ist gerade in solchen Fällen die Trochleaplastik essentiell, um rasch fortschreitende degenerative Gelenkschäden aufzuhalten. Dennoch haben wir auch in diesen Fällen, sofern die Knorpelschäden mit entsprechenden Knorpelmatrixverfahren versorgt wurden, ausgesprochen gute klinische Erfahrungen sammeln können.

Klinisch sind nach den ersten orientierenden Untersuchungen v.a. spezifische Funktionstests in verschiedenen Beugegraden wesentlich, um die Indikation zu einer kombinierten Trochlea- und MPFL-Plastik zu sichern. Zunächst beginnen wir die Untersuchung mit ersten orientierenden Befunden. Bittet man den Patienten um ein Austrecken des hängenden Beines, gewinnt man einen ersten Eindruck zum Patella-Alignment. Gleitet die Patella kurz vor dem Erreichen der vollen Streckung ähnlich zu einem umgedrehten J von der normalerweise geraden Strecke nach außen ab, so gilt das J-Sign als positiv. Diesem orientierenden, vergleichsweise unspezifischen Zeichen sollten genauere Stabilitätsprüfungen folgen. So lässt sich der Einfluss einer Instabilität der medialen Bandstrukturen sowie der Trochleadysplasie durch eine passive Lateralisation der Patella in verschiedenen Beugegraden am locker hängenden Bein gut überprüfen. Die Patella sollte bei dieser Untersuchung zwischen 20° und 30° Flexion nicht mehr als die Hälfte ihrer Breite lateralisierbar sein [38]. Liegt neben einem insuffizienten MPFL eine Trochleadysplasie vor, so ist die Translation nach lateral nicht nur in strecknahen Positionen, sondern auch bei leicht vermehrten Beugegraden zwischen 30° und 60° erhöht. Die Apprehensiontests sind sehr geeignet, um eine weichteilige sowie knöcherne Instabilität der Patella zu beurteilen. Bewegt man das Knie von der Streckung in eine Beugung von maximal 30° und zeigt der Patient unter leichter Lateralisation der Patella eine Abwehrreaktion, die bspw. in der Mimik v.a. aber in einer vermehrten Muskelspannung ersichtlich ist, so gilt der Test als positiv. Neben dem weichteiligen Apprehensiontest in strecknahen Positionen ist dann der knöcherne Apprehensiontest bei höheren Beugegraden, in denen die Stabilität v.a. durch die Trochlea gesichert wird, wichtig. Ist der Apprehensiontest somit bei Beugegraden zwischen 30 und 60° positiv, so deutet dies auf eine zusätzliche Insuffizienz der knöchernen Führung. Neben der häufigen Trochleadysplasie kann allerdings auch ein höhergradiger Rotationsfehler zugrunde liegen. Als zweiten Schritt mögen wir besonders den sog. “Moving patellar Apprehensiontest nach Ahmad“. Dieser Test lässt sich gut nach dem weichteiligen und knöchernen Apprehensiontest beurteilen, da er nun die Abwehrreaktion in den verschiedenen Beugegraden vermindert. Hierzu wird die Kniescheibe beim Durchbewegen durch den Zeigefinger nach medial translatiert bzw. gehalten. Die Testung gilt als positiv, wenn die zuvor beobachtete Apprehension Symptomatik durch eine simulierte Stabilisierung der Kniescheibe abgeschwächt wird. Ahmad zeigte, dass dieser zusätzliche Test eine vergleichsweise hohe Sensitivität, aber auch eine hohe Spezifität bei der Diagnostik der Patellainstabilität aufweist [1]. Sind die knöchernen Stabilitäts- und Apprehensiontests positiv und finden sich korrespondierende MR- oder Röntgen-Befunde einer schweren Dysplasie, also Typ B-D nach Dejour, deutet dies auf die Notwendigkeit einer knöchernen Containment-Anpassung hin.

Wichtig ist zudem die Beurteilung bzw. der Ausschluss möglicher Achs- und Rotationsfehler. Hierzu erheben wir bevorzugt Befunde im Stehen und in Bauchlage. Im Fall einer vermehrten femoralen Antetorsion zeigt sich im Stehen eine vermehrte Innenrotationsstellung des Femurs mit einer nach innen gerichteten Kniescheibe, der sog. schielenden Patella. Wichtig für eine Beurteilung ist dabei, dass die Füße parallel nach vorne gerichtet sind. Bei einer Valgusstellung zeigt sich ein erhöhter Q-Winkel zwischen der Oberschenkelachse und der Verbindungslinie zwischen der Patella und der Tuberositas tibiae. Die Beurteilung der tibialen Rotation erfolgt durch eine Beurteilung der Fußstellung bei beidseits nach vorne gerichteter Tuberositas tibiae. Zeigen hierbei ein Fuß oder beide Füße vermehrt nach außen, so sollte die eher seltene vermehrte tibiale Außentorsion abgeklärt werden. Zuletzt werden mögliche Rotationsfehler in Bauchlage in 90° Knieflexion beurteilt. Bei der Messung der maximalen Hüftinnen- und Hüftaußenrotation zeigt sich bei einer Coxa antetorta nicht selten eine überhöhte (> 65°) Außen- sowie und eine stark verminderte (< 30°) Innenrotation [37]. Auch der Winkel zwischen Oberschenkel und Fußachse kann auf etwaige Rotationsfehler hinweisen. Sollte sich anhand der klinischen Untersuchung ein Verdacht auf einen tibialen und/oder femoralen Rotationsfehler oder eine höhergradige Valgusstellung zeigen, erachten wir Ganzbeinaufnahmen und ggf. ein Rotations-MRT als sinnvoll.

Unsere Technik –
was ist uns wichtig, was sagt die Literatur?

Unsere Technik erfolgt sowohl bei der Rekonstruktion des MPFL als auch bei der Trochleaplastik ohne Verwendung von Knochenankern. Als Zugang nutzen wir einen kurzen medialen parapatellaren Zugang, der ausgehend vom unteren Teil der medialen Patellakante ca. 2 cm oberhalb des medialen Patellaoberrandes endet. Neben einer guten Exposition der medialen Patellakante ist hiermit auch eine übersichtliche Darstellung der Trochlea möglich (Abb. 3a, 3b) [44]. Betrachtet man die Literatur, so ist dieser Zugang ungewöhnlich. Alle Autoren, die eine Trochleaplastik nach Bereiter verwenden, wählen einen lateralen parapatellaren Zugang [5, 15, 21, 23, 29, 40, 45]. Im Gegensatz dazu wird bei der Methode nach Dejour ein modifizierter medialer Vastuszugang genutzt. Hierbei werden Fasern des M. vastus medialis auf ca. 4 cm in den Muskelbauch durchtrennt [10]. Auch dieser Zugang erscheint uns nicht so praktikabel wie ein medialer parapatellarer Zugang. Die muskelschonende Eröffnung der Vastusfaszie und die Möglichkeit, die Inzision im Bereich der Quadrizepssehne zu verlängern, erlaubt stets eine ausreichend übersichtliche Darstellung der Trochlea, sowohl im proximalen Bereich als auch im distalen Abschnitt direkt oberhalb der Notch (Abb. 3b). Bei der Darstellung der medialen Patellakante kann ein verbleibender Gewebestumpf für die Kapselnaht sicher belassen werden. Die Anlage des von uns empfohlenen V-förmigen Bohrkanales (s.u.) zum Durchzug des MPFL-Transplantates ist kein Problem (Abb. 3a). Darüber hinaus bietet sich ein optimaler Zugang zur medialen nach kaudal ziehenden Kapsel, bis hin zur femoralen MPFL-Insertion. Hier kann ein Gewebetunnel für den Weg des MPFL-Transplantates zur femoralen MPFL-Insertion schonend und sicher zwischen den beiden Kapselblättern präpariert werden (Abb. 3c). Nachdem die beiden Kapselblätter vernäht worden sind, liegt das eingespannte Transplantat sicher zwischen beiden Kapselblättern, ohne ein Shaving-Phänomen zu verursachen. Zudem kann die Sehne des Musculus vastus medialis beim Kapselverschluss obliquus je nach Bedarf gerafft werden. Im Gegensatz zu anderen Zugängen ist eine ausgedehnte Hautmobilisation vom lateral parapatellaren Zugang hin zur medialen Patella oder ein zweiter Hautschnitt nicht nötig, um das MPFL zu rekonstruieren. Ein weiterer Vorteil ist, sofern im Verlauf bspw. die Implantation eines Gelenkersatzes nötig sein sollte, dass dieselbe Inzision in verlängerter Form für die Implantation verwendet werden kann. Hier wären zwei alte Inzisionen, zum einem an der medialen Patella und zum anderen lateral parapatellar, hinsichtlich der Wundheilung ungünstig. Letztlich sehen wir für den kombinierten Eingriff mit dem medialen Zugang viele logische Vorteile. In diesem Zusammenhang sind arthroskopische Techniken einer Trochleaplastik bspw. hinsichtlich des kosmetischen Ergebnisses sicherlich ein Thema [6]. Wir sind der Meinung, dass uns bei den arthroskopischen Trochleaplastiken die wichtige palpatorische Komponente zur Einschätzung der Plastizität und zum schonenden Anmodellieren und Anpressen des osteochondralen Lappens fehlt. Hinsichtlich der kosmetischen Ergebnisse haben wir in einer unserer Fallserien die Patientenzufriedenheit nach etwas mehr als 2 Jahren nach der offenen Trochleaplastik evaluiert. Hiernach wurde das kosmetische Ergebnis als sehr zufriedenstellend bewertet. Entsprechend unserer Befragungen waren weder das Selbstbewusstsein, noch die Kleiderwahl im Anschluss an die Operation eingeschränkt. Ästhetische Narbenoperationen waren für die von uns befragten Patienten nicht von Interesse [44].

Nach dem Zugang wird die Trochlea mit Langenbeck-Haken dargestellt. Ausgehend von der Knorpel-Knochen-Grenze erfolgt die Ablösung der osteochondralen Trochleafläche bis weit distal mit einem Meißel (Abb. 3b). Die Dicke des noch vorhandenen subchondralen Knochens sollte hier näherungsweise bei 2 mm liegen. Um einen genügend flexiblen osteochondralen Lappen zu erhalten, ist eine schonende Ausdünnung des subchondralen Knochens mit einer hochtourigen Diamantfräse nötig (Abb. 3d). Um den Knorpel hierbei nicht zu schädigen, erfolgt dies unter sanftem Anheben des Lappens bspw. mit einer anatomischen Pinzette und unter fortlaufender Spülung (Abb. 3d, 3e). Zwischenzeitlich wird die erzielte Flexibilität des Lappens palpatorisch überprüft. Ist ein ausreichend flexibler Lappen erreicht, beginnt die vertiefende Knochenabtragung. Während die flexible Knorpelschuppe nach anterior angehoben wird, kann die Vertiefung der subkortikalen Spongiosa sowohl mit Osteotomie-Meißel als auch mit einer Fräse vorgenommen werden (Abb. 3d, 3e). Damit wird zentral eine neue vertiefende Gleitrinne für die Patella geschaffen; die laterale Trochleakante sollte zur Schaffung eines möglichst großen lateralen Inklinationswinkels erhalten bleiben (Abb. 3d). Zudem sollte die neu geschaffene Furche die angestrebte Tiefe und Lage erreichen und harmonisch geformt sein. Insbesondere in Fällen mit einem erweiterten oder grenzwertigen TT-TG und/oder asymmetrischen Facetten kann die Abtragung proximal und auch nach distalen Abschnitten ein wenig nach lateral hin erfolgen. So kann die Gleitrinne ein wenig lateralisiert werden. Ein erweiterter TT-TG und eine Facettenasymmetrie sind somit effektiv adressiert. Hierunter erhoffen wir uns ein korrigiertes, eher gerades Gleiten zu erzielen und den Anpressdruck zu verbessern. Nun wird der osteochondrale Lappen unter Fingerdruck sanft in die neue Furche eingepresst, glatt anmodelliert, die harmonische Kontur überprüft und evtl. nachkorrigiert (Abb. 3g). Im nächsten Schritt erfolgt die Etablierung der Passagelöcher für das Vicrylband, mit welchem später der osteochondrale Lappen in das neue Bett der Trochlea gedrückt wird (Abb. 3f). Dies kann mit einem feinen Pfriem oder einem kleinlumigen Bohrer erfolgen. Proximal erfolgt das Eingehen mit dem Pfriem genau auf Höhe der Knorpel-Knochen-Grenze. Für die untere Fadenverankerung und transossäre Passage durch den Knorpel ist es wichtig, ausreichend weit distal und ein wenig lateral versetzt einzugehen, da der Verlauf des Bandes später der neu geschaffenen, leicht lateralisierten Gleitrinne entsprechen soll. Über eine ausreichend feste, scharfe sowie große Ösennadel erfolgt anschließend die Passage beider Bandenden nach lateral (Abb. 3f). Somit sind beide Bandenden an der Femuraußenseite, wo sie angezogen und verknotet werden können, vorgelegt. Anschließend erfolgt das schonende Einpressen des flexiblen osteochondralen Lappens in den vertieften Knochen. Über einen zunehmend angezogenen Knoten, ein wiederholtes Anpressen erfolgt die flächige Anmodellierung in der Tiefe und die finale Verknotung des Vicrylbandes mit weiteren Halbschlägen (Abb. 3g, 3h). Für die notwendigerweise enorm feste Verknotung auf dem in der Tiefe gelegenen Periost verwenden wir gerne einen arthroskopischen Knotenschieber. Gelegentlich wird, wenn bspw. nach lateral hin das Anpressen auf die laterale Kante intensiviert werden soll, auch ein zweites, nach kraniolateral laufendes Band vorgelegt und verknotet. Einige Kollegen stehen der Trochleaplastik eher kritisch gegenüber, da sie durch die Abhebung des osteochondralen Lappens und die Vicrylbandfixierung Schäden wie bspw. Nekrosen an den Gelenkflächen erwarten. Mehrfache eigene arthroskopische Nachuntersuchungen (Abb. 3i) sowie Publikationen von Blønd et al. und Schöttle et al. zeigen jedoch, dass das Vicrylband in kurzer Zeit vollständig resorbiert wird und v.a. keine Knorpelschäden im Bereich der versetzten und plastisch verformten Gelenkflächen auftreten [30; 7]. Zur histologischen Beurteilung konnten Schöttle et al. 2 osteochondrale Biopsien 6 und 9 Monate nach Trochleaplastik entnehmen. Neben einer histologischen Untersuchung zur Beurteilung der Knorpel-Knochen-Qualität erfolgte eine Konfokalmikroskopie zur Beurteilung der Lebens- und Funktionsfähigkeit der Knorpelzellen. Hier zeigte sich trotz der Abhebung und Ausdünnung des osteochondralen Lappens ein normaler histologischer Knorpel-Knochen-Befund mit einer entsprechenden Knochenneubildung in der Osteotomiezone. Insbesondere Knorpel- oder Knochennekrosen zeigten sich nicht [30].

Zur Sehnenentnahme erfolgt eine weitere kleine Inzision entweder über dem Pes anserinus oder über der medialen Kniekehle. Die Sehne wird je nach Größe des Kniegelenkes gekürzt und an beiden Enden über ca. 3 cm mit Whipstitch-Nähten armiert. Anschließend legen wir die Sehne in Vancomycinlösung ein. Mittlerweile besteht ausreichend Evidenz, dass dieser Schritt die Chance von infektiösen Komplikationen dramatisch reduziert und das Ergebnis einer Bandplastik nicht beeinträchtigt [22]. Daher raten wir bei allen Patienten mit einer Hamstring-Bandplastik zu dieser Infektprophylaxe. Wir empfehlen dies seit einigen Jahren und haben seither, trotz hoher Fallzahlen, keinen Infekt zu verzeichnen. Anschließend erfolgt die Zuwendung zur medialen Patellakante. Hier wird ein 2 cm langer, V-förmiger Knochenkanal gebohrt. Dazu wird einmal vom superomedialen Pol und einmal von der Mitte der medialen Facette möglichst steil aufeinander zugebohrt (Abb. 3h, 3i). Vor der Bohrung mit kanülierten Bohrern testen wir mit vorgelegten K-Drähten, ob die geplanten Bohrkanäle auch wirklich aufeinander treffen (Abb. 3a). Treffen sich die vorgelegten K-Drähte, hat auch die V-förmige Überbohrung im Bereich des Aufeinandertreffens keinen Versatz. Die Verwendung eines V-förmigen Bohrkanales mit möglichst vertikalen Schenkeln bietet unseres Erachtens einige Vorteile. So haben wir in all unseren bisherigen Fallserien keine Patellafraktur beobachten müssen. Dies ist bei anderen Techniken eine gar nicht so seltene Komplikation. In der Literatur finden sich meistens Querfrakturen, die regelmäßig entlang der eingebrachten Anker, PEEK-Schrauben etc. liegen [12, 34]. Dhinsa et al. beschrieben als Risikofaktor für Frakturen großlumige und horizontale Bohrungen [12]. In unserer Technik werden vornehmlich kleinlumige und v.a. möglichst vertikale Bohrungen ohne zusätzliches Verankerungsmaterial verwendet. Frakturen sowie die häufig symptomatischen Implantatlockerungen werden damit vergleichsweise sicher vermieden. Die Transplantat-Passage erfolgt über einen Shuttle-Faden, der mit einer mittelgroßen Ösennadel eingezogenen wird. Nach dem Durchzug der Gracilissehne wird die Passage zwischen den beiden Kapselblättern zum femoralen Insertionspunkt präpariert (Abb. 3c). Der femorale Insertionspunkt wird im seitlichen Röntgen entsprechend der Beschreibung von Schöttle et al. unter deckungsgleich eingestellten Kondylen aufgesucht und mit einem K-Draht markiert. Hier liegt der Insertionspunkt in einem gedachten Viereck vor der Tangentialen zur posterioren Kortikalis sowie zweier hierzu rechtwinkliger Linien durch das posteriore Ende der Blumensaat-Linie und dem Beginn des medialen Femurkondylus [31]. Von hier aus wird der K-Draht leicht aufsteigend bis zum lateralen Gegenkortex vorgebohrt. Die intraoperative röntgenologische Kontrolle des femoralen Insertionspunktes erachten wir als wichtig. Bspw. zeigte eine MRT Studie von Servien et al., dass fehlerhaft angelegte femorale Bohrtunnel bei einer MPFL-Plastik gar nicht so selten zu finden sind. In bis zu 35 % der Fälle liegen die Tunnel zu weit vorne und/oder proximal [33]. Weitere Untersuchungen zeigten, dass dies bei Kniebeugung messbar überhöhte Spannungen und Drücke im Retropatellargelenk nach sich ziehen kann [36]. In der Folge kommt es zu vorderen Knieschmerzen und Bewegungsdefiziten. Herschel at al. zeigten, dass die röntgenologische Festlegung der femoralen Insertion zuverlässiger ist als die palpatorische [17]. Basierend auf diesen Daten empfehlen wir sowohl die palpatorische, v.a. aber auch die röntgenologische Einbringung des Zieldrahtes. Nachdem der Draht eingebracht ist, wird dieser mit einem 7 mm-kanülierten Bohrer überbohrt, so dass ein gut 4 cm langer, blind endender Knochenkanal entsteht (Abb. 3l). Es erfolgt die Passage zweier Ösendrähte, die ausgehend vom blinden Ende des Tunnels divergierend durch das Femur von medial nach lateral laufen. Somit besteht zwischen den Austrittspunkten beider Ösendrähte am lateralen Kortex eine Knochenbrücke von mindestens 2 cm (Abb. 3k, 3l). Die beiden freien Enden des Gracilis-Transplantates werden ausgehend von der Patella zwischen den beiden Kapselblättern zum anatomischen medialen femoralen Insertionspunkt geführt und jeweils in die Fadenösen eingeführt. Durch Zug am lateralen Ende der Durchzugsdrähte werden die beiden Transplantatenden in den blinden Bohrkanal eingeführt und die Armierungen durch den lateralen Femurkortex gezogen (Abb. 3l). Im letzten Schritt werden die Fadenpaare auf dem lateralen Kortex zusammengeführt, angezogen und in der 30°-Flexionsstellung mit einem Nadelhalter temporär fixiert. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Quadrantentest und die Testung der Transplantatspannung bei verschiedenen Beugegraden durchgeführt werden. Die Beugung sollte hierbei vollständig frei sein. Die Patella sollte auch in strecknahen Positionen nicht mehr luxierbar und gleichzeitig sollte eine begrenzte Verschieblichkeit gewährleistet sein. In unseren Händen sollte die Patellaverschieblichkeit in Streckung und in strecknahen Positionen ca. eine halbe Patellabreite betragen. Die Möglichkeit eine Überspannung zu korrigieren, kann im Rahmen der funktionellen Testung problemlos genutzt werden. Erst wenn das Gleiten der Patella in Funktion, der Quadrantentest und die Transplantatspannung in unterschiedlichen Beugegraden zufriedenstellend eingestellt ist, erfolgt die dauerhafte Verknüpfung (Abb. 3m). Hierdurch gelingt unserer Meinung nach eine individuelle Alignement-Anpassung sowie sichere Spannungseinstellung [42]. Aus unserer Sicht ist die Einstellung der MPFL-Spannung während der Operation ein wesentlicher Faktor, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Sowohl für den temporären Knoten als auch für die dauerhafte Verknotung nutzen wir zum Erzielen eines sicher und fest auf dem in der Tiefe gelegenen Periostes wiederum den arthroskopischen Knotenschieber. Entsprechend der Literatur scheint eine sichere intraoperative Einstellung der Transplantat-Spannung des MPFL hingegen nicht selbstverständlich [9, 39]. Beugelimitierungen und eine überhöhte Transplantat-Spannung mit entsprechend hohen Anpressdrücken auf das patellofemorale Gleiten sowie vordere Knieschmerzen sind somit keine Seltenheit. Aus genau diesen Gründen diskutiert Chouteau in einem aktuellen Review den Bedarf nach einer Operationstechnik, die ein solches Überspannen der MPFL-Plastik vermeidet [9]. Schaut man zudem in die Literatur, so ist es schwierig, die beste Technik zu finden, mit der das Transplantat während der Operation eingestellt und fixiert wird, um schließlich eine optimale Spannung zu erhalten. Thaunat und Erasmus empfehlen eine volle Extension sowie eine eher weiter distal angelegte femorale Insertion, um eine Überspannung während der Knieflexion zu verhindern [39]. Autoren weiterer Studien ziehen Techniken vor, die eine Transplantat-Verknüpfung bei 30°-45° Beugung vorsehen [4, 19, 23]. Wasiak et al. fixieren das Transplantat in 20° Flexion und verschieben sie ein wenig nach lateral, bevor sie diesen endgültig miteinander verknüpfen [47]. Weitere Autoren ziehen eine Position zwischen 60° und 90° Kniebeugung vor, weil diese eine präzisere Einstellung der Patella in den inferioren Teilen des trochlearen Gleitlagers zulässt [35]. Bei der Zusammenschau dieser Studien scheint es, dass die eine optimale Methode zur Spannungseinstellung der Transplantat-Fixierung noch nicht beschrieben wurde. In unseren Händen führt sowohl die Überprüfung des Quadrantentests als auch die Prüfung der Beugung häufig zu sinnvollen, feinen Nachjustierungen. Daher empfinden wir unsere Methode als äußerst zuverlässig. Erst wenn der Operateur mit der Beweglichkeit und Spannung der Kniescheibe zufrieden ist, folgt die endgültige Fixierung des Transplantates und schließlich der schichtweise Kapsel- und Hautverschluss (Abb. 3n). Somit erachten wir unsere individuell balancierte Technik, die eine sichere Testung und Einstellung der Transplantat-Spannung erlaubt, sowohl für die MPFL-Rekonstruktionen im Rahmen von Trochleaplastiken [44] als auch für die reinen MPFL-Plastiken [42] als eine logische und praktikable Lösung.

Klinische Ergebnisse

Mittlerweile gibt es mehrere Studien, in denen neben der Bereiter-Methode routinemäßig in gleicher Sitzung eine MPFL-Plastik erfolgte [5, 7, 23, 44]. Die klinischen Outcome Scores sind für die kombinierten Verfahren vergleichsweise hoch. So zeigen Banke et al. 88, Blønd et al. 89, von Engelhardt et al. 94 und Neelitz et al. 96 von 100 Punkten im postoperativen Kujala Score. Bis auf zwei nachfolgende Subluxationsereignisse in der Studie von Blønd et al. zeigten alle hier nachuntersuchten Patienten keine erneuten Luxationsereignisse. Auch die präoperativ beobachteten positiven Apprehensiontests wurden in diesen Studien – bis auf einen Patienten in der Studie von Nelitz et al. – durchweg als negativ beschrieben [5, 7, 23, 44]. Studien, in denen eine Trochleaplastik nach Dejour oder Bereiter ohne zusätzliche MPFL-Plastik erfolgte, beschreiben hingegen weiterhin positive Apprehensiontests in 16 % [8], 20 % [40], 21 % [29] und 47 % [13] der Fälle. Ein systematisches Review verglich Studien zu isolierten Trochleaplastiken mit Studien zum kombinierten Eingriff aus einer Trochlea- und MPFL-Plastik. Die isolierten Trochleaplastiken zeigten gegenüber den kombinierten Verfahren einen schlechteren klinischen Outcome und höhere Revisionsraten [27].

Spannend ist auch das Thema Sport. In unseren eigenen Follow-up-Untersuchungen kehrten mit weit über 90 % der Großteil der Patienten nach der kombinierten Operation nach spätestens 6 Monaten wieder in ihren vorherigen Sport zurück [44]. Die meisten Patienten berichteten von einem neuen, sicheren Stabilitätsgefühl, mit Möglichkeit ohne Zurückhaltung den jeweiligen Sport ausüben zu können. Auch unter den Patienten, die präoperativ keinen regulären Sport betrieben haben, wurde ein Teil sogar im Verlauf sportlich aktiv. Dies entspricht den Angaben in der Literatur, wonach bspw. in der Studie von Nelitz et al. 95 % der Patienten mit einer kombinierten Trochlea- und MPFL-Plastik mit dem Operationsergebnis zufrieden waren und nahezu alle in den zuvor ausgeübten Sport zurückkehren konnten. Spezifische Zahlen zum Return-to-Sport wurden allerdings nicht beschrieben [23]. Auch in der Studie von Banke et al. wurde von keiner erneuten Instabilität sowie einem damit einhergehenden höheren sportlichen Aktivitätsniveau berichtet [5]. Blønd et al. zeigten eine signifikante Verbesserung im KOOS Scoring in der Kategorie „Funktionsfähigkeit in Sport und Freizeit“ [7]. Diese Daten stimmen optimistisch. Sie weisen darauf hin, dass die Kombination einer Trochleaplastik mit einer MPFL-Rekonstruktion bei richtiger Indikationsstellung ein erfolgversprechendes Verfahren darstellt. Die Möglichkeit, die Transplantatspannung intraoperativ zu testen und anzupassen, erachten wir bei unserem Vorgehen als wertvoll, um das Ergebnis zu optimieren.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Lars Victor
Baron von Engelhardt

Fakultät für Gesundheit der
Universität Witten/Herdecke

Sportklinik, Endocenter u.
Orthopädische Praxis Dr. Berg/
Prof. von Engelhardt Damme

Lindenstraße 10–12

49401 Damme

larsvictor@hotmail.de

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