Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017

Intraoperative Bildgebung bei der Versorgung komplexer Gelenkfrakturen

Die operative Versorgung des Humeruskopfs ist für die Darstellung der Möglichkeiten, die die zweidimensionale Bildgebung mit einem mobilen C-Bogen bieten kann, ein gutes Beispiel. Aufgrund der Neigung des Glenoids von ca. 20° nach anterior ist für eine adäquate Einsicht in das Gelenk eine Projektion mit einer Ausrichtung des Zentralstrahls entlang dieser Gelenkfläche erforderlich. Die exakte Einstellung von Gelenkflächen ist der wesentliche Vorteil der dynamischen Durchleuchtung. Hierbei wird unter Sicht der C-Bogen so lange geschwenkt, bis die gewünschte Projektion erreicht ist. Eine genaue Kenntnis der Anatomie ist hierbei essenziell, um überflüssige Strahlung zu vermeiden.

Ein weiterer Vorteil ist die Darstellung der kompletten sphärischen Kontur des Oberarmkopfs bei der Kontrolle bezüglich einer intraartikulären Schraubenlage. Hierbei besteht die Dynamik der Untersuchung darin, den Oberarmkopf zu rotieren, während der C-Bogen stationär die Position hält. Auf diese Weise kann eine die subchondrale Kortikalis überschreitende Schraubenlage sicher ausgeschlossen werden.

Distaler Radius

Anders stellen sich die Verhältnisse beim distalen Radius dar. Die radiale Gelenkfläche des Radiokarpalgelenks ist in 2 Ebenen konkav. Eine Darstellung der Gelenkfläche in einer Projektion ohne knöcherne Überlagerung ist in diesem Fall unmöglich. Allerdings kann man sich auch beim distalen Radius die anatomischen Winkel zunutze machen: Die Inklination der radialen Gelenkfläche in Richtung palmar beträgt ca. 10–15°, die Neigung nach ulnar ca. 20–30°. Auch hier gilt der Grundsatz, für eine optimale Darstellung des Gelenks bzw. der Gelenkflächen des distalen Radius den Zentralstrahl auf diese Winkel auszurichten. In der Praxis bedeutet dies, dass das Handgelenk bei stationärem C-Bogen im entsprechenden Winkel in den Strahlengang gehalten werden muss. Das gleiche Vorgehen gilt für die saubere Einstellung des distalen Radioulnargelenks, diese wird durch Rotation des Handgelenks erreicht. Alternativ ist natürlich auch eine entsprechende Bewegung des C-Bogens möglich.

3D-Bildgebung

Allgemeines

Zum Nachweis einer Relevanz der intraoperativen 3D-Bildgebung wird in aller Regel die intraoperative Revisionsrate bestimmt. Dies ist die Rate der als Ergebnis des 3D-Scans durchgeführten Optimierungsversuche. Somit können durch dieses bildgebende Verfahren potenziell operative Folgeeingriffe vermieden werden. Beispielsweise publizierten Kendoff et al. 2009 eine intraoperative Revisionsrate von 19 % bei der bis dahin größten veröffentlichten Fallzahl von 248 Patienten. Hierbei wurden 8 verschiedene anatomische Regionen eingeschlossen [10]. Verteilt auf die einzelnen anatomischen Regionen, die naturgemäß unterschiedliche Anforderungen an Reposition und Operateur stellen, sind die Fallzahlen jedoch insgesamt gering. Die Evidenz vergleichbarer Studien bietet aufgrund dessen Raum für Diskussion. Obwohl veröffentlichte Untersuchungen mit höheren Fallzahlen zunächst fehlten, gaben die bisherigen Daten Hinweise auf das Ausmaß der intraoperativen Revisionsrate. 2012 publizierten v. Recum et al. Revisionsraten bezogen auf die Versorgung in unterschiedlichen anatomischen Regionen. Die Gesamtfallzahl betrug hierbei in einem Zeitraum von 8 Jahren 1841 Scans, die höchsten Revisionsraten zeigten sich beim Calcaneus mit 40,3 % (von insgesamt 377 Scans), beim oberen Sprunggelenk mit 30,9 % (von insgesamt 243 Scans) und beim Pilon tibiale mit 29 ,0 % (von insgesamt 124 Scans) [11].

Oberes Sprunggelenk

Frakturen des oberen Sprunggelenks stellen mit 9 % aller Frakturen des menschlichen Körpers die häufigste Fraktur der unteren Extremität dar. Bei 11 % dieser Frakturen liegt eine traumatisch bedingte Verletzung der Syndesmose mit konsekutiver Instabilität vor. Bei akuten Instabilitäten der Syndesmose ist die korrekte Reposition der distalen Fibula in die Incisura tibiofibularis notwendig, um das Risiko einer posttraumatischen Arthrose zu verringern [12–18]. Meist wird zur Stabilisierung eine Stellschraube verwendet. Die korrekte Einstellung wird unter Durchleuchtung in den 3 Standardebenen a.p., seitlich und einer 15–20° innenrotierten Aufnahme („Mortise view“) überprüft [1, 3, 14, 18, 19]. Zur Beurteilung der Reposition scheint neben dem „tibiofibularen overlap“ und dem „medial clear space“ insbesondere die Weite der Syndesmose selbst, der „tibiofibular clear space“, der relevante Parameter zu sein [2, 20]. Eine Vielzahl von Studien haben jedoch gezeigt, dass mit Hilfe der Standardebenen nicht in allen Fällen eine korrekte Aussage über die Reposition der Knöchelgabel getroffen werden kann [1, 3, 20–24]. Die erweiterte Diagnostik durch eine Kernspintomografie lässt zwar die Beurteilung der bandhaften Anteile der Syndesmose zu [24], die Einstellung der distalen Fibula in der Inzisur sowie die Gesamtheit des oberen Sprunggelenkskomplexes jedoch nicht [25]. Die verlässlichste Beurteilung ist mittels Computertomografie möglich [1]. Erbringt diese einen verbesserungswürdigen Befund, sollte eine operative Revision in Betracht gezogen werden.

Richter et al. berichteten 2005 von ersten Ergebnissen der intraoperativen Kontrolle der Reposition nach Stellschraubenplatzierung bei Syndesmosenverletzungen mit einem 3D-Bildwandler im Rahmen von OSG-Frakturen Typ Weber C. Die Stellschraube bzw. das Repositionsergebnis wurden in 3 von 7 Fällen revidiert (43 %) [6]. 2009 wiederholten die Autoren die Studie unter Einschluss mehrerer anatomischer Regionen und 62 Patienten. Hierbei wurde in Bezug auf Weber-C-Frakturen erneut eine Revisonsrate von 43 % angegeben. Es wurde allerdings wieder nur von 7 Patienten berichtet [7].

Ursache für die Fehlstellung der distalen Fibula in der Inzisur ist die seltener einzelne oder meist kombinierte Verletzung der 4–5 bandhaften Anteile der Syndesmose, die im Normalfall eine stabile Verbindung zwischen Tibia und Fibula gewährleistet. Laut Evaluation von van den Bekerom et al. kann eine Syndesmoseninstabilität intraoperativ mittels Haken-Test nach Cotton zuverlässig nachgewiesen werden [26].

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