Übersichtsarbeiten - OUP 01/2019

Interventionelle diagnostische und therapeutische Maßnahmen in der MRT
Speziell für das Kind

Richard Doepner, Thekla von Kalle, Thomas Wirth

Zusammenfassung:

Bildgesteuerte minimalinvasive Interventionen haben den Vorteil der schnelleren Rekonvaleszenz der
Patienten und der Schonung wichtiger Gewebestrukturen. Hohe Detailauflösung und kurze Untersuchungszeit machen die CT zu einem idealen Instrument. Jedoch besteht bei Kindern aufgrund der noch zu erwartenden langen Lebenszeit das dringende Gebot, die Strahlenexposition auf ein Minimum zu
reduzieren. Viele pathologische Veränderungen des Skelettsystems lassen sich auch mittels MRT
darstellen, selbst jene, die in Röntgenbild oder CT nur unzureichend erkennbar sind. Deshalb haben wir einen Algorithmus entwickelt, bei dem mittels MRT zielgenaue Interventionen durchgeführt werden
können. In dieser Arbeit stellen wir 7 therapeutische und eine diagnostische Intervention dar, welche wir zwischen 01/2016 und 03/2018 MRT-gestützt minimalinvasiv durchgeführt haben. Im Rahmen der
8 Behandlungen kam es zu keinen Komplikationen. Ein Rezidiv eines Osteoidosteoms konnte
im Rahmen eines 2. Eingriffs zur Ausheilung gebracht werden.

Schlüsselwörter:
Osteoidosteom, MRT, Intervention, Diagnostik, Kind

Zitierweise:

Doepner R, von Kalle T, Wirth T: Speziell für das Kind: Interventionelle diagnostische
und therapeutische Maßnahmen in der MRT. OUP 2019; 8: 022–025

DOI 10.3238/oup.2019.0022–0025

Summary: Radiological guided minimal invasive procedures help patients to recover earlier and reduce traumatic harm to the surrounding tissue in the operative field. High resolution and short examination times make the CT a perfect instrument for such interventions. Looking at the long resting lifetimes of children it is obvious to reduce x-ray exposition to a minimum during medical treatment. Furthermore there are many bone pathologies which are not visible in normal x-ray- or CT-diagnostic, making MRI imaging a reasonable diagnostic
feature in childhood. On the other hand minimal invasive procedures help patients to recover earlier and reduce traumatic harm to the tissue, which is surrounding the operative field. For this reasons we developed an algorithm, in which MRI supported minimal invasive diagnostics and interventions can be done. In this paper we
describe 7 therapeutic and 1 interventional minimal invasive procedure, which we performed MRI guided
between 01/2016 and 03/2018 in our hospital. We had no major complication. Recurrence of an osteoidosteoma could be successfully treated with a second intervention.

Keywords: osteoidosteoma, MRI, intervention, diagnostic, child

Citation: Doepner R, von Kalle T, Wirth T: Especially for the child: Interventional diagnostic and therapeutic measures in MRT. OUP 2019; 8: 022–025

DOI 10.3238/oup.2019.0022–0025

Thekla von Kalle: Radiologisches Institut – Kinderradiologie, Klinikum Stuttgart Olgahospital; alle anderen Autoren: Orthopädische Klinik, Klinikum Stuttgart Olgahospital

Die MRT in der
kindlichen Diagnostik

Auch wenn das Röntgenbild das primäre Diagnostikum in der Beurteilung skelettaler Veränderungen im Kindesalter ist, hat die Magnetresonanztomografie über die letzten Jahrzehnte an diagnostischer Bedeutung gewonnen. So gibt es heute vielfältige Indikationen zur MRT-Diagnostik im Kindesalter (Tab. 1), nicht zuletzt, da es eine röntgenstrahlungsfreie Untersuchungsmethode ist und im Gegensatz zur Projektionsradiografie auch eine 3-dimensionale Darstellung der zu untersuchenden Region möglich macht. Häufig lassen sich Veränderungen in der Knochensubstanz früher und sensitiver darstellen als im Röntgenbild oder CT, sodass die MRT insbesondere in der Tumordiagnostik und zur Abklärung einer Osteomyelitis eingesetzt wird. Spezifische Untersuchungsprotokolle ermöglichen aber auch die sichere magnetresonanztomografische Darstellung kleiner Läsionen wie die des Osteoidosteoms [10, 11, 13]. Hier kommen sowohl MR-Sequenzen
mit hoher räumlicher Auflösung (Pixelgröße < 1 x 1 mm und Schichtdicke ? 3 mm) als auch die dynamische Kontrastmitteluntersuchung zum Einsatz.

Das Osteoidosteom

Das Osteoidosteom gehört zu den 3 häufigsten gutartigen primären Knochentumoren des Menschen [2]. Es führt typischerweise zu nächtlichen Schmerzen, die sich mit NSAR-Einnahme kupieren lassen. Das Prädilektionsalter liegt zwischen 5 und 25 Jahren [5]. Die Hauptmanifestation ist die untere Extremität, und hier insbesondere das proximale Femur mit enger anatomischer Lagebeziehung zu den strahlensensiblen Gonaden, es kann aber am gesamten Skelettsystem vorkommen. Am häufigsten ist eine kortikale Lage, weitere Möglichkeiten sind medullär, endostal oder artikulär [3], mit dann auch fehlendem Sklerosesaum, sodass die Läsionen konventionell radiologisch schwierig zu identifizieren sind. In der Diagnostik ist bei Verdacht im konventionellen Röntgenbild noch die CT-Untersuchung der Goldstandard. Des Weiteren kommt die Skelettszintigrafie [4] und wie oben beschrieben auch die Kernspintomografie zur Anwendung. In der Behandlung ist nach konservativem Therapieversuch häufig die operative oder interventionelle Entfernung/Zerstörung die Behandlung der Wahl. Hier gibt es eine ganze Bandbreite von Therapieoptionen, von der minimalinvasiven CT-gesteuerten Radiofrequenzablation [7, 12, 8] über die CT-gesteuerte Anbohrung [1] bis zur chirurgischen En-Bloc-Resektion. Alle diese Verfahren haben entweder eine hohe Strahlenbelastung oder sind nicht minimalinvasiv. Kürzlich wurde ein Verfahren publiziert, bei dem hochintensiver fokussierter Ultraschall MRT-gesteuert erfolgreich zur Zerstörung von Osteoidosteomen [6, 9] angewendet wurde.

Behandlungsalgorithmus
im Olgahospital
des Klinikums Stuttgart

Zunächst wurden geeignete Patienten unter folgenden Gesichtspunkten für die MRT-gesteuerte Anbohrung selektiert:

  • 1. Die Läsion lässt sich konventionell radiologisch nicht sicher darstellen.
  • 2. Die Läsion ist ohne Gefährdung neurovaskulärer Strukturen minimalinvasiv erreichbar.

So verblieben von 19 Osteoidosteom-Patienten, welche wir im Zeitraum von 01/2016 bis 03 /2018 behandelten, noch 7 Patienten übrig. Das Durchschnittsalter der Patienten war 15 Jahre (7–19 Jahre). Drei der Läsionen befanden sich am Femur, 2 an der Wirbelsäule, einer am Humerus und einer im Azetabulum (Abb. 1). Bei diesen Patienten wurden dann unter Allgemeinanästhesie und sterilen Kautelen in der 1. Phase des sich entwickelnden Algorithmus der Eingriffskorridor im MRT mit einer langen Kanüle markiert und anschließend ein MRT-fähiger Titandraht entsprechend der Nadellage platziert. Die Drahtlage wurde dann kernspintomografisch kontrolliert und je nach Positionierung nochmals korrigiert oder der Patient in den OP überführt und der Befund ausgebohrt und kürettiert. Später wurde das zeitintensive Überführen der Patienten in den OP zugunsten der Durchführung der operativen Prozedur in einem dem MRT benachbarten Eingriffsraum aufgegeben.

Ein weiterer Vorteil der Durchführung der Intervention in direkter Nähe zum MRT war, dass der Erfolg der Maßnahme gleich in der MRT kontrolliert werden konnte. Da jedoch auch die Platzierung der Kanüle und die anschließende Überprüfung der Drahtlage in der MRT sehr zeitintensiv waren, wurde in der weiteren zeitlichen Entwicklung des Behandlungspfads eine erste Markierung der Läsion mittels Titandraht unter Bildwandlerkontrolle im Eingriffsraum durchgeführt, die Drahtlage dann kernspintomografisch kontrolliert und je nach Befund korrigiert oder mit der Überbohrung im benachbarten Eingriffsraum begonnen. Anschließend wurde die Entfernung des Osteoidosteoms im MRT überprüft. Tabelle 2 zeigt die „Evolution“ des angewendeten Behandlungsalgorithmus. Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Durchführung der Maßnahme bei einer 16-jährigen Patientin mit einem Osteoidosteom im SWK 2 re.

Ähnlich wie bei der Behandlung der Osteoidosteome konnte bei einem Patienten nach erfolgreicher Behandlung eines Ewing Sarkoms am prox. Humerus ein suspekter MRT-Befund, welcher im Rahmen der Routinekontrolle aufgefallen war, nach kernspintomografischer Drahtmarkierung mittels einer MRT-kompatiblen Knochenstanze biopsiert werden (Abb. 3).

Ergebnisse, Schlussfolgerung und Aussicht

Im Rahmen unserer Behandlung kam es zu keinerlei Komplikationen, insbesondere Infektionen traten trotz Durchführung der invasiven Maßnahmen außerhalb des OP-Bereichs nicht auf. Des Weiteren sahen wir keine Schädigung neurovaskulärer Strukturen. Ein Osteoidosteom-Rezidiv konnte im Rahmen einer 2. MRT-gesteuerten Behandlung erfolgreich zur Ausheilung gebracht werden. Dies lässt uns schlussfolgern, dass der von uns beschriebene Behandlungsalgorithmus zur invasiven Therapie von Osteoidosteomen geeignet ist, eine sichere komplikationsarme Entfernung der Läsionen mit einer Reduzierung der Exposition gegenüber Röntgenstrahlen im Vergleich zu herkömmlichen Methoden zu gewährleisten.

Eine weitere Verbesserung der Methode wäre die Entwicklung MRT-fähiger Sonden für die Radiofrequenzablation, um die Invasivität des Eingriffs zu reduzieren. Für einige der von uns behandelten Fälle ist sicherlich auch die Therapie mit hochintensivem fokussiertem Ultraschall eine geeignete Alternative. Bei dieser Methode erscheint aktuell insbesondere die Distanz zu neurovaskulären Strukturen behandlungslimitierend zu sein.

Interessenkonflikt:

Keine angegeben.

Literatur

1. Adam G, Keulers P, Vorwerk D et al.: The percutaneous CT-guided treatment of osteoid osteomas: a combined procedure with a biopsy drill and subsequent ethanol injection. Rofo 1995; 162: 232–35

2. Campanacci M: Bone and soft tissue tumors: clinical features, imaging, pathology and treatment, 2. Aufl. Springer 1999; Wien, New York

3. Ciftdemir M, Tuncel SA, Usta U: Atypical osteoid osteomas. Eur J Orthop Surg Traumatol 2015; 25: 17–27

4. Helms CA,Hattner RS, Vogler JB: Osteoid osteoma: radionuclide diagnosis. Radiology 1984; 151: 779–84

5. Jundt G: pathologic-anatomic characteristics of benign bone tumors. Orthopäde 1995; 24: 2–14

6. Napoli A, Bazzocchi A, Scipione R et al.: Noninvasive Therapy for osteoid osteoma: A prospective developmental study with MR imaging-guided high-intensity focused ultrasound. Radiology 2017; 285: 186–96

7. Omlor G W, Lehner B, Wiedenhofer B et al: Radiofrequency ablation in spinal osteoid osteoma. Options and limits.Orthopäde 2012; 41: 618–22

8. Rosenthal DI, Alexander A, Rosenberg AE, Springfield D: Ablation of osteoid osteomas with a percutaneously placed electrode: a new procedure. Radiology 1992; 183: 29–33

9. Sharma KV, Yarmolenko PS, Celik H et al.: Comparison of noninvasive high-intensity focused ultrasound with radiofrequency ablation of osteoidosteoma. J Pediatr. 2017; 190: 222–28

10. Teixeira PA et al.: Dynamic MR imaging of osteoid osteomas: correlation of semiquantitative and quantitative perfusion parameters with patient symptoms and treatment outcome. Eur Radiol. 2013; 23: 2602–11

11. von Kalle T, Langendörfer M, Fernandez FF, Winkler P: Combined dynamic contrast-enhancement and serial 3D-subtraction analysis in magnetic resonance imaging of osteoid osteomas, Eur Radiol 2009; 19: 2508–17

12. Widmann G, Schullian P, Fasser M, Niederwanger C, Bale R : CT-guided stereotactic targeting accuracy of osteoid osteoma. Int J Med Robot 2013; 9: 274–79

13. Zampa V et al.: Osteoid osteoma in atypical locations: the added value of dynamic gadolinium-enhanced MR imaging. Eur J Radiol. 2009; 71: 527–35

Korrespondenzadresse

Dr. med. Richard Doepner

Orthopädische Klinik
Klinikum Stuttgart Olgahospital, Kriegsbergstraße 62

70174 Stuttgart

r.doepner@klinikum-stuttgart.de

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